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e-Health zwischen Mut und Verzweiflung
Digitales Gesundheitswesen: Anwendung, Akte, Infrastruktur

Digitales Gesundheitswesen: Anwendung, Akte, Infrastruktur

Fangen wir mit dem Positiven an: Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg zeigt sich weiterhin als Vorreiter in Sachen Telemedizin. Hier werden im Sinne einer Maker-Kultur Dinge mutig und praktisch ausprobiert. Am 16. April 2018 startete in Stuttgart und Tuttlingen ein weiteres Modellprojekt. Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen können sich bei 35 Ärzten telemedizinisch beraten und behandeln lassen. Docdirect ist der sprechende Name des Projekts. Ein Test jenseits des Fernbehandlungverbots nutzt digitale Kommunikationskanäle, um den Kontakt von Arzt und Patient zu ermöglichen. Ein virtueller Hausbesuch ohne Fahrtzeiten wird möglich. Hier wird getestet, wie den derzeitigen Versorgungsengpässen auf dem Land und der demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft begegnet werden kann. Der Ärztetag im Mai soll es nun richten. Hier wird versucht werden, eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots zu beschließen.

Auch in Sachen Telematikinfrastruktur gibt es positive Signale. Rechtzeitig zur Medizinmesse conhIT meldet die Telekom, dass auch die KZBV die Zulassung für ihren elektronischen Praxisausweis erteilt hätte. Auch die Zulassung ihres Konnektors sei auf der Zielgeraden. Ebenso wird zur Messe ein weiteres TI-Paket um Arvato und Secunet angekündigt. Es kommen also neue Anbieter auf den Markt. Ob das auch die gewünschte Bewegung in die preisliche Entwicklung bringt, wie vom GKV-SV prognostiziert, erscheint wiederum laut Preisangaben der Telekom weniger wahrscheinlich.

Gesundheit! Die elektronische Patientenakte

In der Königsdisziplin der Digitalisierung des Gesundheitssystems herrscht schon Uneinigkeit bei der Namensgebung. Das e-Health-Gesetz sieht eine „elektronische Patientenakte“ vor. Verschiedene Krankenkassen basteln bereits an einem eigenen System und sprechen lieber von der „elektronischen Gesundheitsakte“. Die TK hat sich dazu IBM Deutschland als Entwicklungspartner ausgesucht. Die AOK experimentiert mit der digitalen Akte in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin mit digitalen Gesundheitsnetzwerken. Nicht verwunderlich ist, dass Bayern an einer eigenen „Bayerischen Gesundheitsakte“ arbeitet. Last, but not least arbeiten natürlich längst transnationale Unternehmen wie Apple an elektronischen Gesundheitsakten für Mobilgeräte. Inwieweit es hier Übergänge zur TI-Infrastruktur geben wird, bleibt abzuwarten. In diese diffuse Gemengelage hinein beansprucht die KBV für sich und den GKV-SV nun die Führungsrolle, das bedeutet Richtlinienkompetenz für die „ePatientenakte“ und ihre inhaltliche Ausgestaltung. Für die technischen Rahmenbedingungen könnte etwa die Gematik betraut werden.

Hier herrscht Handlungsbedarf. Je mehr Insellösungen derzeit entstehen, desto schwieriger wird es, die Interoperabilität zwischen den Aktenlösungen verschiedener Akteure – von Kassen, Leistungserbringern und Software-Anbietern – und der Telematikinfrastruktur zu gewährleisten.

Schmale Schritte beim Breitbandausbau

Ein weiterer IT-Wermutstropfen ist der Ausbau des Breitband-Internetzugangs gerade in ländlichen Räumen. Hier verfügen gerade einmal 36 Prozent der Haushalte über Anschlüsse mit Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 50 Mbit/s. Bundesweit sind es immerhin noch etwa 25 Prozent aller Haushalte, die sich mit Bandbreiten unterhalb der magischen 50 Mbit/s-Grenze begnügen müssen. Das bringt natürlich eine Telematikinfrastruktur an ihre Funktionsgrenzen. Auf mittlere Sicht werden auch 50 Mbit/s nicht reichen und die bestehende Kupferinfrastruktur bei der Datenübertragung stößt damit an ihre Grenzen. Und beim Glasfaserausbau liegt Deutschland europaweit auf einem der hintersten Plätze. Gerade einmal 2,7 Millionen Haushalte verfügen darüber. Zum Landarztmangel kommt also absehbar ein weiterer Versorgungsengpass: viel Landstraße, wenig Datenautobahn.