Anzeige

Koalitionsvertrag im Urteil der Bundestagsfraktionen: FDP

Koalitionsvertrag

Koalitionsvertrag

Gesundheit und Pflege: Fünf Fragen – fünf Antworten. Teil 4 – Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP-Fraktion

Die DZW hat die gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen nach ihrer Meinung zum Bereich „Gesundheit und Pflege“ im Koalitionsvertrag befragt. Die Antworten publizieren wir hier als lose Folge. Die Fragen stellte DZW-Redakteur Dr. Helge David.

 

Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion

Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion

Wohin führt die vereinbarte Kommission zur Einführung einer gemeinsamen Honorarordnung für GKV und PKV?

Christine Aschenberg-Dugnus: Die Kommission zur Einführung einer gemeinsamen Honorarordnung für GKV und PKV führt ins Nirgendwo, da es sich um zwei völlig unterschiedliche Systeme handelt. Viele Akteure haben nicht verstanden, dass die Gebührenordnung für Ärzte mit ihren vorgesehen Steigerungsfaktoren nicht mit dem EBM zu vergleichen ist. Solange die Budgetierung in der GKV nicht aufgehoben ist, wird auch eine einheitliche Gebührenordnung nicht dazu führen, dass GKV Versicherte schneller einen Termin beim Facharzt erhalten. Vielmehr sind bei einer einheitlichen Gebührenordnung steigende Beiträge für Kassenpatienten zu erwarten.

Stefan Etgeton von der Bertelsmann-Stiftung erklärte in einem Spiegel-Interview, die PKV habe jetzt nur eine „Gnadenfrist“ erhalten. Was meinen Sie, kommt die Bürgerversicherung, und welche Vor- und Nachteile hätte sie?

Aschenberg-Dugnus: Die Bürgerversicherung kommt auch deshalb nicht, weil selbst die GKV eine solche nicht möchte. Von einer Gnadenfrist kann daher nicht die Rede sein. Lassen wir die Bürger selbst entscheiden, wo und wie sie sich versichern. In beiden Systemen gibt es jedoch Reformbedarf. 

Wo liegen für Sie die Stärken und wo die Schwachpunkte zum Thema Gesundheit und Pflege im Koalitionsvertrag?

Aschenberg-Dugnus: Stärken sehe ich im Bereich Pflege. Schwachpunkte liegen für mich zum Beispiel in der mangelnden Stärkung der Freiberuflichkeit. Union und SPD möchten einerseits die Freiberuflichkeit stärken, andererseits soll durch das Mindestsprechstundenangebot von 25 Stunden planwirtschaftlich in die Bestellpraxis der Ärzte eingegriffen werden. Das zeigt, wie wenig die Koalitionäre den Arbeitsalltag der Vertragsärzte kennen. Denn die Arbeitsstunden für gesetzlich Versicherte liegen weit höher als die hier geforderten Stunden. Genauso widersprüchlich ist es, ein Hohelied auf die Digitalisierung zu singen und im Gegenzug den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten.

Verfolgt der Koalitionsvertrag im Bereich Pflege die richtige Strategie, Pflegeberufe attraktiver zu gestalten, Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten, ein Sofortprogramm für zusätzliche Fachkräfte aufzusetzen?

Aschenberg-Dugnus: Ja, es lassen sich durchaus richtige und begrüßenswerte Ansätze erkennen. Hauptpunkt muss es sein, mehr Pflegekräfte für den Arbeitsmarkt zu gewinnen, Quereinsteiger und die Qualifizierung von Pflegekräften zu examinierte Pflegekräften zu fördern und allgemein die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Weiterhin ist es ein wichtiger Punkt, Angehörige von Pflegebedürftigen zu entlasten. Denn ein großer Teil der Pflege findet nach wie vor in der Familie statt. Angehörige müssen daher sowohl finanzielle als auch beratende Unterstützung erhalten. 

Frage: Wird die Versorgungssicherheit auf dem Land gewährleistet? Durch das Verbot des Versandhandels verschreibungspflichtiger Arzneimittel? Durch Zuschläge für Ärzte in unterversorgten Regionen?

Aschenberg-Dugnus: Ein Versandhandelsverbot ist keine adäquate Lösung, um die Versorgungssicherheit im ländlichen Raum sicherzustellen. Ein solches Verbot entmündigt die Bürger, denn jeder sollte frei entscheiden können, ob er sein verschreibungspflichtiges Medikament in der Versandapotheke oder in der heimischen Apotheke vor Ort bezieht. Eine flächendeckende Arzneimittelversorgung braucht beides: ortsgebundene Apotheken und in- und ausländischen Versandhandel. Zur Stärkung der inhabergeführten Apotheke vor Ort sollten verbesserte Abrechnungsmöglichkeiten für besondere Leistungen (individuelle Beratung) sowie ein Sicherstellungszuschlag für Apotheken im ländlichen Raum geschaffen werden. Was die Unterversorgung bestimmter Regionen betrifft, brauchen wir dringend eine Entbudgetierung für grundversorgende Haus- und Fachärzte.