Bremer Wissenschaftler haben im Labor ein dreidimensionales Eiweißgerüst entwickelt, das in Zukunft bei der Wundheilung helfen könnte. Denkbar ist, dieses Netzwerk eines Tages als eine Art „biologisches Pflaster“ aus dem Blut des Menschen herzustellen, an dem es verwendet wird. Die Entwicklung wurde jetzt zum Patent angemeldet.
Der Mensch ist verletzlich: Ein Schnitt, und es blutet. Glücklicherweise hält die Natur körpereigene Lösungen parat, um zumindest kleinere Verletzungen selbst zu versorgen: Um die Wunde schnell zu schließen und einen Heilungsprozess zu ermöglichen, wird das im Blutplasma enthaltene Protein Fibrinogen in Fibrin umgewandelt und bildet dabei Nanofasern.
Biologisches Fibrinogen-Netzwerk im Labor hergestellt
Die oft „Borke“ oder „Schorf“ genannte Kruste entsteht. Das entstehende Gewebe von mikroskopisch feinen Fasern sorgt für den Wundverschluss und unterstützt die Heilung. Einem Team von Biophysikerinnen und -physikern der Universität Bremen um Prof. Dorothea Brüggemann und den Doktoranden Karsten Stapelfeldt ist es jetzt gelungen, ein solches biologisches Fibrinogen-Netzwerk im Labor herzustellen. Die Entdeckung verspricht für die Zukunft neue Möglichkeiten der Wundversorgung.
Material aus dem eigenen Blut – Vorteile bei Wundversorgung und Beschichtung bei Implantaten
„Normalerweise hilft man sich bei Wunden mit Pflastern und Kompressen, die selbst ja auch ein Gewebe darstellen – allerdings ein synthetisches“, erläutert Brüggemann. „Unser Verfahren ermöglicht biologische Wundauflagen, die sogar aus dem eigenen Blut eines Menschen gebildet werden könnten.“ Im Klartext: Jeder Mensch könnte eines Tages über sein „eigenes biologisches Pflaster“ verfügen, das vom Körper ideal angenommen wird und bei der Wundversorgung, aber auch als Beschichtung bei Implantaten, deutliche Vorteile hat.
Zufällige Entdeckung unter dem Rasterelektronenmiskroskop
Dem Bremer Forscherteam half eine zufällige Entdeckung unter dem Rasterelektronenmikroskop. Doktorand Stapelfeldt erforschte den Selbstorganisationsprozess, der aus gelösten Proteinen die ultrafeinen Fasern macht, die sich dann zu einem Gewebe verbinden. „Dabei tauchten Fasern an Stellen auf, an denen wir sie nicht erwartet haben“, erklärt er. Das Interesse der Arbeitsgruppe war geweckt, und man machte sich gezielt an die Erforschung der Bildung von Fibrinogen-Netzwerken.
Natürliche Wundauflage: Kommt bald der „Schorf aus der Tube?“
„Am Ende ist es uns gelungen, eine mehrere Mikrometer dicke Schicht des natürlichen Fibrinogengerüsts herzustellen, also etwas, das man real in die Hand nehmen kann. Das kann die Grundlage für eine ‚natürliche‘ Wundauflage werden – überspitzt gesagt: Schorf aus der Tube“, erläutert Stapelfeldt.
Europäische Patentanmeldung eingereicht
Das „individuelle Pflaster“ aus eigenem Biomaterial wird durch die Bremer Entdeckung möglich: „So etwas hat es bisher noch nicht gegeben. Vielleicht wird eines Tages Menschen schon als Säugling etwas Blut abgenommen, um solche Fibrinogenpflaster für sie ‚auf Lager‘ zu haben“, kann sich Brüggemann vorstellen. „Wir sehen für die Zukunft ein großes Potenzial in dieser Entdeckung.“ Deshalb hat sie mithilfe der bremischen Patentverwertungsagentur InnoWi GmbH eine europäische Patentanmeldung eingereicht.
Bis die Entwicklung in die Nähe einer realen Anwendung rückt, hat die Arbeitsgruppe von Brüggemann noch viel Arbeit vor sich: „Wir werden jetzt testen, wie Zellkulturen auf unsere Fibrinogen-Netzwerke reagieren, wie sie unter welchen Bedingungen wachsen und wie die mechanische Stabilität der Gerüste ist.“
Die Wissenschaftlerin leitetet in der Universität die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Emmy-Noether-Forschungsgruppe für Nano-Biomaterialien im Institut für Biophysik. Das Emmy Noether-Programm fördert besonders qualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler.
Die Forschungsergebnisse der Bremer Arbeitsgruppe wurden jetzt auf der Webseite der International Society for Biofabrication veröffentlicht: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1758-5090/ab0681
Quelle: Universität Bremen