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Plötzlich ohne Chef
Plötzlich ohne Chef

Wenn der Chef plötzlich stirbt, sorgen Vollmachten und Verfügungen für Ordnung.

Während einer Radtour bricht Christian Köster plötzlich zusammen. Noch in derselben Nacht stirbt der Zahnarzt im Krankenhaus.

Ein Schock für die drei Töchter und die Ehefrau des 51-Jährigen. Neben dem Schmerz steht die Frage im Raum, wie es mit der Praxis des Verstorbenen und den vier Angestellten weitergeht. Finanzplaner Markus Sobau und Rechtsanwalt Heinrich Meyer-Götz klären, wie Hinterbliebene im Todesfall handlungsfähig bleiben.

Viel Zeit zum Trauern hat Familie Köster nicht. Da keine Vollmacht vorliegt, sperrt die Bank sämtliche Konten des Verstorbenen innerhalb von 24 Stunden. „Die Witwe ist zahlungsunfähig – trotz Geld auf dem Konto“, erklärt Markus Sobau, Erbschaftsplaner und Generationenberater. Sie kann weder die Praxismiete überweisen noch Löhne zahlen. Ihr Mann, ein Macher zu Lebzeiten, hinterlässt ein Chaos.

Betriebsvorsorge häufig unterschätzt

Köster ist kein Einzelfall. Vor zwölf Jahren stirbt plötzlich ein enger Vertrauter Sobaus. Der Finanzplaner begleitet die Familie des Freiberuflers durch eine schwierige Zeit. „Ich war damals, ohne vorbereitet zu sein, mit der Situation konfrontiert“, sagt der 44-Jährige. Der verstorbene Mannheimer Mittelständler hatte zu Lebzeiten weder Vorsorgevollmachten noch ein Testament aufgesetzt. Seiner Praxis drohte die Insolvenz.

Seitdem klärt Sobau über Vorsorge auf und begleitet Praxen und Büros, die mit dem Tod des Chefs konfrontiert sind. Um im Falle eines Unglücks Chaos zu vermeiden, sollte jeder Zahnarzt eine Notfallakte mit Kopien der wichtigsten Dokumente zusammenstellen. Wer einen solchen Ordner anlegt, sollte sich zuerst um beglaubigte Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen kümmern. Diese regeln unter anderem, wer auf welche Bankkonten zugreifen kann oder wann eine Beatmungsmaschine abgestellt werden soll. Für niedergelassene Zahnärzte ist außerdem eine Unternehmervollmacht Pflicht. Sie ermächtigt Ehepartner oder Nachkommen, einen Stellvertreter für die Praxis einzusetzen, wenn der Inhaber beispielsweise nach einem Unfall auf unbestimmte Zeit ausfällt. Liegen dann noch Testament und Ehevertrag im Notfallordner, können Erben schnell ermittelt werden und sind handlungsfähig.

„Sinnvoll ist es auch, eine Telefonliste mit Nummern wichtiger Patienten, Krankenkassen und Hausbanken in die Akte zu packen“, rät Rechtsanwalt Heinrich Meyer-Götz aus Dresden. Versicherungen, Jahresabschlüsse, Kredite, Leasingverträge und Privatdarlehen sollten ebenfalls kopiert im Notfallordner liegen. Zudem helfen PIN-Nummern, Listen mit Passwörtern, Grundbuchauszüge und ein Schlüsselverzeichnis, die Ausnahmesituation zu meistern.

Nicht erst im hohen Alter vorsorgen

Notfallordner gibt es nur in einem Bruchteil der deutschen Praxen. 90 Prozent aller Selbstständigen haben laut Sobau keinerlei Vorsorge getroffen. Den Chefs fehle das Bewusstsein für die eigene Sterblichkeit. Niemand beschäftige sich gern mit dem eigenen Ableben, und so wird das Thema bis ins hohe Alter rausgeschoben. Hierzu Sobau: „Was sie damit anrichten, ist den Wenigsten klar.“ Nicht nur das eigene Lebenswerk gehe zugrunde. Hinter jedem Mitarbeiter stehen Familien, womöglich mit Krediten für Eigenheime, die bezahlt werden müssen. Die Verantwortung sei groß – auch nach dem Tod. Inge Köster hat Glück im Unglück. Fünf Tage nach dem Tod ihres Mannes findet sie Vollmachten und Testament in der Schreibtisch-Schublade. Die Witwe, die die Praxis ihres Mannes weiterführen will, ist wieder handlungsfähig. In Absprache mit den Angestellten stellt die Geschäftsfrau einen neuen Mitarbeiter ein, der die Behandlung der Patienten des Verstorbenen übernimmt. Diese Sofortmaßnahme stabilisiert die Praxis und verhindert, dass Kunden abspringen. Ohne Unternehmervollmacht wäre dies erst nach der Testamentsvollstreckung möglich gewesen.

Sonderfall Gemeinschaftspraxis

Zahnärzte, die mit Kollegen eine Gemeinschaftspraxis betreiben, sollten besondere Vorsicht walten lassen. Sie firmieren meist als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Stirbt ein Partner, erlischt die GbR per Gesetz. Meyer-Götz skizziert das Szenario: „Sämtliche Miet- und Leasingverträge sind dann fällig und gehen auf die lebenden Partner über.“ Jeder Partner haftet mit seinem Privatvermögen persönlich und unmittelbar. Der einfache Zusatz „Beim Tod eines Gesellschafters gehen dessen Anteile an die Erben über“ verhindert das Geschäftsdrama. Ähnliches gilt für den Mietvertrag der Behandlungsräume. „Ist keine Klausel zum Tod enthalten, haben Hinterbliebene kein Sonderkündigungsrecht. Besteht der Vermieter darauf, müssen Erben bis zum Ende der Laufzeit zahlen“, berichtet der Jurist. So sei beispielsweise die Witwe eines niedergelassenen Arztes gezwungen, das Erbe über 300.000 Euro auszuschlagen, wenn ihr Mann den Mietvertrag kurz vor seinem Tod um zehn Jahre verlängert hat. 2.700 Euro Praxismiete monatlich sind in Summe 324.000 Euro.

Die Notfallakte muss nicht zwingend in Papierform vorliegen. Eine Digitalversion auf einem USB-Stick zu speichern und einer Person des Vertrauens zu geben, ist genauso sinnvoll und durch Updates leichter zu aktualisieren. Zusätzlich können Zahnärzte ihre beglaubigten Dokumente gegen eine Gebühr von 50 Euro im Zentralregister der Bundesnotarkammer hinterlegen lassen.

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