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„Mancher parodontalchirurgische Eingriff lässt sich vermeiden“

Univ.-Prof. Dr. Andreas Braun und Dr. Johannes-Simon Wenzler

Univ.-Prof. Dr. Andreas Braun und Dr. Johannes-Simon Wenzler

Zwanzig Jahre Vector-Methode: Seit 1999 lassen sich mit ihr Parodontal­erkrankungen unter Verwendung von Ultraschall ursachengerichtet und schmerzarm therapieren. In unserem Interview berichten Univ.-Prof. Dr. Andreas Braun und Dr. Johannes-Simon Wenzler, Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde der RWTH Aachen, von ihren Erfahrungen und geben Ratschläge für die Anwendung in der Praxis.

Herr Prof. Braun, wie sind Sie auf die Vector-Methode aufmerksam geworden?

Prof. Dr. Andreas Braun: Anfänglich hat mich Herr Prof. Nolden von der Universität Bonn darauf aufmerksam gemacht. Nolden wies mich insbesondere auf die Möglichkeit zur schmerzarmen Parodontal­behandlung mit dem Vector hin. Da ich über die Objektivierung von Sinnes­wahrnehmungen promoviert hatte, war ich für das Thema sensibilisiert und von dem neuen Verfahren schnell fasziniert.

Herr Dr. Wenzler, wie haben Sie die Vector-Methode kennengelernt?

Dr. Johannes-Simon Wenzler: Ich hatte während meines Studiums in Marburg das klassische Scaling and Root Planing kennengelernt und fragte mich: Welche Möglichkeiten sind gut in einem systematischen Behandlungs­konzept umsetzbar? Nach Rücksprache mit Prof. Braun habe ich dann begonnen, schmerz­sensiblere Patienten mit der Vector-Methode zu behandeln. Dies fügte sich übrigens auch gut in meine wissenschaftliche Tätigkeit im Projekt TransMIT ein, wo es um energie­übertragende Anwendungen in der Zahn­heilkunde ging.

Wie sind Sie damals eingestiegen, und wie nutzen Sie das System heute?

Braun: Ich begann ja als Pilotanwender und ging ohne großes Vorwissen an die Arbeit mit dem neuen System. Ich habe dann schnell gemerkt, dass ich es effektiv einsetzen kann und die Instrumentierung der Parodontal­taschen für den Patienten deutlich schmerzärmer vonstattengeht als mit den verfügbaren Alternativen. Die nieder­gelassenen Kollegen zeigten sich allerdings zum Teil irritiert, weil sie sich ein schnelleres Vorgehen erhofft hatten. Darum sah ich meine Aufgabe auch darin, das richtige Verständnis für die Vector-Methode in der Zahnärzteschaft zu fördern: nicht primär auf Geschwindigkeit ausgerichtet, sondern auf eine schmerzarme und schonende Alternative zur konventionellen Therapie. Dürr Dental hat sein System später weiterentwickelt, sodass wir heute mit einer Kombination zweier verschiedener, piezoelektrischer Handstücke rascher zum Ziel kommen.

Wenzler: Das hat mich auf Anhieb überzeugt: Mit dem Scaler-Handstück und den schlanken Scaler-Instrumenten nehme ich eine schnellere supragingivale Reinigung vor. Für die subgingivale Instrumentierung gehe ich dann zu Vector Paro über und appliziere für eine ebenso effektive wie schonende Biofilm­entfernung direkt aus dem Handstück die Suspension Vector Fluid polish. Ich habe das System im Jahre 2015 kennengelernt und bin quasi mit der Kombinations­anwendung aufgewachsen.

Woran machen Sie Ihre persönlichen Erfolge mit der Vector-Methode fest?

Wenzler: Ich überprüfe die klassischen parodontologischen Parameter wie BOP, entzündliche Veränderungen der Gingiva, Attachmentgewinn. Erste Erfolge sind üblicherweise nach wenigen Tagen erkennbar. Darüber hinaus frage ich beim Patienten nach, inwiefern während der Instrumentierung oder danach Schmerz­sensationen aufgetreten sind.

Braun: Die Veränderung des individuellen Keimspektrums ist in der Regel kein alleiniger Gradmesser für den Erfolg. Erst wenn ich den Verdacht habe, dass ein spezifisches pathogenes Keimspektrum vorhanden ist und ich diesem gegebenenfalls durch gezielte Antibiose begegnen sollte, nehme ich auch spezielle mikrobiologische Untersuchungen vor. Es ist aber im Allgemeinen eher so, dass sich ein Keimspektrum durch die systematische parodontologische Behandlung verschiebt. Bei der regelmäßigen Kontrolle zählen in erster Linie die klinisch überprüfbaren Parameter.

Wie beurteilen Sie die wissenschaftliche Evidenz?

Wenzler: Nach meiner Erfahrung punktet die Vector-Methode gegenüber anderen Ultraschall- und Pulverstrahl­verfahren fast immer durch die schmerzärmere Anwendung. Prof. Braun hat dies auch in Studien belegt.

Braun: Ja, zusammen mit Priv.-Doz. Dr. Krause konnte ich dies schon früh dokumentieren. Wir haben zunächst die Patienten nach der Behandlung die Schmerz­intensität auf einer visuellen Skala einschätzen lassen. Weil dabei erfahrungs­gemäß oft die letzte Empfindung tendenziell stärker ins Gewicht fällt, haben wir zusätzlich den gesamten Verlauf bewerten lassen. Wir forderten die Patienten auf, ihre jeweilige Schmerz­empfindung durch den Druck ihrer Hand auf einen Kraft­aufnehmer messbar zu machen: je kräftiger der Druck, desto stärker der Schmerz. So konnten wir die Schmerz­sensation im Sekundentakt aufzeichnen. Dabei schnitt die Vector-Methode gegenüber dem manuellen Scaling and Root Planing und gegenüber einem anderen Ultraschall­verfahren signifikant besser ab.

Welchen niedergelassenen Kollegen würden Sie den Vector empfehlen?

Braun: Nach meiner Einschätzung eignet sich das Verfahren eigentlich für jede parodontologisch tätige Praxis. Inzwischen ist ein großer Wissensschatz gewachsen, daher kann man dem Einsteiger als ersten Schritt eine Schulung in der Vector-Methode bei einem erfahrenen Kollegen empfehlen. Zu den am stärksten schmerz­empfindlichen Patienten vielleicht noch ein Ratschlag: Hier hilft oft schon eine Anästhesie mit einem topisch wirksamen Mittel. Der Patient registriert es meist als positiv, dass er keine Spritze bekommt. Muss eine „Vector-Sitzung“ dennoch einmal abgebrochen werden, so halte ich es für vertretbar, die noch unbehandelten Quadranten innerhalb von einer bis zwei Wochen nach­zuinstrumentieren.

Wo stehen wir mit der Methode heute, und wohin könnte sie sich entwickeln?

Braun: Die Vector-Methode stellt aktuell ein effektives und schmerzarmes Verfahren zur Parodontal­therapie dar. Es ist nicht schnell, schont aber dafür die Zahn­oberflächen. Insbesondere im Wurzel­bereich kann ich damit selektiv die Konkremente entfernen, ohne verstärkt Zahnhart­substanz abzutragen und ungewollt Arbeits­spuren zu hinterlassen. Das entschleunigte Vorgehen ist dabei von Vorteil. Vor allem aber lässt sich mit der Vector-Methode so mancher parodontal­chirurgische Eingriff vermeiden. Nach meiner Einschätzung findet dieser Aspekt allerdings noch keine ausreichende Berücksichtigung bei den Kranken­versicherern.

Wenzler: In Zukunft werden neben der Parodontal­behandlung die periimplantären Therapien vermehrt gefragt sein. Ich könnte mir vorstellen, dass der Vector seine Stärken auch hier ausspielt – vielleicht sogar mit neuen speziellen Arbeitsansätzen für diese Anwendung.

Braun: In unserer Forschungs­tätigkeit haben wir darüber hinaus auch erste Experimente zu endodontischen Anwendungen unternommen. Ich halte es bei gezielter Weiter­entwicklung in diese Richtung unter bestimmten Bedingungen für machbar, die Vector-Methode neben der Parodontal­behandlung und der periimplantären Therapie in der Zukunft möglicherweise auch für die Endodontie zu etablieren.