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Die Sonde bleibt die Mutter der parodontalen Diagnostik


Oralmedizin kompakt – Update: Erkrankungsstadium und Risikofaktoren als ­wichtige Weiterentwicklungen

Was zur parodontalen Diagnostik gehört, beschreiben detailliert die neue Parodontitisklassifikation von 2018, die S3-Therapie-Leitlinien und die PAR-Richtlinie [1–3]. Als erster Schritt erfolgt häufig ein Screening mithilfe des PSI mit einer geeigneten Sonde, der bei auffälligen Werten zu einer Verdachtsdiagnose führt. Auf der Basis anamnestischer Daten in Kombination mit einem Parodontalstatus und Röntgenbefund wird gegebenenfalls die Diagnose biofilminduzierte Parodontitis gestellt – in Abgrenzung zu einer nekrotisierenden oder Parodontitis als Manifestation einer systemischen Erkrankung [1].
 

Für schnelle Leser

  • Neue Klassifikation und Leitlinien legen fest, wie eine biofilm-induzierte Parodontitis korrekt diagnostiziert werden sollte.
  • PAR-Richtlinie und Abrechnungsbestimmungen beschreiben den versicherungsrechtlichen Rahmen.
  • Der PSI-Code dient als Screening-Werkzeug, das Resultat nur als Anhaltspunkt für weitere Untersuchungen (klinisch und radiologisch).
  • Die Einteilung in Erkrankungs­stadium (Staging) und Verlaufsprognose (Grading) ist eine medizinisch hoch relevante Weiterentwicklung.
  • Risikofaktoren geben prognos­tische Hinweise und sind auch für das Screening bedeutsam.
  • Ein diagnostischer Nutzen mikro- und molekularbiologischer Tests ist weiterhin nicht belegt.

Auch bei klassischen klinischen Parametern wie Sondierungsblutung und Plaqueindex sind aber noch Fragen offen, sodass eine gute klinische Expertise und Erfahrung bedeutsam bleiben [4, 5]. Eine differenzierte Diagnose für biofilm­induzierte Parodontitis wird nach Erkrankungsschwere oraler Befunde (Stadium/englisch Stage) und Progressionsrate (Prognose/englisch Grade) gestellt, mit Berücksichtigung systemischer und den Lebensstil betreffender Faktoren.

Abrechnungsbezogene Einzel­hei­ten zur parodontalen Diagnostik sind dem umfangreichem Material auf dzw Abrechnung Dental zu entnehmen, fachliche Hinweise zum diagnostischen Vorgehen bietet zum Beispiel die DG Paro.

Staging und Risikofaktoren

Eine entscheidende fachliche Weiterentwicklung ist die Neudefinition der biofilminduzierten Par­odontitis (früher Parodontitis marginalis) als Erkrankung mit unterschiedlicher Verlaufsform, aber identischer Ätiologie und damit Entität und Bezeichnung. Die Einteilung erfolgt befundbezogen nach Ausmaß (Komplexität) des bereits eingetretenen Schadens, wozu eine aktuelle Therapieleitlinie verfügbar ist (die dzw berichtete) [3], aber auch nach der Geschwindigkeit eines bereits eingetretenen Knochen­abbaus.

Hinzu kommt die Einbeziehung von Risikofaktoren wie Diabetes und starkem Rauchen. Eine Reihe weiterer möglicher Risikofakto­­ren, wie körperliche Inaktivität, Übergewicht, Stoffwechselstörungen, kardiovaskuläre oder rheumatische Erkrankungen, könnten hin­zu­kommen. Umgekehrt ist die Par­odon­titis zum Beispiel ein starker Risikoindikator für frühzeitigen Tod durch kardiovaskuläre Erkrankungen [6].

Wo bleiben ­mikrobiologische Tests?

Die S3-Leitlinie zur parodonta­len Diagnostik enthält keine Empfehlungen zu molekular- oder mikrobiologischer Diagnostik, und die Aussagekraft verfügbarer Produkte ist begrenzt [2, 7, 8]. Dennoch bleibt das Thema in der Forschung und entsprechend auf wissenschaftlichen Tagungen heiß (siehe Europerio 10). So lässt sich als potenzielle Speerspitze der aktuellen Forschung mit einem Test der Dysbiosegrad und Diversität des individuellen Mikrobioms analysieren. Zusätzlich ermittelt der Test mit Big-Data-Methoden die defektbezogene Stoffwechselaktivität von sowohl Mikroorganismen als auch Wirt (Patient), und es wird versucht, aus den gesammelten Daten Risikoprofile für bessere präven­tive Konzepte zu entwickeln. Der Test befindet sich bereits auf dem Markt (PadoBiom, iai), Studien sind aber noch nicht publiziert.

Fazit: Die Parodontitisdiagnostik basiert weiterhin auf klinischen Messungen und daraus abgeleiteten Indizes, gestützt von Röntgenbildern und anamnestischer Erhebung von Risikofaktoren. Wie in der Kariologie sagen die Befunde nur wenig über das zukünftige Erkrankungsrisiko aus und sind damit primärpräventiv bisher kaum nutzbar. Zeitlich absehbare Perspektiven bieten einerseits ein erweitertes Screening in Bezug auf systemische und lebensstilbezogene Risikofaktoren und andererseits neue molekularbiologische Tests – beides vorbehaltlich vali­­der For­schungs­ergeb­nisse.

Dr. Jan H. Koch, Freising

Hinweis: Beiträge in der Rubrik Oralmedizin kompakt können nicht die klinische Einschätzung des Lesers ersetzen. Sie sollen ­lediglich – auf der Basis aktueller Literatur und/oder von Expertenempfehlungen – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.

Literatur

[1] Chapple ILC, Mealey BL, Van Dyke TE, Bartold PM, Dommisch H, Eickholz P, et al. Periodontal health and gingival diseases and conditions on an intact and a reduced periodontium: Consensus report of workgroup 1 of the 2017 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-Implant Diseases and Conditions. J Periodontol 2018;89 Suppl 1:S74-S84.
[2] DG Paro Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e. V., DGZMK Deutsche Gesellschaft für Zahn- M-uK. Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis IIIDie deutsche Implementierung der S3-Leitlinie „Treatment of Stage I–III Periodontitis“der European Federation of Periodontology (EFP). AWMF-Registernummer: 083-043. Stand: Dezember 2020. Gültig bis: November 2025. 2021.
[3] Herrera D, Sanz M, Kebschull M, Jepsen S, Sculean A, Berglundh T, et al. Treatment of stage IV periodontitis: The EFP S3 level clinical practice guideline. Journal of Clinical Periodontology 2022;49:4-71.
[4] Räisänen IT, Sorsa T, Tervahartiala T, Raivisto T, Heikkinen AM. Low association between bleeding on probing propensity and the salivary aMMP-8 levels in adolescents with gingivitis and stage I periodontitis. Journal of periodontal research 2021;56:289-297.
[5] Lindhe J, Karring T, Lang N. Clinical Periodontology and Implant Dentistry: Blackwell Munksgaard, 2003.
[6] Kosho MXF, Verhelst ARE, Teeuw WJ, Gerdes VEA, Loos BG. Cardiovascular risk assessment in periodontitis patients and controls using the European Systematic COronary Risk Evaluation (SCORE) model. A pilot study. Frontiers in physiology 2022;13:1072215.
[7] Deng K, Pelekos G, Jin L, Tonetti MS. Diagnostic accuracy of a point-of-care aMMP-8 test in the discrimination of periodontal health and disease. Journal of Clinical Periodontology 2021;48:1051-1065.
[8] Feres M, Retamal-Valdes B, Gonçalves C, Cristina Figueiredo L, Teles F. Did Omics change periodontal therapy? Periodontology 2000 2021;85:182-209.