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Der Start des E-Rezepts aus Sicht einer Zahnärztin

Vom UNO-Spielen und vom Welpenbonus …


Neues von der Bohrinsel: Beobachtungen aus dem Praxisalltag von Dr. Consuela ­Codrin

Neues Jahr. Wie schön. Ab heute muss alles funktionieren. Alle müssen vernetzt, verbunden und vor allem „e“ sein. Der eHBA ist nun Pflicht. An dem kommt keiner mehr vorbei.

In der utopischen, naiven und rosafarbenen Theorie läuft seit dem 2. Januar diese Telematikinfrastruktur souverän und unkompliziert gut. Ich bin begeistert von der Begeisterung der Menschen hinter diesem Gesetz. Denn Begeisterung ist der erste mentale Schritt für einen großen Traum. Manchmal werden Träume Realität, und manchmal frisst die Realität einfach Träume auf – ohne Hirn und Gewissen. Erbarmungslos und schamlos. Wie ein Zombie.

QR-Codes und Datenschutz

Vor wenigen Wochen kam eine nette Unterhaltung über dieses entzückende Gesundheitskartenthema zwischen Kollegen auf. Folgende Sätze beflügelten alle:

  • „Wenn wir sowieso für die Apotheken QR-Codes ausdrucken müssen, warum können wir dann nicht gleich das konventionelle Rezept mitgeben?“, oder...
     
  • „Als würde mit den QR-Codes der Datenschutz erhöht werden. In der Apotheke weiß sowohl jeder in der Schlange als auch alle neben dir, was du bekommst. Für Datenschutz müsste man stumm seine unkenntlich gemachten Medikamente in einer neutralen Tüte erhalten.“

Die Stimmung dieser erheiternden Diskussion war liebreizend und von positivem Gemüt. 

Pure Zerstreuung wie UNO-Spielen erhellte dieses Gespräch den natürlich patientenlosen Arbeitstag wenige Tage vor Weihnachten. Ach ja, das Schreiben über eine langjährige, treue, geldlose Gefährtin mit grünen Buchstaben, die auch im neuen Jahr motivierend unsere zahnärztlichen Leistungen nur mit einem zuckersüßen und ehrlich gemeinten „Danke“ honoriert, machte auch wieder kurz vor dem Christkind Lust auf mehr.

Erster Arbeitstag 2024

Nun geht es ans Eingemachte. Der erste Arbeitstag im Neuen Jahr. Ich bin aufgeregt auf den großen Auftritt des eHBA. Dieses Kärtchen, das viel Geld, Mühen, graue Haare und viel Lebenszeit gekostet hat, darf mich nicht enttäuschen. Es muss all die reingesteckte Energie in hundertprozentiges Funktionieren umwandeln. Kein Aufhängen, keine Telefonate mit dem Praxisprogramm, kein „Es geht nicht“ und noch weniger „Keine Ahnung, warum es nicht geht“ werden toleriert.

Der erste Patient. Er braucht ein Rezept. Wie schön. Der große Aufritt läuft. Wie war noch mal mein Code für dieses schicke Gematik-Gerät? Die Rädchen in meinem Kopf laufen heiß, ich höre den Sekundenzeiger in meinem Ohr gnadenlos hämmern. Alle schauen, keiner eine Hilfe. Endlich erinnert. Mein Part ist getan. Erste Hürde gerade so geschafft. Das E-Rezept ist auf der Karte, der QR-Code ist sinnhafterweise auch ausgedruckt. Es läuft, denke ich. 

Technik und Erklärungsbedarf

Dann aber: der Patient, dem Deutschsprachigen sehr fern, versteht nicht, wo sein Rezept bleibt und was dieser Zettel mit dem QR-Code auf sich hat. Er will sein rosa Rezept. Die Anmeldedame versucht eine Aufklärung in allen geeigneten Sprachen. Kommt irgendwie nicht an. An der Anmeldung hört man fast die Schweißtropfen beider Parteien fallen. Bei der einen vor Versagensängsten, beim anderen vor Hilflosigkeit. Natürlich kriegt das Wartezimmer alles mit. Was für ein toller Auftakt. Und jetzt? Mit Händen und Füßen und mit Handy-Translator wurde das E-Rezept dann doch irgendwann verstanden. Beide Parteien tun mir leid. 

Nun hat die Apotheke das Problem. An diesen Rattenschwanz hat keiner gedacht. Schön, dass die Technik funktioniert, aber Technik muss man auch erklären. Der Gipfel der Unverständlichkeit hat nicht nur etwas mit der Sprache zu tun, sondern auch mit dem Alter. Ältere Patienten müssen nun verpflichtend mit Hightech zurechtkommen. Zumindest ist die App dazu nicht Gesetz. Noch nicht. Wenn ich alt bin, dann gilt diese Ausrede nicht mehr. Jedoch wird der Welpenbonus des Alterns noch ein paar Jahre ziehen.

Resümee des ersten E-Rezept-Tags: keine technischen Ausfälle, dafür aber einige zwischenmenschliche, kommunikativer Natur. Ich muss noch abwägen, ob dieses Versagen schlimmer ist. Wie so oft, konzentriert man sich eine Ewigkeit auf eine bestimmte Sache, damit sie reibungslos funktioniert, nur um dabei das ebenso wichtige menschliche Drumherum zu vergessen.

Dr. Consuela Codrin, Kelheim

UNO Spielkarten

eHBA, eGK und Co.: In den Praxen geht es manchmal zu wie beim Kartenspielen.

Dr. Consuela Codrin

Dr. Consuela Codrin ist langjährige Fachjournalistin, Kolumnistin und Kinderzahnärztin. Sie liebt das Wort, das Bild und Details. In Kelheim lebt und arbeitet sie. Kontakt per E-Mail an info@consuela-codrin.net

 

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