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Gematik – TI-Neustart, aber ohne wichtige Mitspieler

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Offenbar, so die Bundeszahnärztekammer zur neuen Digitalisierungsstartegie aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, ist die „Expertise der Leistungserbringer in der Gematik nicht mehr gefragt“. Tatsächlich soll die Gesellschaft für Telematik, die Gematik, in eine sogenannte „Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes“ um­gewandelt werden, heißt es aus Berlin. Im Klartext: Zahnärzte, Ärzte und Apotheker haben als diejenigen, die mit den „digitalen Werkzeugen“ der Telematikinfrastruktur arbeiten sollen/müssen, nichts mehr mitzureden, sollen ihr Stimmrecht verlieren.

Kontraproduktiv für die weitere Entwicklung

Dass dieser Schritt nicht nur bedauerlich ist, sondern sich vermutlich auch kontraproduktiv auf die weitere Entwicklung und TI-Akzeptanz auswirken wird, findet auch Dipl.-Stom. Jürgen Herbert, BZÄK-Vorstandsreferent für Telematik: „Bereits 2019 hat das BMG 51 Prozent der Anteile der Gematik übernommen. Jetzt wird der letzte Schritt zur vollständigen Kontrolle voll­zogen. Das kann man konsequent finden. Ob der Verzicht auf die Expertise der Leistungserbringerorganisationen allerdings zu Verbesserungen führt und die Akzeptanz der Telematik bei Zahnärzten, Ärzten und Apothekern erhöht, ist äußerst fraglich“, so das Statement von Herbert.

Zumindest die Diagnose stimmt

Da kann man ihm leider nur zustimmen. Die Endlosbaustelle Digitalisierung des Gesundheitssystems doch noch zu einem Ziel zu führen, indem man sich scheibchenweise die vollständige Kontrolle sichert und zentrale Akteure aussperrt, ist zu kurz gedacht. Aus Sicht des BMG scheint es aber keine Alternative zu geben. Zumindest die Diagnose stimmt: „Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. Das können wir nicht länger verantworten“, so Lauterbach zum Plan, die Gematik als Architekten der TI komplett zu übernehmen. „Deshalb machen wir einen Neustart – erschließen die elektronische Patientenakte für alle, machen das elektronische Rezept alltagstauglich und erleichtern die Forschung auf Grundlage von Gesundheitsdaten“, so Lauterbach. Schließlich basiere moderne Medizin auf Digitalisierung und Daten. Wenn man in der Lage sei, diese Vorteile zu nutzen, könne man Behandlung besser machen.

Das steht aber auch gar nicht zur Debatte. Denn den Nutzen einer funktionierenden TI stellt wohl kaum noch jemand in Frage. Weniger Papierkram, verringertes Risiko von Medikamentenunverträglichkeiten, bessere und zielgenauere Versorgung mit Medikamenten und und und – wer möchte das nicht? Und wenn dies dann statt mit umständlichen Karten mit einer App läuft – umso besser – für Praxen und Patienten.

Datenerhebung und Datennutzung

Auch das Argument Datenerhebung und Datennutzung zu Forschungszwecken ist nicht von der Hand zu weisen. Viel Zeit ließe sich in der Wissenschaft einsparen, wenn sie Zugriff auf selektierbare Daten von mehr als 80 Millionen Bundesbürgern hätte. Beim Stichwort „Daten“ dürfte der eine oder andere aber auch zusammenzucken und sich fragen, wer denn nun Zugriff auf (persönliche) Gesundheitsdaten haben soll. Immerhin zählen diese Daten zu den sensibelsten überhaupt. Ist gewährleistet, dass die Daten anonymisiert vorliegen? Weiß der Datenspender, wer die Daten zu welchem (Forschungs-)Zwecken abfragt? Und wer garantiert, dass zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellte Daten beim Nutzer sicher aufgehoben sind?

Da ist der Hinweis, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bei der ePA nur noch beratend tätig sein soll, nicht gerade beruhigend. Wird aus dem engmachigen Sicherheitsnetz Datenschutz künftig eins mit deutlich größeren Maschen oder gar Löchern? Vielleicht braucht es einen Neustart, dann aber bitte ohne Abstriche beim Datenschutz und mit Beteiligung der wichtigsten Player.