Anzeige
Implantate haben eine gute Prognose – aber ...

Implantate sind so erfolgreich wie die Kandidaten kommunistischer Wahlen. Diese "launige" Behauptung ist doppelt falsch: Erstens beziehen sich die hohen Zahlen von mindestens 96 Prozent primär auf das Überleben – also darauf, ob ein Implantat noch irgendwie im Knochen verankert ist [1]. Im Analogschluss hätten direkte Füllungen überlebt, wenn sie noch nicht auf Sondendruck beweglich sind, aber bereits Sekundärkaries aufweisen.

Ähnlich hohe Überlebensraten werden für festsitzende, also zementierte oder verschraubte implantatprothetische Versorgungen genannt [2], herausnehmbare haben etwas schlechtere Prognosen. Sie erhöhen zudem im Vergleich zu festsitzender Prothetik die Komplikationsrate der Implantate, jedoch nur in moderatem Umfang [3, 4].

Soweit zum Thema Überleben. Erfolgreich – und damit für Patienten akzeptabel – ist eine Implantatversorgung aber nur, wenn sie dauerhaft gut funktioniert und ästhetisch befriedigt. Die periimplantären Gewebe müssen gesund bleiben, also frei von Mukositis, entzündlichem Knochenabbau oder Rezessionen. Wie reparaturanfällig die Prothetik ist, wirkt sich auf Kosten und Sitzungszahl aus. Schließlich müssen manuell eingeschränkte Patienten oder ihre Betreuer mit der prothetischen Versorgung umgehen und sie sauber halten können [5].

Zahlreiche Risikofaktoren

Albrektsson und Kollegen nannten für Implantate im Jahr 1986 folgende Kriterien, die für eine Marktzulassung herangezogen werden:

  • Es ist osseointegriert (nicht beweglich).
  • Es zeigt keine „periimplantäre Radioluzenz“.
  • Der jährliche marginale Knochenrückgang beträgt ab prothetischer Belastung jährlich maximal 0,2 mm.
  • Pathologische Symptome wie Schmerz und Entzündung fehlen.
  • Die Überlebensrate beträgt mindestens 85 Prozent nach fünf und 80 Prozent nach zehn Jahren.

Umfassendere, aktuelle und allgemein akzeptierte Erfolgsdefinitionen für Implantatversorgungen, die auch die Patientensicht berücksichtigen, konnte der Autor nicht identifizieren. Dagegen werden Risikofaktoren immer genauer erfasst und bewertet – meist in Bezug auf das Implantatüberleben. Dabei geht es um Details wie Implantatkonstruktion und -dimension, die Implantatzahl in Abhängigkeit von der Versorgungsart und den Einfluss von Augmentationen [6]. Gefunden wurde zum Beispiel ein signifikant negativer Einfluss von schlechter Knochenqualität (Typen 3 und 4), geringen Knochendimensionen, Sofortimplantation oder früher Belastung bei reduzierter Primärstabilität [6].

Alter kein Risikofaktor, aber fehlende Spezialisierung

Weitere Risikofaktoren sind Bruxismus, Rauchen und verschiedene systemische Beeinträchtigungen samt Medikation. Raucher haben im Vergleich zu Nichtrauchern ein zweimal höheres Risiko für Implantatverluste und Infektionen und zudem einen stärkeren Knochenabbau [7]. Sie sollten entsprechend aufgeklärt werden. Überraschend und erfreulich ist dagegen, dass das Alter keinen unmittelbaren Einfluss auf den Erfolg zu haben scheint [8, 9].

Weiterhin wird betont, dass Implantate, die von erfahrenen Behandlern mit Spezialausbildung gesetzt werden, signifikant seltener verloren gehen [6]. Von allgemein praktizierenden Zahnärzten in den USA inserierte – oder nur prothetisch versorgte – Implantate hatten nach durchschnittlich 4,2 Jahren eine Misserfolgsrate von 7 Prozent [8]. Das ist höher als der Durchschnittswert von 3 Prozent nach fünf Jahren, der überwiegend in spezialisierten Einrichtungen ermittelt wurde.

Eine groß angelegte Befragung in Schweden ergab, dass Patienten, die in spezialisierten Zentren behandelt wurden, häufiger mit dem ästhetischen und funktionellen Ergebnis zufrieden waren als nach Behandlung in Allgemeinpraxen [10]. Aus beidem lässt sich folgern, dass eine fundierte Ausbildung von großer Bedeutung ist.

Erfolgreich – und damit für Patienten akzeptabel – ist eine Implantatversorgung nur, wenn sie dauerhaft gut funktioniert und ästhetisch befriedigt. 

Knochenabbau und periimplantäre Entzündung

Ein wichtiger Risikofaktor für Implantatverluste ist eine schwere Parodontitis in der Anamnese. Unbehandelt ist jede Parodontitis eine Kontraindikation, aber auch nach erfolgreicher Therapie ist bei Parodontitispatienten das Risiko für Periimplantitis höher als bei parodontal unbelasteten [11]. Das gilt nach einer neuen, prospektiven Studie nicht, wenn ein regelmäßiger qualifizierter Recall erfolgt. In diesem Fall unterscheiden sich weder Sondierungstiefen, noch Implantatverluste [12]. In der Studie zeigten auch beim marginalen Knochenabbau beide Gruppen vergleichbare Ergebnisse [12].

Was physiologisch ist und wo eine Periimplantitis beginnt, ist unter Experten und auch zwischen Implantatanbietern stark umstritten [13-15]. Doch kann bei fortschreitendem entzündlichem Knochenabbau – also bei zunehmenden Sondierungstiefen mit Sondierungsblutung oder Eiteraustritt – von einer moderaten bis schweren Periimplantitis ausgegangen werden [16, 17].

Ein zusätzliches Symptom ist ein radiologischer festgestellter Knochenabbau von mehr als 2 (mm) nach prothetischer Versorgung. Beträgt dieser maximal 0,2 mm pro Jahr und ohne Sondierungsblutung, liegt dagegen keine Periimplantitis vor.

Würde eine Periimplantitis als Misserfolg bewertet, müsste die entsprechende Rate tendenziell höher sein als oben angegeben. Die durchschnittliche Häufigkeit von Periimplantitis wird mit 22 Prozent angegeben [18]. Damit entspricht sie etwa derjenigen von Parodontitis [19], schreitet aber schneller voran. Zu bedenken ist aber, dass eine Periimplantitis in vielen Fällen erfolgreich behandelt und somit eine als erfolgreich einstufbare Situation wiederhergestellt werden kann. Langfristig erscheint aber ein Implantaterfolg von 90 Prozent angesichts der hohen Entzündungswerte durchaus optimistisch.

Auf der Suche nach dem idealen Patienten

Wer Implantatverluste vollständig vermeiden will, implantiert nur bei idealen Patienten und nach langjähriger Erfahrung. In der Realität sind jedoch ideale Patienten eher selten anzutreffen, und jeder Zahnarzt oder jeder Chirurg muss einmal das erste Implantat ohne Supervision setzen. Hinzu kommt, dass gut dokumentierte Behandlungsprotokolle mit langen Wartezeiten und gegebenenfalls Augmentationen nicht von allen Patienten akzeptiert werden. Daraus folgt, dass nach fachgerechter Aufklärung auch in weniger als idealen Situationen implantiert werden kann. Nicht ohne Risiko, aber zum Nutzen des Patienten und der Praxis.

Dr. Jan H. Koch, Freising

Das Literaturverzeichnis kann unter leserservice@dzw.de angefordert werden.