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Kick-off Day der Cerec Masters: Ist die Zahnmedizin „druckreif“?

Aufbissschienen mit Stützstruktur

Abb. 3: Gedruckte Aufbissschienen mit Stützstruktur

„Wird der 3-D-Drucker unser neuer Freund?“. Mit dieser Ankündigung eröffnete Dr. An­dreas Kurbad (Viersen) den alljährlich stattfindenden Kick-off Day der Cerec-System­anwender im Januar 2022. Damit verband Kurbad die Entwicklung der fortschreitenden Digitalisierung in der Zahnheilkun­­de, die zum Ziel hat, dreidimensionale Struk­turen für das computergestützte Formen und Herstellen von subtraktiv geschliffe­nen Keramikrestaurationen zu erfassen. Hieraus ergab sich konsequenterweise die Forderung aus der Praxis, das virtuell konstruierte Design als Funktionsmodell, als therapeutisches Hilfsmittel oder auch als temporäre Versorgung dreidimensional zu drucken. Damit sind wir beim additiv ar­beitenden 3-D-Druck gelandet.

Additives Drucken für Maßarbeit

Beim industriellen 3-D-Druck werden Pulver oder Pasten additiv übereinander geschichtet. Das ermöglicht ganz andere Konstruktionen, spart Material und vermeidet Abfall. Ein 3-D-Druckteil wird digital kon­zipiert; der Datensatz enthält alle Infor­mationen und kann versandt werden. Die 3-D-Druckbranche verzeichnet eine sprunghafte Nachfrage. So gibt neuerdings ein Brillenhersteller seinen Optikergeschäften ­einen Scanner; der Kopf des Kunden wird gescannt, der Datensatz an den Hersteller gesandt und das definitive Brillengestell „nach Maß“ gedruckt. So entstehen auch individualisierte, maßgerechte Fahrrad- und Schutzhelme, Ohrmuschelhörer, Handyhüllen, Skistiefel und vieles mehr.

Die stürmische Entwicklung des „3-D-Drucks als neuer Standard“ thematisierte der Cerec-Anwender Dr. Gerhard Werling, Zahnarzt in Bellheim und Landau gestützt auf eigene Erfahrungen aus niedergelassener Praxis. Die Modellherstellung im 3-D-Drucker sei eminent wichtig, da in zunehmendem Maße Datensätze von digitalen Abformungen aus der Praxis die „analogen“ Abformungen für die Zahntechnik ersetzten. Physische Modelle seien jedoch zur manuellen Formgebung von Zahnersatz er­for­derlich, etwa für das vestibuläre Verblen­­den in Schichttechnik oder zur approximalen Einpassung.

Der besondere Vorteil des 3-D-Drucks ist die additive Fertigung und die Ausführung komplexer Medizinprodukte in absolu­ter Formfreiheit. Dies ermöglicht die Fertigung mit innenliegenden Hohlräumen durch eine schichtweise, individuelle Ma­teralisierung sowie die computergesteuerte Ausgestaltung des Materialauftrags zur Schaffung von dichten Strukturen. Ähnlich dem „Nesting“ der digitalen Datensätze für die schleifende Bearbeitung wird der Da­tensatz für den 3-D-Druck vorbereitet. Hierzu wird der Datensatz auf der Bauplatt­form virtuell positioniert, ausgerichtet, geschnitten (Slicing) und gegebenenfalls mit Stützstrukturen versehen.

3-D-Drucker nutzen folgende Technologien: Stereolithografie (SLA) und Digital Light Processing (DLP) für lichtempfindli­-che Polymere mit Schichtstärken von 25 bis 150 µm; Poyjet Modelling (PJM) 16 bis 30 µm; Fused Filament Fabrication (FFF) für Polyamid, PAEK für 50- bis 200-µm-Schichten. Weitere Drucksysteme ermöglichen die Verarbeitung von Polymer- und Metallpulver für das selektive Laserschmelzen. Die Reaktion der photopolymerisierenden Kunststoffe ist wellenlängenabhängig; zur finalen Durchhärtung ist eine Exposition im separaten Belichtungsgerät erforderlich.

Die Fertigung von ausbrennbaren Werkstücken erlaubt es, aus digitalen Abformungen wiederum digitale Modellationen zu drucken und auf dem „klassischen“ Weg über die verlorene Form in Legierung zu gießen oder in Keramik zu verpressen.

3-D-Druck in der digitalen Praxis

3-D-gedruckte Werkstücke bieten die Möglichkeit, einen volldigitalisierten Workflow umzusetzen. Der additive Druck erlaubt eine materialsparende Fertigung komplexer Strukturen in Kleinserien. Bestehende Limitierungen bei der Formgestaltung ent­fallen. Grundlage ist eine Oberflächenda­tei, die im CAD/CAM-Verfahren entworfen oder per Scanner generiert wurde. Standardschnittstelle ist das STL-Dateiformat für die Übergabe von CAD-Daten an additi­ve Fertigungssysteme. Die Dicke der Druckschichten liegt zwischen 25 und 200 µm. Nach dem Drucken erfolgt eine Isopropa­nol-Reinigung des Werkstücks von Rest­monomer, die finale Aushärtung im Lichtpolymerisationsgerät und das Abtrennen der Stützstrukturen. Mit einigen Druckern können acht Modelle gleichzeitig binnen 30 Minuten hergestellt werden. Gedruckte Modelle sind reproduzierbar und können bei Bedarf nachgedruckt werden.

Vielfältige Anwendungsbereiche

Eingesetzt werden 3-D-Drucker zur Fertigung temporärer Kronen, von Modellen, Mock-ups, Aufbissschienen, Provisorien, Implantat-Bohrschablonen, für Situa­tions- und Arbeitsmodelle sowie Einsetzschlüsseln für aufwendige prothetische Rehabilitationen. Der Druck von KfO-Alignern kann den aufwendigen Modelldruck für das Thermoforming ersetzen. Teleskop­arbeiten, über den ganzen Kiefer auf einem Scan basierend, können mit der im Mund verklebte Tertiärstruktur (Weigl-Protokoll) auf dem Resinmodell passgenau eingesetzt werden. Damit kann laut Werling die klas­sische Funktionsabformung material- und zeitsparend ersetzt werden.

Bei der Gestaltung der Modelle hat der ­Anwender eine Vielzahl an Möglichkeiten, zum Beispiel unterschiedliche Wandstärken, herausnehmbare Stümpfe, Attachments oder das Einfügen einer Beschriftung. Um die Modelle noch besser an die individuellen Gegebenheiten anzupassen, stehen auch elastische Materialien für den Druck von Zahnfleischmasken zur Verfügung. In der Praxis Werling werden auch Totalprothesen zur Anprobe 3-D-gedruckt.

Die Ausgabe der Druckdaten im Cerec-System erfolgt zurzeit noch über diffe­renzierte Wege. Druckdaten im STL-Format mit geschlossener Geometrie werden laut Kurbad mit der Software Connect 5.2 ausgegeben. Gesockelte Modelle werden mit Cerec Ortho bereitgestellt. Für die Ausga­be von Restaurationsdaten ist die inLab-Software erforderlich. Ein digitales Mock-up kann im STL-Format mit DXD-Software ausgedruckt werden. Mit einer Implan­tat-Soft­ware kann auf Basis eines Intraoralscans die geplante chirurgische Bohrschablone unmittelbar drucktechnisch gefertigt werden (Sicat, SprintRay).

Permanente Versorgungen – geht das?

Erfahrungen mit Langzeitprovisorieren zeigen, dass der 3-D-Druck das Potenzial hat, Restaurationen als zusätzliche Option zu drucken. Dafür sind mittlerweile zahnfarbene Materialien verfügbar, die für Kro­nen geeignet sind. Diese sind, abhängig vom Hersteller und der Zusammensetzung des Materials, für temporäre oder semipermanente Versorgungen einsetzbar. Limitie­rend sind in der Regel die Materialstärke sowie die mögliche Spannweite von Brückenkonstruktionen. Für implantatprothetische Versorgungen kann im Vorfeld ein passgenaues Provisorium gedruckt werden, das nach der Enossal-Insertion direkt eingesetzt wird.

Klinische Langzeitstudienergebnisse für gedruckte, definitive Kronen und Brücken stehen noch aus. Vorstellbar ist, dass sich in Zukunft gedruckte Restaurationen für den permanenten klinischen Einsatz als Alternative zu gegossenen oder gefrästen Versorgungen aus Metall, Keramik und CAD-Komposit etablieren. Voraussetzung ist, dass Materialien bereitstehen, die die Anforderungen an Ästhetik, Festigkeit, biologische Verträglichkeit und Langlebigkeit erfüllen.

Gemäß einer Studie der Charité Zahnmedizin bietet der 3-D-Druck künftig die Option, Kompositaufbauten aus Keramikpartikeln gefüllten Kunststoffen und Okklusal-Veneers für die Bisserhöhung mit Mindestwandstärke von 1,0 mm zu fertigen. Auch angeborene Schmelzdefekte (MIH) können mit gedruckten Full-Veneers versorgt werden (Beuer, Prause, 2021). Allerdings werden 3-D-gedruckte Versorgungen aus Polymeren die Ästhetik, Festigkeit, Funktion und Langlebigkeit der Dentalkeramiken in naher Zukunft nicht ersetzen können. Als ­rudimentäre Sofortlösung können gedruckte Restaurationen jedoch eine brauchbare Alternative sein.

Die additive Fertigungstechnologie und 3-D-Druckmaterialien werden künftig in herausfordernden Situationen, die bisher nur mit einem hohen zahntechnischen Aufwand oder umfangreich zahnärztlich invasiven Maßnahmen lösbar waren, erfolgreich eingesetzt werden können. Daraus ergibt sich fortlaufend ein immer größer werdendes Indikationsspektrum (Beuer; 2021).  

Ein Symposiumsschwerpunkt der Cerec Masters war, den 3-D-Druck und seine vielfältigen Optionen vorzustellen. Die Teilnehmer erlebten die Fertigung von Schienen, Bohrschablonen, provisorischen Kronen und Brücken, Seitenzahn-Kronen, KfO-Alignern – mit Cerec-Software und 3-D-Druckern hergestellt. Zwar können gedruckte Restaurationen mit der Ästhetik und Haltbarkeit der Glas- und Oxidkeramiken noch nicht mithalten. Auch die klinische Langzeitbewährung muss noch sichergestellt werden. Trotzdem sind gedruckte Restau­rationen eine zusätzliche Option, die sich reibungslos in den digitalen Workflow eingliedert. Das Thema zeigt: Die Zukunft gehört neben dem subtraktiven CAD/CAM-Fräsen auch dem additiven 3-D-Druck.

Die Perspektive auf einen Blick

Der 3-D-Druck ist eine sich rasch entwickelnde Technologie, die auch in der Zahnmedizin breite Akzeptanz findet. Der 3-D-Druck wurde vor mehr als drei Jahrzehnten ent­wickelt. Heute erlebt er aufgrund des Auslaufens vieler Patente eine rasante Verbreitung und wird oft als Schlüsseltechnologie der nächsten industriellen Revolution bezeichnet. Im Vergleich zu konventionellen (Wachsausschmelzverfahren) und subtraktiven, computernumerisch gesteuerten Prozessen bietet der 3-D-Druck verfahrenstechnische Vorteile, besonders im Zusammenhang mit dem digitalen Workflow in der Praxis. Kunststoffe und Komposite können drucktechnisch zu Modellen, therapeutischen Hilfsmitteln und zu temporären oder semipermanenten Versorgungen verarbeitet werden.

Der Übergang zur klinischen Anwen­dung 3-D-gedruckter Teile hängt in hohem Maße von den verfügbaren Materialien und der Software ab, die nicht nur die erforderliche Genauigkeit, sondern auch die notwendi­-gen physikalischen und biologischen Ei­genschaften erfüllen müssen.
Mit diesem Bericht vom Kick-off der Cerec Masters wurde das Ziel verfolgt, zu belegen, dass sich der 3-D-Druck reibungslos in den Praxisablauf einfügt und komplexe Behandlungsschritte vereinfacht. Damit ist aber auch für die kommende Zeit die Herausforderung verbunden, der klinischen Anwendung und der Bewährung unsere besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Manfred Kern, Wiesbaden

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