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Wen schreckt die „Heuschrecke“?

Die Auseinandersetzung zur Deutungshoheit, welche Rolle investorengetragene MVZ (iMVZ) in der flächendeckenden Versorgung spielen, geht in eine neue Runde.

Investoren-MVZ: Gutachten folgt auf Gutachten

Nachdem Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ Ende 2022 noch in deren großen Lettern in Bezug auf iMVZ von „Heuschrecken“, „absoluter Profitgier“ und „absurden Profitzielen“ tönte und vollmundig einen Gesetzentwurf zu deren Regulierung einen Gesetzentwurf noch im ersten Quartal 2023 angekündigt hatte, kam bislang nichts aus seinem Haus. .

„Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“

Fleißiger waren da die Bundesländer. Die bayerische Staatsregierung sowie die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben am 9. Mai 2023 dem Bundesrat einen Entschließungsantrag zur „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ vorgelegt, in dem sie generell vor den Risiken von Konzentrationsprozessen durch die stetig steigende Zahl von MVZ warnen und insbesondere durch iMVZ die „flä­chen­deckende, umfassende Versorgung“ ge­fähr­det sehen. Daher fordern sie, eine „Neu­jus­tierung der Rahmenbedingungen für die Gründung und den Betrieb von MVZ durch den Bundesgesetzgeber“.

Im Einzelnen wollen sie unter anderem

  • eine Kennzeichnungspflicht für Träger und Betreiber von MVZ auf dem Praxisschild, inklusive der Angabe der Rechtsform“,
  • ein gesondertes „MVZ-Register“ mit Angaben zu den nachgelagerten Inhaberstrukturen, die von den Kven und KZVen geführt werden,
  • die „räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für (zahn)ärztliche MVZ“ auf einen Radius von 50 km,
  • die „Begrenzung des Versorgungsanteils für neue, von einem Träger gegründete, ärztliche MVZ im jeweiligen arztgrup­penbezogenen Planungsbereich bei Hausärzten auf max. 25 Prozent, bei der allgemeinen und speziellen fachärztlichen. Versorgung auf max. 50 Prozent“ und
  • die „Stärkung der ärztlichen Leitung von MVZ durch Etablierung von Schutzvorschriften“ mit Schutzfunktionen gegen sachfremde Einflussnahme.

Die Länder folgen damit weitgehend den bekannten Forderungen der Standespolitik.

Da allein der GKV-Kuchen rund 270 Milliarden Euro schwer ist, sind die Begehrlichkeiten groß. Und da auch die Betreiber der MVZ etwas von Lobbyarbeit verstehen, gab ihr Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV) bei Prof. Dr. Martin Burgi, Ordinarius für Öffentliches Recht und Europarecht an der LMU München und renommierter Experte auch im Bereich Gesundheitswirtschaft ein Rechtsgutachten in Auftrag.

Ein neues Rechtsgutachten

Der Grundbass des Gutachtens erschließt sich schon im ersten Abschnitt des Textes: „Die seit 2004 bestehende Versorgungsform des MVZ besitzt unbestrittenermaßen eine Reihe von Vorzügen, insbesondere auch aus der Sicht der Patientinnen und Patienten sowie der dort Mitarbeitenden. Mehrere dieser Vorzüge können in einem näpkMVZ [iMVZ] noch einmal gesteigert sein.“ So kommt, was kommen muss. Und Burgi kommt zu dem Schluss: „Die folgenden Verbotsvorschläge stießen hingegen an unüberwindbare verfassungs- beziehungsweise europarechtliche Grenzen [Auszug]:

  • „Ein Verbot von MVZ ohne örtlichen (und fachlichen) Bezug zu einer Klinik
  • Ein Verbot von fachgleichen MVZ
  • Ein Verbot von MVZ bei Überschreitung bestimmter Marktanteile“

Und weiter: „Ferner ließen sich die folgenden Beschränkungsvorschläge aus verfassungs- beziehungsweise europarechtlichen Gründen nicht realisieren:

  • Eine Unterstellung des MVZ-Trägers unter die Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung
  • Mehrere der bislang vorgeschlagenen Beschränkungen betreffend die Ausgestaltung der Rechtsstellung des ärztlichen Leiters in einem MVZ.“

Rechtssichere Regulierung

Viel bleibt da von dem im Entschließungsantrag nicht übrig. Weggefrühstückt. Nun jeder weiß, vor Gericht und auf hoher See …, aber aus diesem Rechtsgutachten lässt sich der Grund erschließen, warum das BMG bislang schweigt, statt mit regulierenden Gesetzesentwürfen um Beifall zu heischen. Die Angelegenheit ist eben komplizierter als ein Auftritt bei „Lanz“ oder ein Interview mit der „BamS“.

Ob großlettrige Interviews oder kleinlett­rige Bunderatseingaben, populistische Ansagen führen nicht zu einer lösungsorientierten Politik. In einer Zeit, in der Praxisabgeber kaum mehr eine Nachfolge finden, Praxen Größen annehmen, die in der Nachfolge keine Zahnärztin oder kein Zahnarzt mehr finanzieren kann, bedarf es rechtssicherer Regeln für Investoren im Gesundheitswesen.

Die Heuschrecken von gestern landen heute als Proteinquelle auf unseren Tellern. Also vielleicht mal neu denken.

Ein Bild, das Münzen zum Teil noch durch Fallen in Bewegung auf braunem Grund und hellblauem Hintergrund zeigt.

Das Gesundheitswesen hat strukturelle Probleme und wird zunehmend zum Marktplatz – mit rechtlichen Folgen.