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Eingeschränkte Gesundheitskompetenz der Deutschen

Unstatistik_Februar

Verstehen Sie die Packungsbeilage? Die Mehrzahl der Befragten glaubt, aus dem Beipackzettel schlau zu werden. 

 

Die Unstatistik des Monats Februar ist eine der zentralen Aussagen des Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz, der am 19. Februar 2018 dem Bundesminister für Gesundheit vorgestellt wurde. Demnach haben 54 Prozent der Bevölkerung in Deutschland eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz. Das hat der „Health-Literacy Survey auf europäischer Ebene“ herausgefunden.

Verstehen Teilnehmer Packungsbeilage?

Das klingt, als ob sich diese Studie die Mühe gemacht hat zu testen, wie kompetent die Deutschen tatsächlich sind, so die Autoren der „Unstatistik des Monats“. Aber: Niemand wurde getestet. Vielmehr wurden 47 Fragen zu verschiedenen Gesundheitsthemen gestellt und die Probanden gebeten, subjektiv zu beurteilen, wie hoch ihre Kompetenz ist. Ein Beispiel: „Wie einfach (oder schwierig) ist es, die Packungsbeilagen Ihrer Medikamente zu verstehen?“ Das fanden 41 Prozent der Befragten ziemlich einfach und 22 Prozent sehr einfach. Von wirklichen Tests sei jedoch bekannt, dass Beipackzettel selbst von Ärzten nicht verstanden werden. Jedem, der nicht weiß, was er nicht weiß, und fälschlicherweise angibt, Beipackzettel leicht zu verstehen, wurde hier hohe Gesundheitskompetenz zugeschrieben.

Vorsorgeuntersuchungen werden überschätzt

Außerdem wurde gefragt, wie schwierig es ist zu verstehen, warum man Vorsorgeuntersuchungen braucht. Das finden 80 Prozent ziemlich einfach oder sehr einfach. Die Frage unterstelle, dass Vorsorge (Früherkennung) unbestritten mehr nützlich als schädlich sei, was für jeden, der sich mit deren Vor- und Nachteilen wissenschaftlich auseinandergesetzt hat, fragwürdig ist. Eine im „Journal of the National Cancer Institute“ veröffentlichte repräsentative Studie hat das Wissen der Deutschen getestet und zeigte, dass 98 Prozent der Frauen den Nutzen der Früherkennung von Brustkrebs und 94 Prozent der Männer jenen der Früherkennung von Prostatakrebs weit überschätzen. Diese hohe Fehleinschätzung liege wahrscheinlich an der jahrzehntelang üblichen Information, welche den Nutzen übertrieben und den Schaden heruntergespielt habe. Wer nicht weiß, dass er falsch informiert wurde, wird im Health-Literacy Survey als gesundheitskompetent eingestuft.

Glauben statt wissen

Die Zahl 54 Prozent bezieht sich also nicht auf den Anteil der Deutschen, die eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz haben, sondern auf den Anteil, der dies glaubt. Die Vorsitzende des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin kritisierte die Studie bereits im „Ärzteblatt“. Verteidigt wurde die Studie mit dem Argument, dass in anderen europäischen Ländern die gleiche subjektive Befragung durchgeführt worden sei.


Über die Autoren

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und Thomas K. Bauer, Vizepräsident des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, jeden Monat sowohl Zahlen als auch deren Interpretationen.