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Neustart ohne Selbstverwaltung

Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hat jetzt eine neue Strategie: „Die Digitalisierungsstrategie hat das Bundesgesundheitsministerium über mehrere Monate gemeinsam mit Patientenvertretern und Akteuren des Gesundheitswesens entwickelt“, heißt es in der Erklärung des BMG. Wer die beratenden Akteure des Gesundheitswesens gewesen sind, bleibt diffus. Die mitwirkenden Institutionen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen scheinen es nicht oder nicht in ausreichendem Maße gewesen zu sein.

Digitalisierung: Lauterbachs neue Strategie

Und auch beim Thema Datenschutz und Datensicherheit versucht die „Digitalisierungsstrategie“, BSI und BfDI zu „Beratern“ zu degradieren: „Ein interdisziplinärer Ausschuss, der etwa mit Vertretern von BfDI, BSI, Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die Digitalagentur bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten.“ Die Welt des Gesundheitsministers wird zunehmend blumiger. Es ist ja auch Frühling.

Neustart oder Kaltstart

Das gesundheitsministrielle Wünsch-dir-was dieser Digitalisierungsstrategie sieht vor, dass bis Ende 2024 für alle GKV-Versicherten die elektronische Patientenakte eingerichtet sein soll, zum Jahresbeginn 2024 das E-Rezept verbindlicher Standard bei der Arzneimittelverordnung sein wird und die Gematik zu einer Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes „weiterentwickelt“ werden soll. In einem zweiten Gesetzespaket wird dann die Nutzung der Gesundheitsdaten geregelt. Wie die ePA-Daten für Forschung „pseudonomisiert“ werden, wird bislang nicht weiter ausgeführt.

Puh, das ist starker Tobak. Aber der Aufschrei der Institutionen der Selbstverwaltung bleibt verhalten. Die sonst immer überlaut klappernde KBV äußert eine „Ablehnung unrealistischer Konzepte“. Nach Wums klingt das nicht. Der GKV-Spitzenverband ist hinsichtlich der Verstaatlichung der Gematik „leider nicht optimistisch“ gestimmt. Die BZÄK bewertet das Potenzial einer staatlichen Gematik als „äußerst fraglich“. Ein bisschen lauter wird es dann beim Thema Datennutzung. Hier wird Beteiligung eingefordert statt staatlicher Verkündigung. Die KZBV ist von den „nebulösen Ankündigungen des Ministers enttäuscht“ und lehnt die Herabsenkung des Datenschutzniveaus ab. Der Verzicht bei der Verstaatlichung der Gematik „auf die Expertise der Leistungserbringer die Akzeptanz und Umsetzung zukünftiger Maßnahmen erhöht, sollte seitens des Ministers einer nochmaligen kritischen Betrachtung unterzogen werden.“ Das klingt mehr nach Schmolllippe als nach echter Empörung.

Staat oder Selbstverwaltung

Mit dem TSVG übernahm das BMG 2019 bereits die 51-prozentige Anteilsmehrheit in der gematik – die Selbstverwaltung durfte von da an zwar weiter mitreden und mitabstimmen, aber letztendlich war sie ab dann Staffage bei der Gematik. Dass nun zu den Plänen einer rein staatlichen „Digitalagentur“ nicht mehr Gegenwind von Seiten der Kostenträger und Leistungserbringer kommt, verwundert schon sehr. Bedeutet dieser kommende Schritt doch eine weitere Schwächung der Selbstverwaltung. Künftig wird sie hier vom Staate verwaltet. Vielleicht ist man auf der Seite der Selbstverwaltung auch ganz froh, das bislang noch so unbeliebte Feld der Telematikinfrastruktur nun nicht mehr mitzuverantworten zu müssen. Weniger Mitbestimmung bedeutet aber auch weniger Gestaltungsraum.

Keine Sternstunde der Selbstverwaltung.

Ein Bild, das in Zantralperspektive ein Schachbrett zeigt. Ein Bauer steht vor einem Kosmetikspiegel, das eine Königin spiegelt. Der Bildhintergrund ist körnig blau.

Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung: Wer ist Treiber und wer ist Bremser bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens.