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Keine Atempause

„Mit diesen Gesetzen starten wir die dringend benötigte Aufholjagd bei Digitalisierung und Datennutzung“, das ist die schöne neue Welt von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach.

Zwei neue Gesetze aus Bundesgesundheitsministerium sind unterwegs

Er redet hier vom „Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz – DigiG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG), deren Entwürfe am 15. November Inhalt zweier Anhörungen des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages waren. Ersteres will laut BMG „die digitale Transformation des Gesundheitswesens“ und will sein Potenzial heben. „Daher gilt es, sie konsequent weiterzuentwickeln und zu beschleunigen.“ Oha, beschleunigen, was jetzt schon nicht richtig funktioniert?

Selbstverwaltung darf nur noch zugucken

Erst Jens Spahn, jetzt Karl Lauterbach – die gesundheitspolitische Digitalisierungsgeduld ist erschöpft: Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Es geht voran!

Zweiteres Gesetz philosophiert: „In einem lernenden Gesundheitswesen sind der Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten Schlüsselfaktoren für eine qualitativ hochwertige Versorgung.“ Von einem lernenden Gesundheitswesen scheinen wir weit entfernt. Was Spahn nicht gelernt hat, lernt Lauterbach nimmermehr. Statt einer Bestandsaufnahme, was bei der Digitalisierung im gesundheitswesen funktioniert und wo es hakt, wird weiter atemlos mit Gesetz um Gesetz Geschichte geschrieben. Auch bei einem heiklen Thema wie den Gesundheitsdaten der Versicherten. Diese sollen jetzt Dank elektronischer Patientenakte (ePA) für Wirtschaft, Wissenschaft und Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden. Doch zu welchen Zwecken? „Dem Gemeinwohl dienend“, heißt es im Gesetzentwurf. Eine Definition von Gemeinwohl gibt es nicht.

Ein blaues Bild, das digitale Figuren zeigt in den Entwicklungsstufen von Frühmensch bis zum Homo digitalis

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens müsste Schritt für Schritt erfolgen – nicht Sprung für Sprung.

Das Grundproblem bleibt aber nicht die Einführung der Opt-out-ePA , des E-Rezepts und die Gesundheitsdatennutzung – in der Theorie können diese höchst sinnvolle Instrumente sein –, sondern der zeitliche Einführungsdruck durch den Gesetzgeber. Das E-Rezept wird sanktionsbewehrt zum 1. Januar 2024 als Standard etabliert. Wieder droht der Gesetzgeber mit einer fraglichen Kürzung vertragsärztlicher Leistungen von einem Prozent. Ob das technische Verfahren dem plötzlichen Belastungstest standhält, ist ebenso fraglich. Oder wie es BZÄK und KZBV in ihrer Stellungnahme zum DigiG schreiben: „Auf diesem Wege würde die Einführung des E-Rezepts in unverantwortlicher Weise im Echtzeitbetrieb massenerprobt.“

Die ePA soll den 73,8 Millionen GKV-Versicherten dann ab 15. Januar 2025 zur Verfügung stehen. Auch hier ist das angestrebte Tempo unfallträchtig. Das DigiG ist noch nicht finalisiert und die Gematik wird auf Grundlage des Gesetzes die Spezifikationen erarbeiten müssen, die dann die Krankenkassen für ihre ePA-Angebote umsetzen müssen. Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandesvorsitzende das GKV-Spitzenverbandes, plädierte daher bei der Anhörung der Sachverständigen im Gesundheitsausschuss für eine Einführung der ePA ab Juli 2025. Auch bei der Gesundheitsdatennutzung scheint vieles noch nicht zu Ende gedacht in puncto, wer darf was nutzen und wer kommuniziert es an die GKV-Versicherten.

Die ministerielle Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen geht zu Lasten der soliden, nutzenorientierten Umsetzung ohne echte Beteilung der Leistungserbringer. Keine Atempause. Oder mit den Worten von Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZBV: „Es wird gerne übersehen, aber dem BMG geht es vor allem um eine freie Hand, wenn der Minister zur Aufholjagd ruft. Das Dilemma der Selbstverwaltung ist, dass sie von den Prozessen ausgeschlossen wird, die sie umsetzen soll.“ So wird keine Geschichte gemacht.