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Zahntechniker und interorales Scannen

Annett Kieschnick, Dr. Jan H. Koch

Im ersten Teil dieses Interviews äußerten sich Annett Kieschnick und Dr. Jan H. Koch zur Frage, ob Zahntechniker und Zahntechnikerinnen intraoral scannen dürfen. Heute äußern sich die beiden Fachjournalisten zu den Kompetenzrahmen und -erweiterungen für das Zahntechniker-Handwerk.

Welche prothetisch-diagnostischen Schritte sollten Zahntechniker übernehmen oder gemeinsam mit Zahnmedizinern durchführen?

Dr. Jan H. Koch: Alle nicht-invasiven Maßnahmen, mit denen Zahntechniker die extra-, aber auch die intraorale Situation erfassen können, sollten grundsätzlich erlaubt sein. Voraussetzung ist eine eindeutige diagnostische Orientierung. Und die Maßnahmen müssen selbstverständlich auf den Aufgabenbereich von Zahntechnikern, also auf die Erstellung einer prothetischen, epithetischen oder kieferorthopädisch-orthodontischen Versorgung beschränkt sein.

Zu definieren wäre, welche dieser Maßnahmen selbständig im zahntechnischen Labor und welche nur in der Praxis gemeinsam mit dem Zahnarzt erfolgen dürfen. So betont der Berliner Prothetiker Prof. Dr. Florian Beuer, dass gerade bei komplexer Prothetik die Zahnmediziner das Sagen haben müssen. Sie sind schließlich medizinisch verantwortlich und damit haftbar. Entsprechend handelt es sich nach dem Nürnberger Zahntechnikermeister Udo Plaster „bei der zahntechnischen Analyse um Arbeitsschritte, die ergänzend zur zahnärztlichen Diagnostik vorgenommen werden können“ (Plaster U. Transfer of the patient‘s oral situation to the articulator and synchronizing the articulated models. Journal of Craniomandibular Function 2019;11:163-184).

Vor allem Prothetiker wünschen sich Teampartner, mit denen sie auf Augenhöhe zusammenarbeiten können. So müssen Zahntechniker, die für ihre zahnärztlichen Partner Implantatplanungen durchführen, Hart- und Weichgewebe und Nervenverläufe kennen und über physiologische Grundlagen von Heilungsvorgängen und zeitliche Verläufe orientiert sein.

Annett Kieschnik: Diagnostik obliegt dem Zahnarzt, wobei der Zahntechniker in vielen Fällen eine unterstützende Rolle einnimmt. Der Zahntechniker erhebt für seine Arbeit Daten, die über die Zahnfarbenbestimmung hinausgehen. Es handelt sich hierbei um analytische Maßnahmen, zum Beispiel ästhetische, phonetische und funktionelle Analyse.

Es gilt zu bedenken, dass viele dieser Arbeitsschritte am beziehungsweise mit dem Patienten vorgenommen werden und der Zahntechniker hierfür entsprechend ausgebildet sein sollte. Ein oft diskutiertes Thema ist neben dem Intraoralscan die Kieferrelationsbestimmung mit digitalen oder elektronischen Systemen.

Zahnarzt oder Zahntechniker? Für mich gehört dies in die Hände des Zahnarztes. Es handelt sich um eine diagnostische Maßnahme. Allerdings verfügen viele Zahntechniker über eine jahrzehntelange Erfahrung auf dem Gebiet der prothetischen Funktion. Dies kann sich der Zahnarzt im Sinne des Patienten zu Nutze machen; insbesondere junge Zahnärzte profitieren davon.

Ebenso unstrittig ist für mich die digitale Planung der Implantatpositionen mit entsprechenden Planungsprogrammen. Dies ist eine therapeutisch-diagnostische Maßnahme des Zahnarztes, wobei der Zahntechniker wichtige Informationen aus seiner Analyse beiträgt. Bei der intraoralen Abformung handelt es sich aus meiner Sicht um eine Datenerhebung, die in entsprechenden Indikationen vom Zahntechniker vorgenommen werden kann. Allerdings ist dies auch zu honorieren.

Wie könnte eine mögliche Kompetenzerweiterung für das Zahntechniker-Handwerk umgesetzt werden?

Dr. Jan H. Koch: Zahntechniker erweitern ihre Kenntnisse bereits durch Fortbildungen, Curricula und Studiengänge, zum Beispiel in den Bereichen CAD/CAM, Werkstoffkunde und Implantologie. Wichtig wäre ein moderner Lernzielkatalog, der aktuelles Wissen schon für den Gesellenbrief in ausreichender Tiefe definiert.

Damit die Zusammenarbeit mit Zahntechnikern gelingen kann, muss prothetisches Wissen einschließlich Implantatprothetik auch auf Seiten der Zahnärzte erhalten und ausgebaut werden. Damit es keine Grauzonen gibt, sollten offene Fragen zu Einzelleistungen, zum Beispiel zu intraoralen Scans oder funktionsanalytischen Schritten, mit rechtsverbindlichen Verträgen geklärt werden. Das ist für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, aber auch aus gebührenrechtlichen Gründen dringend erforderlich.

Vom Zahntechniker durchgeführte Maßnahmen müssen zugleich entsprechend honoriert werden, wenn nötig über die private zahntechnische Gebührenordnung. Auch hier ist es schon aus wirtschaftlichen Gründen wichtig, dass sich Maßnahmen in Labor und Praxis ergänzen und nicht doppelt erfolgen. Gemeinsam erfolgreich ist nur, wer miteinander redet.

Annett Kieschnik: Es bedarf klarer Vorgaben von Gesetzesseite. Ein auf Facebook veröffentlichtes Statement des VDZI zeigt die Brisanz, die im Thema steckt. Digitale Technologien sind zwar omnipräsent, aber der Gesetzgeber scheint „so schnell“ nicht hinterher zu kommen. Das ist ein Phänomen, das gerade in Deutschland in vielen Bereich der Digitalisierung zu beobachten ist.

Also, wer macht was? Für mich ist es aus reinem Verständnis klar, dass diagnostische und therapieplanende Maßnahmen dem Zahnarzt obliegen. Daten erheben hingegen ist auch Aufgabe des Zahntechnikers; jeder für seinen Bereich. Hinsichtlich der Kompetenzerweiterung sind spezielle Fortbildungsangebote wichtig, die sowohl den Zahnarzt als auch den Zahntechniker ansprechen.

Digitale Technologien verändern die Zahnmedizin und dementsprechend sind Kompetenzen auszubauen. Eventuell könnte ein neues Berufsbild entstehen; vielleicht ein Studiengang, der digitale Prozesse fokussiert und unter anderem für die Arbeit am/mit dem Patienten schult. Mit einem derartigen Studiengang könnte auch dem fehlenden Nachwuchs in der Zahntechnik vorgebeugt werden.

Schon heute gibt es aufbauend zur zahntechnischen Ausbildung diverse Studiengänge. Diese „Emanzipation“ gefällt vielleicht einigen Zahnärzten nicht, aber es ist der Lauf der Zeit. Standesdünkel ist fehl am Platze. Die Digitalisierung bringt völlig neue Herausforderungen mit; und wir stehen erst am Anfang. Aus meiner Sicht ist echtes Teamwork zwischen Praxis und Labor nie so gut lebbar wie mit der Vielfalt an modernen diagnostischen Methoden und Kommunikationsmitteln. Und doch bleibt es am Ende Aufgabe der Politik, klare Regeln zu definieren.