Anzeige

Premium Article

Premium Article
0

Advertorial

Advertorial
0
FVDZ-Protestaktion: „Wir müssen Druck machen“

Mehr als 1.100 Zahnärzte mit ihren Teams folgten dem Aufruf des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ), der Politik am 3. Mai 2023 bei der Protestaktion in Gelsenkirchen die rote Karte zu zeigen und gegen den Sparkurs in der ambulanten zahnmedizinischen Versorgung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu protestieren. „Es reicht“ und „Das Maß ist voll“, darin waren sich alle Redner einig.

Nach der Protestaktion konnten wir von ZMP Marina Bekar, Dr. Dagwin Lauer (FVDZ WW), Nancy Djelassi (BVZP) und Hannelore König (vmf) ein Statement erhalten. 

„Herr Lauterbach stärkt den stationären Bereich und fördert MVZ, investorengefördert, und gleichzeitig wird der ambulante Bereich, werden wir kleinen Praxen vernachlässigt. Das kann so nicht weitergehen“, betonte Dr. Patricia Wachter (kommissarische Landesvorsitzende FVDZ Westfalen-Lippe). Und Oktay Sunkur (FVDZ-Landesvorsitzender Nordrhein) erklärte: „Es reicht in dem Sinne, dass wir endlich aufhören müssen, einfach fröhlich weiterzumachen. Das wird dieses Jahr eh nicht funktionieren mit dem Budget.“ Abschließend kündigte er eine weitere Protestaktion für den 14. Juni 2023 in Köln auf dem Roncalli-Platz an.

GKV-FinStG ist ein „toxischer Polit-Cocktail“

Martin Hendges (Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung) mahnte, dass es mit dem FinStG allein nicht getan sei, sondern noch mehr Unheil vor der Tür stehe. „Der Minister und die Ampel haben uns vergangenes Jahr mit einem Gesetz konfrontiert, das die Versorgung gefährdet, das Praxen zunehmend in wirtschaftliche Probleme bringt und das die flächendeckende Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung … ernsthaft infrage stellt.“ Das GKV-FinStG begrenze das Wachstum der Punktwerte, budgetiere die Gesamtvergütung und begrenze deren Zuwachs, verhindere vor allem aber auch einen geordneten Roll-out der neuen Parodontitis-Therapiestrecke. „Hier wurde uns ein wirklich toxischer Politcocktail serviert, der absolut unverdaulich ist.“

Politik hat sich gegen berechtigte Patientenansprüche entschieden

Hendges betonte, dass die Vertreter der Zahnärzteschaft während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens „unter Hochdruck und mit allen Möglichkeiten und mit aller Energie“ daran gearbeitet hätten, um die „negativen Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Versorgung zu verhindern oder zumindest so weit wie möglich abzumildern“. Aber man habe erleben müssen, wie sich „die Politik auf die Seite der Kostendämpfung geschlagen und damit letztendlich gegen die Versorgung und die berechtigten Ansprüche unserer Patienten“ gestellt habe. „Dieses Gesetz ist mehr als ein Kostendämpfungsgesetz oder eine Kostendämpfungspolitik aus der Mottenkiste.“ Dieses Gesetz sei ein Frontalangriff auf die Gesundheit der Patienten und ein Frontalangriff auf die Zahnärzteschaft. Dass Lauterbach noch „den Mut, ich würde fast sagen, die Dreistigkeit besessen“ habe, immer wieder zu versprechen, dass es keine Leistungskürzungen geben werde, könne nur als politischer Zynismus bewertet werden.

Breit angelegte öffentliche Diskussion

Die Zahnärzteschaft brauche dringend eine breit angelegte öffentliche Diskussion über die Folgen der Kostendämpfungs­politik, der sich Lauterbach nicht entziehen könne, so Hendges. Er kündigte eine gemeinsame Kampagne mit den KZVen und verschiedenen Verbänden an, die unter dem Motto „Zähne zeigen“ in den nächsten Wochen starten werde. „Wir können in der Öffentlichkeit nichts gewinnen, wenn wir die Honorarsituation, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Zahnärzteschaft in den Vordergrund rücken. Es muss einzig und allein … abgestellt sein auf die Auswirkungen dieser Politik auf die präventionsorientierte Patientenversorgung“, betonte er.

Prof. Christoph Benz (links) und Martin Hendges beim FVDZ-Protesttag stehen lächelnd an einem Stehtisch

Prof. Christoph Benz (links) und Martin Hendges beim FVDZ-Protesttag

„Paro nur für Besserverdiener?“

Prof. Christoph Benz (Präsident der Bundeszahnärztekammer) zeigte sich beeindruckt von der Protestaktion: „Das ist die größte Veranstaltung, die wir seit langer Zeit zustande gebracht haben.“ Er zeigte auf, was die Zahnärzteschaft in den vergangenen Jahren geleistet hat, und hob hier besonders den Schwenk zu mehr Prävention hervor. Profitieren würden hiervon allerdings nur die Politik und die Krankenkassen, „unser Anteil am GKV-Topf ist seit 1980 um 58 Prozent gesunken“.

Mit der PAR-Richtlinie habe man in diesem Bereich zum ersten Mal eine Behandlungslinie gefunden, die wirklich funktioniere. „Wie dumm muss man sein, das nicht nachrechnen zu können. … Diese Strecke braucht drei Jahre, um hochzulaufen. Im ersten Jahr den Deckel reinzuhauen bedeutet, dass das Geld nur für ein Drittel reicht – einer von drei Patienten.“ Die privaten Kassen würden hierfür ohne Murren und ohne Budget zum Teil sogar besser bezahlen als die GKV. „Paro für Besserverdiener? Ist das der Weg, den sich Herr Lauterbach für die gesetzlichen Krankenversicherungen vorstellt?“, fragte Benz und ergänzte: „Das ist eine Katastrophe.“

„Wir haben nur eine einzige Chance: Wir müssen wirklich zusammenstehen“, appellierte er an die Teilnehmer. „Wir müssen laut werden, wir müssen öffentlich werden. Bitte kommt nach Köln (Anm.: gemeint ist die FVDZ-Protestaktion am 14. Juni) – wir müssen Druck machen.“

ZFA wurden beim Corona-Bonus ignoriert

Hannelore König (Präsidentin des Verbands medizinische Fachberufe, vmf) stellte in ihrer Rede die Bedeutung der ZFA für die Mundgesundheit heraus. Sie erinnerte daran, dass man die mehr als 200.000 bundesweit arbeitenden ZFA dreimal beim Corona-Bonus ignoriert habe, obwohl gerade sie im Aerosolnebel direkt über dem Patienten gearbeitet hätten. Auch sie betonte, wie wichtig es sei, noch lauter zu werden, und lud alle Anwesenden ein, sich auch an der nächsten vmf-Aktion in Berlin zu beteiligen, was mit Applaus und lautem Trillerpfeifen quittiert wurde.

Dem Fachkräftemangel entgegenwirken

Um den Beruf der ZFA attraktiver zu gestalten und somit dem bestehenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, habe der vmf massiv daran mitgearbeitet, eine neue Ausbildungsordnung auf den Weg zu bringen. Nicht nur die Auszubildenden brauchten gute Perspektiven, denn sie würden in der Versorgung gebraucht. „Was hat die jetzige Bundesregierung für unsere Berufe getan?“, fragte König und beantwortete diese Frage selbst: „Nichts. Im Gegenteil, sie haben wieder Budgets eingeführt, sie haben etwas wieder einkassiert, das wissenschaftlich begründet war und was dringend notwendig ist.“ Das sei nicht nachvollziehbar.

Hannelore König erinnerte daran, dass man die mehr als 200.000 bundesweit arbeitenden ZFA dreimal beim Corona-Bonus ignoriert habe, obwohl gerade sie im Aerosolnebel direkt über dem Patienten gearbeitet hätten.

Im GKV-System scheine es aber Geld zu geben, so König: Der Entgeltatlas der Agentur für Arbeit 2021 weise für eine Sozialversicherungsfachangestellte im mittleren Entgelt bei einer 40-Stunden-Woche einen Verdienst von mehr als 4.200 Euro aus, dagegen verdiene eine ZFA im Mittel nur 2.200 Euro. Das bedeute eine Differenz von 2.000 Euro. „Es kann nicht sein, dass die Gelder in den Krankenkassen verschwinden.“ Dagegen wüssten viele Praxen nicht mehr, wie sie im Wettbewerb um Fachkräfte noch konkurrenzfähig bleiben sollen.

Unterstützung durch Humanmediziner

Der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft, Wieland Dietrich, erklärte, dass die Ärzte mit den Zahnärzten im gleichen Boot säßen. „Sie haben die ideelle und auch öffentliche Unterstützung der Ärzteschaft hinter sich.“ Auch die Ärzte wollten ihre Mitarbeiter in den Praxen „gut bezahlen und anständig honorieren“. Der Fachkräftemangel werde sich im „ambulanten Bereich allerorten bemerkbar machen“, zumal man in Konkurrenz zu anderen Bereichen stehe, in denen MFA und ZFA besser bezahlt würden.

Zeigten sich kampfbereit (von links): Dr. Dagwin Lauer (FVDZ WW), Dr. Oktay Sunkur, Hannelore König, Harald Schrader, Dr. Patricia Wachter,  Martin Hendges, Wieland Dietrich und Prof. Christoph Benz

 

Auch die ambulante Humanmedizin leidet laut Dietrich unter der Budgetierung. „Lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten. Die Ärzteschaft, die ich hier vertrete, unterstützt es sehr, dass die Politik gezwungen wird, eine andere Richtung einzuschlagen.“ Die Bevölkerung müsse aufgeklärt werden, dass es um die Qualität ihrer zahnärztlichen und ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten gehe.

Zeit des Kuschelkurses ist vorbei

„Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist zwölf“, mahnte Harald Schrader (Bundesvorsitzender des FVDZ). Die Zeiten des Kuschelkurses seien vorbei. Zu fehlender Wertschätzung geselle sich jetzt auch noch Honorarmangel, damit sei das Maß voll.

Schrader formulierte drei Forderungen: 1. die Anerkennung und Wertschätzung für das, was täglich in den Praxen geleistet werde, 2. den Erhalt der freien Arzt- und Therapiewahl und 3. adäquate Honorare für alle Leistungen – egal ob privat oder gesetzlich. Auch er kündigte eine Kampagne an, die der FVDZ in Absprache mit den anderen Bundesverbänden starte. Im Zentrum werde der Wert einer niedergelassenen freiberuflichen Praxis, der Wert für die Gesellschaft, für das Gemeinwohl und für die Gesundheitsversorgung der Patienten stehen. Kein Politiker solle hinterher sagen können, er hätte es nicht gewusst. „Wir werden es ihm ganz klar sagen“, betonte er.

Titelfoto: FVDZ/Gerd Kaemper