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Behandlung von Flüchtlingen: Was Zahnärzte beachten müssen

Flüchtlinge

Vor allem 2015 hat sich die  Flüchtlingskrise  von Tag zu Tag weiter zugespitzt. Die Flüchtlingsströme aus zahlreichen unsicheren Herkunftsländern, wie beispielsweise Syrien und Irak, nach Deutschland sind monatelang nicht abgerissen. Viele Länder, Kommunen und Städte sahen sich mit der Flüchtlingssituation überfordert. Daraufhin hat das Kabinett um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagiert und ein umfassendes Asylgesetz vorgelegt.

Wie "Spiegel Online" berichtet, geht es dabei um schärfere Asylregeln, schnellere Verfahren, die Einstufung weiterer Staaten als sogenannte sichere Herkunftsländer und um deutlich höhere Finanzhilfen des Bundes für die Länder. Noch in diesem Jahr verdoppelt der Bund seine Unterstützung auf zwei Milliarden Euro.

Leistungen für Flüchtlinge werden geregelt

Unter anderem regelt das Gesetz die Leistungen für Flüchtlinge. So soll beispielsweise in den Erstaufnahmelagern das Taschengeld durch Sachleistungen ersetzt werden. Sollte das Geld doch gezahlt werden, soll dies nur maximal für einen Monat im Voraus sein. Rechtskräftig abgelehnte und ausreisepflichtige Personen, die einen Termin zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden die Leistungen gekürzt: Sie erhalten dann bis zur Ausreise oder Abschiebung nur noch das Notwendige, um Ernährung und Unterkunft sowie die Körper- und Gesundheitspflege sicherzustellen.

Darüber hinaus wird durch das vorgelegte Gesetzespaket die Finanzverteilung genau festgelegt. Demzufolge müssen die Kommunen und Gemeinden die Kosten für Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung übernehmen. Der Bund will sich künftig strukturell, dauerhaft und dynamisch an den Kosten beteiligen, die bei der Aufnahme der Asylbewerber und Flüchtlinge entstehen.

Wie bereits angekündigt unterstützt der Bund die Länder mit einer Pauschale von 670 Euro pro Flüchtling und Monat.

Gesundheit als weiterer Schwerpunkt

Laut Gesetzesentwurf können die Krankenkassen in einem Bundesland verpflichtet werden, die Kosten für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge zu übernehmen. Das Geld erhalten sie später von den Kommunen zurück. Gleichzeitig bekommen sie den Versorgungsaufwand ausgeglichen. In diesem Rahmen kann auch die Einführung einer Gesundheitskarte auf Länderebene vereinbart werden. Dies soll vor allem den Verwaltungsaufwand verringern, denn bislang müssen sich Asylbewerber für fast jeden Arztbesuch vom Amt eine Bescheinigung holen.

Schon jetzt behandeln viele Ärzte und Zahnärzte die Flüchtlinge auf ehrenamtlicher Basis. Die Zahnärztlichen Körperschaften Westfalen-Lippe haben nun speziell für Zahnmediziner die wichtigsten Fragen und Antworten zur Behandlung von Asylbewerbern herausgegeben. Auf der Webseite der Körperschaften finden Zahnmediziner alle wichtigen Details.

Darüber hinaus wird Zahnmedizinern Hilfestellung für Behandlungssituationen gegeben, bei denen eine Verständigung mit dem Patienten kaum möglich ist, eine Verzögerung der Behandlung aber zahnmedizinisch nicht mehr vertretbar und dem Patienten nicht zuzumuten ist. Ein entsprechender Fragebogen für Notfallbehandlungen wird in verschiedenen Sprachen bereitgestellt. Außerdem stellt die KZVWL ein Patientenerhebungsbogen für Asylbewerber in 15 Sprachen zur Verfügung.

Forderung der BZÄK

Anlässlich der Ankündigung des Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe (CDU) alle Flüchtlinge mit einer Gesundheitskarte (G-Karte) auszustatten, fordert die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) eine dringende Vereinheitlichung der Regelungen zur medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung der Flüchtlinge.

Laut Angaben der Kammer seien die derzeitgen Regelungen sehr heterogen. Sowohl Flüchtlinge, zuständige Ämter als auch die Zahnärzte seien verunsichert, welche Leistungen bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz finanziert werden.

"Jeder Zahnarzt ist verpflichtet, Patienten auf Grund der gestellten Diagnose nach bestem Wissen und Gewissen zu versorgen. Undurchsichtige Regelungen dürfen nicht zu ethischen Gewissenskonflikten der Behandler führen", so Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer. Die BZÄK erhoffe sich durch den Vorstoß des Bundesgesundheitsministers klare Regelungen für den Praxisalltag im Interesse der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen.

KZBV für flächendeckende Rechtsgrundlage

Auch die Kassenzahnärtliche Bundesvereinigung (KZBV) versichert schnelle Hilfe für jeden in Deutschland angekommenen Flüchtling. Das betont KZBV-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Eßer. Um aber der Zahnärzteschaft diese schnelle und konkrete Hilfe auch zu ermöglichen, appelliert die KZBV  an den Gesetzgeber,  klare und flächendeckend gültige Rechtsgrundlagen zu schaffen. Diese müssen den komplexen Anforderungen des Praxisalltags genügen und zugleich für den Behandler eine verlässliche Arbeitsgrundlage für die Versorgung der Flüchtlinge bieten.

Die KZBV spricht sich in diesem Zusammenhang für eine möglichst bundeseinheitliche, zumindest aber landeseinheitliche Umsetzung eines entsprechenden Leistungskataloges für Patienten aus, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt werden sollen. Für den Bereich der zahnmedizinischen Versorgung sollte dieses Verfahren nach Möglichkeit folgenden Anforderungen Rechnung tragen:

•           Der Vertragszahnarzt muss unmittelbar und eindeutig erkennen können, wenn sein Patient auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes behandelt werden soll.

•           Soweit sich dieser Leistungsanspruch nach dem Willen des Gesetzgebers von dem Leistungsanspruch eines gesetzlich Krankenversicherten unterscheiden soll, muss für den behandelnden Vertragszahnarzt ein einheitlicher, klar abgegrenzter Katalog von Befund- und Therapiemöglichkeiten
            definiert werden, der in diesen Fällen Gültigkeit haben soll.

•           Vor Beginn der Behandlung muss eindeutig festgelegt sein, welche Behörde oder Institution der Ansprechpartner für die Administration der zahnmedizinischen Versorgung eines Flüchtlings oder Asylbewerbers ist.

Die bestehenden Regelungen in den einzelnen Bundesländern für die zahnmedizinische Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerben seien derzeit sehr unterschiedlich. Sowohl betroffene Patienten, zuständige Ämter, Behörden und Institutionen als auch Zahnärzte und deren Praxisteams würden häufig nicht wissen, wie die Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen konkret umgesetzt werden soll.

"Grundsätzlich hat jeder Zahnarzt die Pflicht, Patienten auf Grundlage der gestellten Diagnose nach bestem Wissen und Gewissen zu behandeln. Dieses Berufsethos wollen Zahnärztinnen und Zahnärzte auch bei der Versorgung von Flüchtlingen unbedingt erfüllen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich den kurzfristigen Vorstoß des Bundes­innenministeriums, mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz die dafür nötigen rechtlichen Voraussetzungen und Strukturen schaffen zu wollen, etwa im Bereich des Impfschutzes. Der aktuelle Flickenteppich in der Versorgung muss so schnell wie möglich beseitigt werden",so Eßer.

"Positivliste" von KZVB

Wie die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayern(KZVB) mitteilt, ist die zahnärztlichen Versorgung der in Bayern untergebrachten Asylbewerber rechtlich vom Grundsatz her klar geregelt. Das Bayerische Sozialministerium und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) haben dazu nun eine sogenannte  "Positivliste"  vereinbart, die alle Leistungen enthält, die Zahnärzte bei Asylbewerbern erbringen und abrechnen dürfen.

"Grundsätzlich gilt für die medizinische Versorgung der Asylbewerber während der ersten 15 Monate ihres Aufenthalts das Asylbewerberleistungsgesetz", so KZBV-Vorsitzende Janusz Rat. Demnach sehe das Gesetz eine Behandlung von „akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen vor, präzisiere laut KZBV aber nicht, welche Leistungen konkret dazu zählen.

Wie die Vereinigung weiter mitteilt, hätte dies in der Vergangenheit teilweise zu einer unterschiedlichen Genehmigungspraxis durch die jeweiligen Leistungsträger geführt. "In Bayern gibt es 71 Landkreise und 25 kreisfreie Städte. Jeder Sachbearbeiter musste bislang eigenverantwortlich entscheiden, welche zahnärztliche Behandlung er bewilligte oder ablehnte. Die mit dem Sozialministerium erarbeitete Positivliste führt zu einer enormen Vereinfachung und Vereinheitlichung der Abrechnung zahnärztlicher Leistungen", Stefan Böhm, stellv. KZBV-Vorsitzende.

Die "Positivliste" basiert auf dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, ist aber im Umfang deutlich reduziert. Asylbewerber haben nur in Ausnahmefällen Anspruch auf Zahnersatz oder auf eine kieferorthopädische Behandlung. Vergütet wird die Behandlung mit den gleichen Konditionen wie bei gesetzlich Versicherten.

Garantie von Versicherungsschutz

Aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation hat die Deutsche Ärzteversicherung beschlossen, Ärzten und  Zahnärzten Versicherungsschutz in der Berufshaftpflicht-Versicherung zu garantieren, wenn sie Behandlungen von Flüchtlingen vornehmen. Diese gelte für alle laufenden Berufshaftpflichtverträge von Ärzten und Zahnärzten.

Bestätigung nicht notwendig

Laut Deutscher Ärzteversicherung wird jedem Arzt und Zahnarzt auf Wunsch eine entsprechende Versicherungsbestätigung ausgestellt, wobei diese Regelung auch ohne explizite Bestätigung für alle versicherten Ärzte und Zahnärzte gilt. Der Versicherungsschutz gelte sowohl für privatrechtliche Ansprüche als auch für öffentlich-rechtliche Ansprüche des jeweiligen Bundeslandes bei grob fahrlässigem Verhalten des Behandelnden.

Ehrenamtliche Basis

Darüber hinaus sollen nach derzeitigen Überlegungen der Bundesländer Ärzte und Zahnärzte, die sich bereits in Rente befinden, für die ambulante Behandlung auf ehrenamtlicher Basis eingesetzt werden. Wie es weiter heißt hätte Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass hier das Staatshaftungsrecht anzuwenden ist und Ansprüche somit gegen das Land zu richten sind. 

Bei grober Fahrlässigkeit könne das Land Rückgriff auf den Arzt und Zahnarzt nehmen. Die Berufshaftpflicht-Versicherungsverträge der Deutschen Ärzteversicherung bieten auch in diesen Fällen Versicherungsschutz. Weitere Informationen für Ärzte und Zahnärzte sind bei der Deutschen Ärzteversicherung unter der Telefonnummer 0221 14822700.