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Wie sich friedliche Mitbewohner und Eindringlinge unterscheiden
Bakterien

Mikrobiologen der Universität Tübingen entdecken einen Mechanismus, mit dem Staphylokokken die Alarmierung des Immunsystems dämpfen.

In der Bakteriengattung der Staphylokokken gibt es Vertreter, welche die Haut und Schleimhaut des Menschen zu wechselseitigem Nutzen als friedliche Mitbewohner besiedeln, aber auch solche, die zum Beispiel in Boden und Wasser vorkommen. Beim Kontakt mit Bakterien ist die Aktivierung des angeborenen Immunsystems der erste Schritt zur Abwehr einer bevorstehenden Infektion.

Freund oder Feind?

Wie das Immunsystem zwischen potenziellen Krankheitserregern und friedlichen Mitbewohnern unterscheidet, hat eine Gruppe von Forschern unter der Leitung von Professor Friedrich Götz vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen untersucht. Als Unterscheidungsmerkmal konnten sie die unterschiedliche Struktur von Lipoproteinen, die in der Membran von Bakterien verankert sind, dingfest machen. Kurz oder lang – die Länge der Fettsäure am Molekül der Lipoproteine entscheidet über die Stärke der Immunantwort. Die neuen Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Lipoproteine geben Auskunft

Die Wissenschaftler untersuchten als Beispiel für Staphylokokken die Art Staphylococcus aureus. Diese Bakterien besiedeln in Wechselwirkung und zum beiderseitigen Nutzen die menschliche Haut. Sie sind sogenannte Kommensalen des Menschen. Als nicht-kommensale Art wählten die Forscher Staphylococcus carnosus aus. Diese Art wird häufig bei der Produktion von Wurst und Fleischprodukten eingesetzt. Das menschliche Immunsystem erkennt über einen bestimmten Rezeptor die Lipoproteine der Staphylokokken, die nur in Mikroorganismen vorkommen, nicht aber im menschlichen Wirt. Auf die fremden Eindringlinge kann es entsprechend reagieren. „Wir fanden heraus, dass die Antwort des Immunsystems bei Staphylococcus aureus viel niedriger ausfiel als bei Staphylococcus carnosus“, berichtet Götz.

Als hauptsächlicher Grund ließen sich Unterschiede in der Struktur des Lipidanteils der Lipoproteinen ausmachen: Bei Staphylococcus aureus war das Protein durch die langkettige Heptadecanoylfettsäure modifiziert, während Staphylococcus carnosus an entsprechender Stelle nur eine kurze Acetylgruppe trug. „Der Strukturunterschied ist vergleichsweise gering, hatte jedoch einen enormen Einfluss auf die Immunantwort“, erklärt der Mikrobiologe. Die Lipoproteine mit der langen Kette von Staphylococcus aureus bewirkten eine deutliche Verringerung der Immunantwort, sowohl beim angeborenen als auch beim erworbenen Immunsystem, während die kurzkettigen Lipoproteine von Staphylococcus carnosus eine fast zehnfache Steigerung der Immunantwort auslösten.

Das alte Rätsel bleibt offen

„Wir fanden dadurch unsere These bestätigt, dass krankheitserregende, aber auch kommensale Bakterien in einem Wirtsorganismus nur überleben können, wenn sie es schaffen, dem Immunsystem zu entkommen oder auszuweichen“, so Götz. Entweder müssten die Bakterien das Immunsystem ruhigstellen oder ihm entgegenwirken. „Der Mechanismus, dem Immunsystem über den Einbau langkettiger Fettsäuren in den Lipidanker der Lipoproteine zu entgehen, wie wir es bei der kommensalen Art Staphylococcus aureus entdeckt haben, war bisher nicht bekannt.“

Neben den Kommensalen gibt es auch krankheitserregende Formen von Staphylococcus aureus, die teilweise lebensgefährliche Entzündungen verursachen können. „Grundsätzlich bleibt daher das alte Rätsel offen, warum es keine wirklich schützende Immunantwort gegen Staphylococcus aureus gibt, die eine Infektion verhindert“, führt der Wissenschaftler aus. Er will im nächsten Schritt untersuchen, welche Enzyme und Gene in den Einbau der Fettsäuren an den Lipoproteinen von Staphylococcus aureus involviert sind.