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Alterszahnheilkunde: Mögliche Risikofaktoren anamnestisch abklären
Behandlungssituation alter Mann

Vor allem der ältere Patient sollte ausreichend über die zahlreichen Verbindungen zwischen internistischen Erkrankungen und Krankheiten der Zähne aufgeklärt werden

Beim geriatrischen Patienten mit multiplen allgemeinmedizinischen Problemen kommt es häufig zu einem Hintanstellen der an sich notwendigen Zahnarztbesuche. Ebenso ist die zahnärztliche Versorgung der pflegebedürftigen Senioren meist nicht in ausreichendem Maß gewährleistet. Dies liegt daran, dass viele Pflegeeinrichtungen nicht über eine regelmäßige zahnmedizinische Betreuung verfügen und die Zahnarztbesuche für diese Personengruppe mit aufwendigen Krankentransporten verbunden sind.

Daraus ergeben sich, wie schon in Teil 1 des Artikels dargestellt, viele Probleme hinsichtlich Ernährung, allgemeinem Wohlbefinden und der Auswirkung oraler Entzündungen auf die Allgemeingesundheit. Hinzu kommt, dass alte Menschen sich oft nur schwer an Veränderungen und/oder Erneuerungen eines Zahnersatzes anpassen können. Hier sind in jedem Fall Fingerspitzengefühl und vorsichtige prothetische Planung erforderlich.

Zahnerhalt und Zahnersatz sind zentrale Themen

Mit dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung steigt der Anspruch auf eine möglichst lange Erhaltung der eigenen oder zumindest einen hochwertigen prothetischen Ersatz verloren gegangener Zähne. Immerhin haben mehr als 70 Prozent der 65- bis 75-Jährigen noch etwa die Hälfte ihrer eigenen Zähne.

Hier gilt es, die altersentsprechenden Bedürfnisse dieser Personengruppe zu berücksichtigen. Die Patienten sollten ausreichend über die zahlreichen Verbindungen zwischen internistischen Erkrankungen und Krankheiten der Zähne aufgeklärt werden. Der Mund ist Eintrittspforte zahlreicher Krankheitserreger. Das damit verbundene Risiko und die Zusammenhänge zwischen oralen Läsionen und Herz-Kreislauf- sowie Lungenerkrankungen müssen im Patientengespräch thematisiert werden.

Regeneratives Potenzial der oralen Gewebe nimmt ab

Schwerpunkte sind der Erhalt der eigenen Zähne und die optimale Versorgung des Lückengebisses. Häufig sind die noch vorhandenen Zähne vorgeschädigt. Neun von zehn der über 65-Jährigen haben parodontale Läsionen an der Restbezahnung. Diese resultieren aus den über Jahre hinweg akkumulierten destruktiven Einflüssen durch zahlreiche endogene und exogene Noxen.

Neben suboptimaler Mundhygiene zählen hierzu Nikotingenuss, orale Nebenwirkungen von Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus und mechanische Noxen wie überhängende Füllungen, unebene Kronenränder oder insuffiziente technische Versorgungen. Hinzu kommt, dass über 70-Jährige meist mehr als drei unterschiedliche Medikamente pro Tag einnehmen, wobei eine Reihe dieser Arzneimittel erhebliche Auswirkungen auf die Mundschleimhaut hat. Ebenso nimmt das regenerative Potenzial der oralen Gewebe mit zunehmendem Alter ab, die Zahl der reparativen Odontoblasten im Kieferknochen ist verringert.

Individuelle Planung der prothetischen Versorgung

Aus zahnärztlicher Sicht müssen bei der Behandlung älterer Patienten mögliche Risikofaktoren anamnestisch abgeklärt werden. Bei der Wahl der prothetischen Versorgung sind die Erfolgschancen sorgfältig zu prüfen. Besonders bei der geplanten Setzung von Implantaten müssen die verbleibenden Zähne parodontal saniert werden, um ein Übergreifen von Entzündungen auf die osseointegrierte Versorgung zu verhindern.

Periimplantitis wird ähnlich wie Parodontitis bakteriell/fungal ausgelöst. Die mikrobiologischen Keimspektren sind praktisch ident. Die Besiedelung des Implantats erfolgt meist aus den Biofilmen in den Zahnfleischtaschen der Restbezahnung. Aber auch in anderen ökologischen Nischen der Mundhöhle wie am Gaumen, an der Zunge und den Tonsillen können parodontal-aktive Bakterien persistieren. Anaerobier und fakultativ anaerobe Mikroorganismen finden in den Furchen und Spalträumen dieser oralen Oberflächen gute Lebens- und Vermehrungsbedingungen.

Vor implantologischen Eingriffen Keimspektrum abklären

Um ein mögliches Infektionsrisiko zu vermeiden, sollten das Keimspektrum vor der Implantatsetzung abgeklärt und die bestehenden Läsionen entsprechend therapiert werden. In der Phase der Einheilung der Implantatstifte ist eine ausreichende Durchblutung der oralen Gewebe unbedingt erforderlich. Mikroangiopathien durch Diabetes mellitus oder Gefäßverengungen infolge langjährigen Tabakkonsums können zu schweren Wundheilungsstörungen führen. Hinzu kommt speziell in solchen Fällen auch eine mögliche Besiedelung durch atypische multiresistente Bakterien, welche zu massiven Entzündungen mit Gewebsabbau und letztendlich zum Verlust des Implantats führen können.

Ähnliche Probleme ergeben sich auch bei teilprothetisch versorgten Patienten. Vestibuläre Rezessionen im Frontzahnbereich erschweren eine geeignete Mundhygiene. Über die vermehrte Plaqueakkumulation werden dann die tragenden Stützpfeiler der Prothese infiziert und durch fortschreitenden Knochenabbau gefährdet.

Sowohl bei Teil- als auch bei Vollprothesenträgern ist eine Prothesenstomatitis keine Seltenheit, die Prävalenz liegt immerhin zwischen 10 und 65 Prozent. Durch das aufliegende Prothesenlager entsteht ein artifizielles Kompartiment zwischen Schleimhaut und Kunststoff. Die permanente mechanische Reizung der Mundschleimhaut bei mangelnder Kongruenz zerstört die Integrität der Epithelschranke. Dies bildet ideale Voraussetzungen für Bakterien und Pilze, welche über diese Läsionen direkt in tiefere Gewebeschichten vordringen können.

Candida-Spezies durchsetzen auch Prothesenkunststoffe

Der mikrobiologische Abstrich zeigt oft einen massiven Befall durch Candidaspezies. Die Eradikation des Sprosspilzes kann sich als schwierig erweisen. Die Pseudohyphen wachsen nicht nur destruktiv in das Weichgewebe ein. Sie können auch den Kunststoff der Prothese durchsetzen und sind durch konventionelle Reinigung nicht zu eliminieren. Prinzipiell ist eine ausschließliche Reinigung der Prothesen nur mit handelsüblichen Brausetabletten nicht ausreichend. Aber auch bei zusätzlicher mechanischer Dekontamination verbleiben Sprosspilze im Kunststoff und induzieren von dort eine Reinfektion. Bei rezidivierender schwerer Candidiasis muss in solchen Fälle die Prothese erneuert werden.

Pilzbefall stellt beim älteren Patienten nicht nur für die orale Mukosa eine Gefahrenquelle dar. Durch die im fortgeschrittenen Alter oft eingeschränkte Immunabwehr können die Infektionen in den Oesophagus und den Respirationstrakt streuen. Durch gute Anpassung der prothetischen Versorgung und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen, auch beim unbezahnten Kiefer, können schmerzhafte, schwer zu behandelnde Läsionen weitgehend vermieden werden.

(Nachdruck aus Zahn.Medizin.Technik, Wien, Ausgabe 12/2016, mit freundlicher Genehmigung des Verlags und der Autoren)