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Mittel und Wege zur zahnmedizinischen Prävention in der Pflege

Abb. 1 Informationssystem_Schulung_Pflegekräfte.

Abb. 1: Gesprächsleitfaden zur Unterstützung des Vortrages.
 

Die Richtlinie über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen (Paragraf 22a SGB V) zeigt die darin verankerten Versorgungsziele: Erhalt und Verbesserung der Mundgesundheit einschließlich der Mund- und Prothesenpflege. Dadurch soll Pflegebedürftigen und Menschen, die eine gesetzliche Eingliederungshilfe erhalten, eine mundgesundheitsbezogene schmerzfreie Lebensqualität gegeben sowie problemloses Essen und Sprechen ermöglicht werden. Das betrifft zurzeit rund 3,8 Millionen anspruchsberechtigte Menschen – mit steigender Tendenz.

Anspruchsberechtigte

Der seit 1. Juli 2018 geltende gesetzliche Anspruch aller Pflegebedürftigen auf zahnmedizinische Prävention und Aufklärung ist ein Erfolg, der auf den jahrelangen Forderungen der Kassenzahnärztlichen Bundesver­einigung (KZBV) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) beruht. Der Anspruch schließt Menschen in Pflegeheimen oder im häuslichen Bereich ebenso ein, wie von Pflegediensten oder in der Zahnarztpraxis betreute Patienten.
Nicht nur Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen sollen mit den präventiven Maßnahmen vertraut gemacht werden, sondern auch alle Pflegekräfte – einschließlich der pflegenden Angehörigen und der Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste. Ohne deren aktive tägliche Mithilfe ist ein nachhaltiger Erfolg, das heißt eine verbesserte Mundgesundheit der Anspruchsberechtigten, kaum denkbar.

Um es vorweg zu sagen: Das Ziel, mehr Mundgesundheit bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen zu erreichen, ist kein fachlich-wissenschaftliches, sondern ein organisatorisch-finanzielles Problem.

Wissensstand der Pflegenden

Es ist davon auszugehen, dass weder die Pflegekräfte in Alten- und Pflegeheimen oder der ambulanten Pflegedienste noch die pflegenden Angehörigen über Kenntnisse der angestrebten zahnmedizinischen Prävention zur Vermeidung von Karies und Parodontopathien sowie zur notwendigen Pflege von herausnehmbarem, kombiniertem oder herausnehmbar/festsitzendem Zahnersatz verfügen. Unter diesem Gesichtspunkt sind nicht nur Schulungen der Pflegekräfte notwendig, sondern gleichzeitig die Bereitstellung entsprechender Schulungsunterlagen. Darüber hinaus sind für die „Mundgesundheitsaufklärung“ und Motivation zur Eigenhilfe der Pflegebedürftigen ebenfalls Pflegemittel erforderlich, die zur Mund-, Zahn- und Prothesenpflege besonders geeignet sind und die Pflegekräfte bei ihrer täglichen Arbeit entlasten.
Die „Initiative Handicap“ ist bereits seit dem Jahr 2014 aktiv: In Kenntnis des gesetzlichen Vorhabens stellte die DZW – Die ZahnarztWoche in ihrer Ausgabe vom 2. Dezember 2014 die unter dem Namen „Initiative Handicap“ entwickelten Schulungsmaßnahmen für die Pflegekräfte ausführlich vor. Aufgrund der nunmehr gemäß Paragraf 22a SGB V geltenden Anforderungen wurden die notwendigen Maßnahmen entsprechend ergänzt.


Basiskenntnisse zur Verbesserung der Mund- und Prothesenhygiene bei Pflegebedürftigen sind für Pflegekräfte zwingend, da eine tägliche Motivation und Unterstützung bei der Mund- und Prothesenpflege bei den meisten Heimbewohnern erforderlich ist. Das Gleiche gilt für Pflegedienste und pflegende Angehörige.
Die Bewältigung der Schulungsaufgaben für Pflegekräfte sowie die Mundgesundheitsaufklärung der Pflegebedürftigen sollte an geschulte Zahnärztliche Fachangestellte – ebenfalls nach eingehender Schulung – delegiert werden. Auch dazu halten wir geeignete Schulungsmaterialien bereit, zu denen nachfolgend Vorschläge unterbreitet werden:


1. Schulung der Pflegekräfte

„Informations-System zur Schulung der Pflegekräfte“ für Schulungen im kleinen Kreis.

  • farbig gedrucktes laminiertes Chart-System im Akryl-Presenter, Format: DIN A4 quer, 17 laminierte Doppelseiten, ca. 100 Abbildungen
  • 250 mic starke Doppelfolien aus PET, bei Bedarf desinfizierbar
  • Der Akryl-Presenter mit Schräghalterung erlaubt es, zwei Folien zu betrachten.
  • Das Beratungssystem ermöglicht individuelle Erweiterung.
  • Auch in digitalisierter Form als E-Chart-Beratungs-System erhältlich
  • Auf die Darstellung völlig desolater Gebisse wurde bewusst verzichtet, da diese die Pflegekräfte eher abhalten, in die „Tabu- Zone“ Mund zu greifen.

Zusätzlich: Gesprächsleitfaden zur Unterstützung des Vortrags, 40-seitige Broschüre mit kleinen farbigen Abbildungen und Erläuterungen zu jeder Folienseite, Format DIN A5 hoch (Abb. 1 und 2)

Gesprächsleitfaden zur Unterstützung des Vortrages.

Abb. 2: Gesprächsleitfaden zur Unterstützung des Vortrages.

2. Zur Mundgesundheitsaufklärung

„Informations-System zur Mundgesundheitsaufklärung“

zur Erfüllung des Paragrafen 8 der Richtlinie zu Paragraf 22a SGB V.

Zur Erläuterung der individuell notwendigen Mund-, Zahn- und Prothesenpflege, entsprechend dem vom Zahnarzt erstellten Mundgesundheitsstatus und Mundgesundheitsplan.

Aufgeteilt in drei Kapitel mit den jeweils passenden Forderungen:

„Plaque muss weg!“, „Prothesenpflege nach jedem Essen“ und „Knackiges kauen – Zucker reduzieren – viel trinken“.


Das Informations-System ist mit einem Register ausgestattet und dadurch geeignet, für den jeweiligen Pflegebedürftigen nur die Seiten aufzurufen, die seinem Gesundheitsstatus entsprechen. Das dazu passende „Pflege-Poster“ (siehe Punkt 4) kann hilfsweise zur Erklärung der jeweiligen Pflegeanforderung mit herangezogen werden.

  • Farbig gedrucktes laminiertes Chart-System in einem leichten Ringbuch aus Alumi­ni­um- Kunststoff, Format: DIN A4 quer, 17 la­mi­nierte Doppelseiten, ca. 100 Abbildungen
  • 250 mic starke Doppelfolien aus PET, bei Bedarf desinfizierbar
  • Das Beratungssystem ermöglicht individuelle Erweiterung.
  • Auch in digitalisierter Form als E-Chart-Beratungssystem erhältlich
  • Zusätzlich: Gesprächsleitfaden zur Unterstützung der Beratung, 50-seitige Broschüre mit kleinen farbigen Abbildungen und Erläuterungen zur Pflege und jeder Folienseite. Format: DIN A5 hoch (Abb. 3 und 4)
Gesprächsleitfaden zur Unterstützung und Beratung

Abb. 3: 50-seitige Broschüre mit Erläuterungen zur Pflege.

50-seitige Broschüre

Abb. 4: 50-seitige Broschüre mit Erläuterungen zur Pflege.

3. Broschüre für die Pflegekräfte
„… alles im Griff“


20-seitige Broschüre, DIN A5 hoch, mit 37 farbigen Abbildungen. Zur praktischen Anleitung der Pflegekräfte und als Erinnerung an die Schulungsinhalte. Die wichtigsten praktischen Hilfeleistungen bei Pflege­be­dürftigen sind durch große Abbildungen visualisiert und durch kurze Sätze erläutert. Nach der Schulung mit dem „Informations- System zur Schulung von Pflegekräften zum Nachschlagen und somit zum Verbleib in der Pflegeeinrichtung bestimmt.

Für ausländische Pflegekräfte von besonderer Bedeutung: Die Broschüre kann zweisprachig (jeweils Deutsch/Polnisch, Rumänisch, Russisch, Türkisch) angeboten werden. Die zweisprachige Broschüre hilft dem Verständnis und der Verständigung mit den Pflegebe­dürf­tigen. Gleichzeitig unterstützt sie die ausländischen Pflegekräfte dabei, Fach­begriffe zu lernen. 2017 betrug der Anteil in Deutschland tätiger ausländischer Pfle­gekräfte etwa 17 Prozent (ca. 320.000) von insgesamt rund 1,8 Millionen in der Pfle­ge tätigen Menschen, und es werden mehr, wie regierungsseitig angekündigt wurde. (Abb. 5)

Broschüre für die Pflegekräfte

Abb. 5: "Alles im Griff": Broschüre für Pflegekräfte.

4. Zur täglichen Erinnerung

Drei Pflegeposter zur täglichen Motivation.


Ältere Menschen vergessen häufig das Gehörte und sollen visuell durch ein DIN A4 großes, laminiertes Pflegeposter (je nach Indikation mit Abbildungen zur Pflege von Totalprothesen, des partiellen Zahnersatzes und zur systematischen [KAI-]Zahnpflege) an die tägliche Zahn- und Prothesenhygiene erinnert werden. Die Pflegeposter können seitlich vom Badezimmerspiegel angebracht werden. (Abb. 6)

Pflegeposter zur täglichen Motivation

Abb. 6: Pflegeposter zur täglichen Motivation.

5. Organisationsmittel für den Zahnarzt


5.1. Formularblock mit 30 Dreifach-NCR-Sätzen
Das Formular nach Paragraf 8 der Richtlinie nach Paragraf 22a SGB V ist für jeden Pflegebedürftigen auszufüllen (soweit keine generelle Ablehnung zu präventiven Maßnahmen vorliegt). Die selbstdurchschreibenden Formulare mit zwei Kopien tragen erheblich zur Vereinfachung der Untersuchungs- und Planungserhebungen bei:

  • zur vertragszahnärztlichen Abrechnung der Zahnarztpraxis
  • als Dokument für die Patientenakte im Heim und
  • als Kopie für den/die Versicherte

Es ist davon auszugehen, dass die Untersuchungsergebnisse zum Mundgesundheitsstatus und die Angaben des Zahnarztes zum individuellen Behandlungsplan durch die mitanwesende Praxismitarbeiterin gleichzeitig in das vorgegebene Formular eingetragen werden.
Das Durchschreibe-Set ermöglicht die sofort verfügbaren Kopien im Heim zu belassen. Sie können sowohl der Heimleitung für die Patientenakte und dem/der Versicherten (nach Paragraf 8) übergeben werden, während eine weitere Kopie für die Übertragung in das Abrechnungsprogramm der Zahnarztpraxis vorgesehen ist. (Abb. 7)

Formularblock

Abb. 7: Organisationsmittel für den Zahnarzt.

5.2. Klemm-Mappe für den Durchschreibe-Formularblock

Ein Zubehörteil für den Durchschreibeblock, das als Schreibunterlage ein sicheres Eintragen in das Formular ermöglicht und zur Aufbewahrung der ausgefüllten Formulare dient – eine Art „Ersatzschreibtisch“. (Abb. 8 und 9)

Klemm-Mappe

Abb. 8: Klemm-Mappe für den Durchschreibe-Formularblock.

Klemm-Mappe

Abb. 9: Zubehör für den Durchschreibeblock.

6. Pflegehilfsmittel

6.1. Orofan-Universal-Pflegezahnbürste
Vom Ormed-Institut für Orale Medizin an der Universität Witten/Herdecke (Prof. Gängler und Dr. Lang) und mit unserer Zusammenarbeit besonders für Pflegebedürftige entwickelt. Sie zeichnet sich durch Anordnung getrennter und unterschiedlich langer Borstenfelder aus, die neben dem normalen Zähneputzen eine Zahnzwischenraumsäuberung ermöglicht. Gleichzei­tig eignet sich die Bürste für die Säuberung von kombiniertem Zahnersatz mit Geschieben, Konuskronen und Implantaten. Auch die regelmäßige Säuberung totaler Prothesen ist damit möglich. Einzigartig ist eine integrierte Prothesen-Entfernungshilfe für stramm sitzende Teilprothesen. Die Mehrfachfunktionen dieser Zahnbürste kommen den Pflegebedürftigen wie auch den Pflegern entgegen: Man braucht nur eine Bürste. (Abb. 10)

Orofan Pflegezahnbürste

Abb. 10: Die Mehrfachfunktionen dieser Zahnbürste kommen den Pflegebedürftigen wie auch den Pflegern entgegen: Man braucht nur eine Bürste.

6.2. Orofan-plus-Pflegezahnbürste mit Halte- und Führungsring

Ein Halte- und Führungsring aus Silikon für die Universal-Zahnbürste gibt besonders Menschen mit eingeschränkter Motorik Sicherheit bei der selbstständigen Zahn- und Prothesenpflege. Sie sorgt auch für die Pflegekräfte bei der täglichen Zahnpflege bei Dementen, Bettlägerigen und Menschen mit Behinderungen für die notwendige Sicherheit. (Abb. 11)

Halte- unf Führungsring für die Universal-Zahnbürste.

Abb. 11: Halte- und Führungsring für die Universal-Zahnbürste.

6.3. Holdi – Der Zahnputzassistent

Die Halte- und Führungsringe sind maßgerecht für die Aufsteckbürsten der elektrischen Zahnbürsten von Oral-B gefertigt. Das silikon-elastische Material der Halteringe gestattet auch eine Anwendung bei den meisten Handzahnbürsten (durch Einschub über das Borstenfeld). (Abb. 12)

Holdi - Der Zahnputzassistent

Abb. 12: Die Halte- und Führungsringe sind maßgerecht für die Aufsteckbürsten der elektrischen Zahnbürstn von ORAL-B gefertigt.

6.4. Orofan – Mundpflegegel

Das multifunktionelle Mundpflegegel – ebenfalls vom Ormed-Institut entwickelt – reinigt die Zähne, den zahnlosen Kiefer, die Zunge sowie die Mundschleimhaut. Es überzieht die Mundhöhle mit einer Schutzschicht, deren Verweildauer – je nach Speichelfließrate – 40 bis 120 Minuten anhält. Die geringe Schaumbildung löst sich schnell auf. Das Gel-Speichel-Gemisch muss weder ausgespuckt noch ausgespült werden, was bettlägerigen und dementen Menschen entgegenkommt. Die anhaltende Fluoridbio­verfügbarkeit unterstützt mit dem stimulierten Speichel die Remineralisierung noch vorhandener Zähne. Bei völliger Zahnlosigkeit werden Mundschleimhaut und Lippen durch das Mundpflegegel vor Austrocknung geschützt. Nachfüllpackungen (500 ml) tragen zur Wirtschaftlichkeit bei. (Abb. 13)

Mundpflege-Gel Orofan

Abb. 13: Das mulifunktionelle Mundpflege-Gel Orofan reinigt die Zähne, den zahnlosen Kiefer, die Zunge sowie die Mundschleimhaut. 

Fazit
Die vorstehend beschriebenen Medien und Mittel sollen in erster Linie Zahnärzte motivieren, sich mehr noch als bisher für eine Kooperation mit Pflegeheimen zu entscheiden. Dieser erste Schritt ist notwendig, um der großen Anzahl von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen zu mehr Zahngesundheit zu verhelfen und ihren gesetzlichen Anspruch auf Prävention und Aufklärung zu erfüllen. Die beispielhaft vorgestellten Mittel und Medien sollen den Einsatz in Pflegeheimen vereinfachen und praktikabler machen. Sie erheben keinen Anspruch als alleinige Hilfen, denn auch von anderen Seiten gibt es oder wird es weitere Anregungen geben.
Die hier gezeigten Vorschläge beruhen auf Erfahrungen: In Westfalen-Lippe wurde von mir schon Jahre vor der gesetzlichen Verankerung der Gruppenprophylaxe mit ähnlich praktischen Vorschlägen und der Gründung des ersten „Arbeitskreises Zahngesundheit“ die Erfolgsgeschichte „Gruppenprophylaxe“ initiiert. Das gilt auch für die „Initiative Kiefergesundheit“, die sich als Pendant zur zahnärztlichen Prävention der kieferorthopädischen Prävention widmet und noch heute entsprechende Aufklärung im bundesweit eingesetzten „Krocky-Bus“ durchführt.
Nicht immer wurden meine Vorschläge mit Begeisterung aufgenommen. Das aber hat mich noch nie entmutigt, und deshalb bin ich ebenso gespannt auf positive wie auf negative Reaktionen – besser noch auf weitere Vorschläge. Denn auch die Prävention für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen sollte eine Erfolgsgeschichte der Zahnärzte werden – und nur darauf kommt es an!

Prof. Dr. med. dent. Rolf Hinz
Körnerstr. 23
44623 Herne
Tel. (0 23 23) 1 84 34
E-Mail: prof.hinz@praxis-hinz.de