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Osteomyelitis des Kieferknochens: Problem der Chronifizierung

Osteomyelitis des Kieferknochens: DDr. Christa Eder über mikrobiell verursachte Entzündungen des Knochenmarks (2)

Osteomyelitis ist eine durch Bakterien, seltener auch durch Viren oder Pilze hervorgerufene Erkrankung des Knochenmarks und des Knochengewebes. Sie tritt am Kieferknochen vorwiegend als Folge odontogener Infektionen, aber auch nach Traumata, iatrogener Einbringung von Keimen oder durch hämatogene Verschleppung von Erregern auf.

Wie bereits in Teil 1 „Odontogene ­Infektionen sind Hauptursache für Osteomyelitis des Kieferknochens“ diskutiert, kann die Knochenmarkseiterung akut oder subakut mit entsprechender Symptomatik verlaufen. Die körpereigene Immunabwehr versucht über den Einstrom segmentkerniger Granulozyten den Infektionsherd zu isolieren. Es kommt zur Sekretion von lytischen Enzymen, welche in entsprechend hoher Konzentration nicht nur die Erreger, sondern auch das Knochengewebe selbst angreifen und die lokale Blutversorgung reduzieren. Dadurch sterben Teile des Knochens ab, flottieren als Sequester frei in der Abszesshöhle und werden durch sklerosiertes Gewebe vom gesunden Knochen abgegrenzt.

Chronische Osteomyelitis

Bei Verschleppung einer akuten Infektion oder unzureichender Therapie kann die Osteomyelitis in eine chronische Phase übergehen. Diese zeigt meist abgeschwächte, aber ähnliche Symptome wie die akute Form. In einigen Fällen chronifiziert die Osteomyelitis bereits in der Initialphase und verläuft dann primär eher symptomarm. Die Erreger besiedeln sequestrierte Knochenfragmente und bilden dort Biofilme, in welchen sie vor Angriffen des Immunsystems und vor Antibiotika, zumindest in üblicher Dosierung, weitgehend geschützt sind.

Mandibula bevorzugt

Einige Spezies können sogar in die Knochenzellen eindringen und intrazellulär persistieren. Ähnlich wie die akute Osteomye­litis tritt die chronische Form bevorzugt in der Mandibula auf, da hier die Knochenstruktur kompakter und die Gefäßversorgung schlechter ist. Die Infektion kann den Nervus alveolaris schädigen und eine Anästhesie im Ausbreitungsgebiet verursachen (Vincent-Syndrom). Häufig entstehen intra- und extraorale Fisteln, über welche sich putrides Exsudat nach außen entleert. 

Eine Periostitis mit Sequestrierung in die inflammierte Mukosa des Alveolarkamms und des Vestibulums zählt ebenso wie Spontanfrakturen des Kieferknochens zu den gefürchteten Komplikationen der Erkrankung. Die chronische Infektion besteht oft über mehrere Jahre, da der Unterkieferknochen eine hohe Regenerationsfähigkeit aufweist. Die deutlich seltenere chronische Oberkieferosteomyelitis ist meist auf den Alveolarfortsatz begrenzt. In diesem Bereich ist allerdings die Regenerationsfähigkeit des Knochens geringer als in der Mandibula, und es besteht Gefahr einer Ausbreitung in die Kieferhöhle. In solchen Fällen wird eine Revision unter Anlage eines Nasenfensters notwendig.

orange-farbene Strukturen mit violetten Kugeln dran

Abklärung der Osteomyelitis-Ursache: Labortests, die ein Blutbild sowie eine Bestimmung von Entzündungsparametern wie C-reaktives Protein (CRP) und Blutsenkung (ESR) beinhalten, sind wichtige diagnostische Hilfsmittel.

Resistente Erreger in Biofilmen ­erschweren Therapie

Zur Abklärung der Erkrankung sind bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT- oder MR-Untersuchungen geeignet. Auch Labortests, die ein Blutbild sowie eine Bestimmung von Entzündungsparametern wie C-reaktives Protein (CRP) und Blutsenkung (ESR) beinhalten, sind wichtige diagnostische Hilfsmittel. Die Identifizierung der auslösenden Erreger erfolgt über eine Biopsie. In jedem Fall müssen Antibiotika bei chronischer Osteomyelitis hoch dosiert und bevorzugt entsprechend der Resistenzmuster der im Biofilm persistierenden Keime verabreicht werden. Üblicherweise kommen Breitbandantibiotika wie Aminopenicilline mit ß-Lactamasehemmern, Fluorchinolone, Clindamycin, Cephalosporine wie Ceftriaxon und Cefuroxin, Aminoglycoside und Glycopeptide zum Einsatz.

Bei fungaler Beteiligung benötigt man Antimykotika wie Fluconazol, Nystatin oder Ketoconazol. Fast immer wird auch eine chirurgische Revision notwendig. Die Radikalität der Intervention orientiert sich am Ausmaß der Erkrankung. Sie beinhaltet primär das Ablassen des Eiters, eine Resektion des infizierten Gewebes und eine Sequesterektomie. Bei entsprechender Indikation müssen irreversibel geschädigte Zähne oder mögliche Fremdkörper wie Implantate und Schrauben entfernt werden.

Fortgeschrittene Fälle mit manifesten schweren Destruktionen erfordern eine Abtragung der Corticalis über dem betroffenen Knochen mit Entfernung von Granulationsgewebe und Nekrosen.  Schmerzlindernd können Lokalanästhetika wie Bupivacain eingesetzt werden. Sie reduzieren durch ihren Einfluss auf die an G-Protein gekoppelten Rezeptoren an den Zelloberflächen die Bildung von Sauerstoffradikalen. So wirken sie nicht nur schmerzlindernd, sondern auch antiinflammatorisch.

Sonderformen der Osteomyelitis

Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich
Neben den genannten Ursachen können auch notwendige therapeutische Maßnahmen, allen voran radioaktive Bestrahlung im Kopf-Hals-Bereich bei Malignomen, eine Knocheneiterung (Osteoradionekrose) begünstigen. Der radiologisch geschädigte Knochen ist durch seine schlechte Durchblutung anfällig und wird dadurch nicht selten durch eine vorbestehende Pulpitis infiziert. Das Gewebe kann vollständig nekrotisieren, und es kommt häufig zu Spontanfrakturen. Typischerweise sind im Röntgenbild kaum Veränderungen feststellbar.

Sklerosierende Osteomyelitis
Eine weitere Sonderform ist die sklerosierende Osteomyelitis des Kieferknochens. Der behandelnde Arzt findet sie oft im zahnlosen Unterkiefer älterer Patienten. Der Prozess ist lokal begrenzt und entsteht als Residuum einer bereits rückläufigen Entzündung. Im Röntgenbild ist die Abgrenzung gegen eine fibröse Dysplasie oder einen odontogenen Tumor schwierig, weshalb eine histopathologische Abklärung mittels Biopsie erforderlich ist.

Rekurrierende Osteomyelitis
Sehr selten, aber drastisch in der Auswirkung ist die rekurrierende Osteomyelitis bei Osteopetrose. Dabei handelt es sich um eine angeborene Erkrankung mit Obliteration des Markraumes aufgrund defekter Osteoklasten. Es kommt zu überschießender Knochenneubildung, Remodelling, Frakturgefahr und diffuser Osteosklerose mit rezidivierender schwerer Osteomyelitis.

In allen Fällen ist eine frühzeitige umfassende diagnostische Abklärung und die daraus resultierende, den jeweiligen Erfordernissen angepasste Therapie der Schlüssel zur Vermeidung schwerer, die Lebensqualität der betroffenen Patienten einschränkender Komplikationen.

DDr. Christa Eder, Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin, Wien

DDr. Christa Eder

ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin. Seit vielen Jahren schreibt sie für das österreichische Fachmagazin „Zahn.Medizin.Technik“ und die deutsche Fachzeitung „dzw – Die ZahnarztWoche“. Auch ist sie als Vortragende im Bereich der zahnärztlichen Mikrobiologie international bekannt.

Mitglied seit

6 Jahre 10 Monate