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Hepatitis B ist 100-mal ansteckender als HIV – so wird eine Ansteckung vermieden
„Auch wenn HIV in den Praxen mit am meisten gefürchtet wird – eine der weltweit häufigsten Infektionskrankheiten ist Hepatitis B“, so Lindner-Wiedemuth

„Auch wenn HIV in den Praxen mit am meisten gefürchtet wird – eine der weltweit häufigsten Infektionskrankheiten ist Hepatitis B“, so Lindner-Wiedemuth

HIV hat durch die zur Verfügung stehenden Medikamente „ein bisschen an Schrecken verloren“, so Dr. Ramona Lindner-Wiedemuth (Ennepetal) beim 3. DZW Hygiene-Forum der Haranni Academie Ende April 2018 in Herne.und machte zunächst den Unterschied zwischen HIV (Infektion mit dem Virus) und Aids (Vollbild der Erkrankung) deutlich. „Heute kann mit modernen Medikamenten die Viruslast so stark gesenkt werden, dass das Virus nicht mehr nachweisbar ist und es nicht zum Ausbruch der Erkrankung kommt“, erklärte sie.

Viel ansteckender sei hingegen die Patientengruppe, die zwar HIV-positiv ist, bei der die Krankheit aber (noch) nicht diagnostiziert ist – Schätzungen zufolge seien in Deutschland 12.600 Menschen betroffen. „Auch wenn HIV in den Praxen mit am meisten gefürchtet wird – eine der weltweit häufigsten Infektionskrankheiten ist Hepatitis B“, so Lindner-Wiedemuth; diese sei 100-mal ansteckender als HIV. Bis 1982 habe Hepatitis B sogar als die Berufskrankheit der medizinischen Berufe gegolten.
Nicht zu unterschätzen sei auch eine Erkrankung an Hepatitits C, für die es noch keine Impfung gebe, betonte die Referentin. Da Neuinfektionen oft symptomlos verlaufen und von eher unspezifischen Beschwerden begleitet würden, bestehe die Gefahr, dass die Krankheit in eine chronische Form übergehe (nach etwa sechs Monaten in 50 bis 80 Prozent der Fälle), warnte sie. „Hepatitis C ist zu 90 Prozent heilbar“, aber unbehandelt führe sie bei 15 bis 30 Prozent der Erkrankten zur Zirrhose/Leberkrebs. Daher sei ein frühzeitiger Therapiebeginn sehr wichtig. Zum Verlauf gehören unter anderem auch extrahepatitische Beschwerden an den Gelenken, Neuropathien, Nieren, der Schilddrüse sowie eine trockene Mundschleimhaut.

Auch nach ihrem Vortrag stand Dr.  Linder-Wiedemuth den Teilnehmern des 3. DZW Hygiene-Forums der Haranni Academie für Fragen zur Verfügung.

Auch nach ihrem Vortrag stand Dr.  Linder-Wiedemuth den Teilnehmern des 3. DZW Hygiene-Forums der Haranni Academie für Fragen zur Verfügung.

Um Ansteckungen zu vermeiden, empfahl Lindner-Wiedemuth die Hepatitis-B-Impfung, Expositionsprophylaxe, immer wieder eine Anamnese zu erheben, eine persönliche Schutzausrüstung, die unfallsichere Handhabung und Entsorgung spitzer/scharfer/zerbrechlicher Gegenstände sowie routinemäßige Hygienemaßnahmen durchzuführen. Zu Letzteren gehören für die Referentin auch ein aktueller Hygieneplan, die maschinelle Aufbereitung, vollständige AA/VA, eine sichere Dokumentation, eine Unterweisung/Einweisung/Fachkunde, das Hy­gie­nemanagement/QM, die Validierung/Revalidierung, ein Auf­be­reitungsraum sowie die unfallsichere Müllentsorgung. Dies alles müsse aber auch immer wieder hinterfragt und überprüft werden.

An Standard-Hygienemaßnahmen nannte Lindner-Wiedemuth
• das Tragen einer PSA,
• die Handdesinfektion vor und nach Patientenkontakt,
• das Vermeiden von häufigem Händewaschen,
• die Wischdesinfektion patientennaher Oberflächen,
• die bevorzugt maschinelle Instrumentenaufbereitung,
• AA/VA/QM sowie eine
• sorgfältige Dokumentation.

Sie riet aber auch von einigen Vorgehensweisen ab, beispielsweise Termine von infektiösen Patienten an das Ende des Behandlungstags zu legen, eine gesonderte Wanne zur Sammlung der hierfür benutzten Instrumente oder auch das Wartezimmer/Behandlungszimmer anschließend für einige Zeit zu sperren – „Wir führen Hygiene durch, daher besteht keine Gefahr“, erinnerte sie. Auch das Übereinan­dertragen von zwei Paar Handschuhen sei nicht sinnvoll, da man hiermit weniger Gefühl in den Fingern habe und so das Risiko steige, sich an den Instrumenten zu verletzen. Sie warnte auch davor, das Dentallabor darüber zu informieren, wenn der Abdruck zu einem infektiösen Patienten gehört: „Sie desinfizieren den Abdruck, dann geht davon keine Infektionsgefahr aus“, so Lindner-Wiedemuth und verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Schweigepflicht.

Sollte es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einem Kontakt mit HIV oder HBV gekommen sein, müssen zunächst die Sofortmaßnahmen durchgeführt werden und anschließend unverzüglich der Betriebs-/Durchgangsarzt aufgesucht werden (Dokumentation im Verbandbuch); dieser führe gegebenenfalls Blutuntersuchungen durch und/oder leite eine medikamentöse Therapie ein. Damit im Notfall Verzögerungen möglichst vermieden werden, sollten Name, Telefonnummer, Adresse und Erreichbarkeit des Artzes schnell verfügbar bereitstehen.

Zu den Sofortmaßnahmen zählt Lindner-Wiedemuth:
• bei Stich- und Schnittverletzungen: den Blutfluss nicht unterbinden, Manipulationen vermeiden, verletzte Stelle mit reichlich Händedesinfektionsmittel desinfizieren – „Geben Sie richtig Gummi mit der Desinfek­tionslösung – ganz viel hilft viel“, ermutigte die Referentin die Teilnehmer.
• Bei Kontamination von verletzter/geschädigter äußerer Haut: gründlich mit Wasser abspülen, Tupfer satt in Desinfektionsmittel tränken und damit das betroffene Hautgebiet großzügig abreiben, gegebenenfalls Desinfektionsmittel nachlegen.
• Bei Kontamination des Auges: Das Auge gründlich mit Wasser oder mit geeigneter Augendesinfektion ausspülen; hierzu empfahl sie eine Augenspülflasche, die ihrer Meinung nach in jeder Praxis vorhanden sein sollte.

Die Postexpositionsprophylaxe (PEP) sollte möglichst innerhalb von zwei Stunden nach erfolgter Infektion eingeleitet werden, so Lindner-Wiedemuth, spätestens jedoch nach 48 Stunden.

Birgit Strunk