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Das Prinzip Selbstverwaltung und was damit gerade geschieht

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Das Prinzip der Selbstverwaltung in der Gesundheitsversorgung, wie es in Deutschland gilt, ist eigentlich ein sehr kluges, wie auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums unter dem Stichwort „Selbstverwaltung“ für jedermann nachzulesen ist. Dort heißt es in ungewöhnlich klaren Worten: „Im Gegensatz zu anderen Ländern wird die Gesundheitsversorgung in Deutschland nicht ausschließlich durch die Regierung oder den Staat gewährleistet.[…] In Deutschland gilt das Prinzip der Selbstverwaltung.

Das heißt: Der Staat gibt zwar die gesetzlichen Rahmenbedingungen – insbesondere in dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – vor, aber die Träger des Gesundheitswesens organisieren sich selbst, um in eigener Verantwortung die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.“

Funktionen und Pflichten werden beschrieben

Das beschriebene Prinzip ist so einfach, dass rund 500 Wörter ausreichen, um es in seinen wesentlichen Zügen zu beschreiben. Die Einrichtungen und Organe sowie deren Funktionen werden klar bezeichnet, und auch deren jeweilige Pflichten werden beschrieben. So heißt es weiter zu den Aufgaben der Ärzte und Zahnärzte, die als Kassenärztliche beziehungsweise Kassenzahnärztliche Vereinigungen „hoheitlich handelnde Körperschaften des öffentlichen Rechts“ sind: „Die Kassen(zahn)ärzt­lichen Vereinigungen der Bundesländer sind für den Bereich der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung verantwortlich. Sie vertreten in den jeweiligen Bundes­ländern diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die für die Behandlung der in der GKV ­versicherten Patientinnen und Patienten zugelassen sind. Ihre Organe sind die ­Vertreterversammlungen, die von den Vertragsärztinnen und -ärzten gewählt werden, sowie die Vorstände.“

Entscheidend in der gesamten Definition auf der BMG-Website ist die Aussage, dass der Staat sich weitgehend aus den Belangen der Selbstverwaltung heraushält. Er setzt, insbesondere im SGB V, lediglich die Rahmenbedingungen – der Rest ist Sache der Selbstverwaltung, die innerhalb dieser Rahmenbedingungen „in eigener Verantwortung“ die Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung gewährleistet.

Gesetzgeber schränkt Spielraum immer weiter ein

Solange der Gesetzgeber in seinem Teil des Zuständigkeitsbereichs – der Rahmensetzung durch entsprechende Gesetze – verantwortungsvoll und mit Weitblick nachkommt, ist alles in Ordnung und das Prinzip Selbstverwaltung kann das tun, was es soll. Wenn der Gesetzgeber allerdings beginnt, den Bewegungsspielraum der Selbstverwaltungsorgane durch immer kleinteiligere Gesetze zunehmend einzuschränken und gleichzeitig trotz vielfältiger Zielvorgaben die Mittel zur Erreichung dieser Ziele einschränkt, dann muss man den Eindruck gewinnen, dass damit eine Abkehr vom bewährten Prinzip Selbstverwaltung auf den Weg gebracht wird. Die Kleinteiligkeit und Vielfalt neuer Gesetze nimmt praktisch keinen Bereich aus, ob es die Abkehr vom Präventionsgedanken ist, ob es eine trotz gegenteiliger Versprechungen weiter wachsende Bürokratie ist, ob es die unausgereifte, dafür aber sanktionsbewährte Digitalisierungsstrategie ist oder der Wunsch nach immer mehr Daten bis hin zur ­Umgestaltung der Fortbildung: Allein die schiere Menge dieser Veränderungen strapaziert die Selbstverwaltung und schränkt ihre Bewegungsfreiheit massiv ein.

Wenn außerdem Fakten ignoriert oder verdreht werden – der Evaluationsbericht des BMG scheint dafür ein Beispiel zu sein, wie an der Reaktion der KZBV abzulesen ist –, dann kommt damit der Versuch ­hinzu, die Selbstverwaltung angesichts solcher Ignoranz einfach nur perplex ­dastehen zu lassen. Viel deutlicher lässt sich fehlende Wertschätzung kaum aus­drücken. Rahmen zu setzen bedeutet, Spielräume zu setzen und zu erhalten. Zu enge Rahmenbedingungen werden schnell zu einem engen Korsett.