Candida zählt zu den häufigsten Besiedlern der oralen Mukosa und ist als transienter Keim zumindest in geringen Mengen auch bei 45 Prozent der gesunden erwachsenen Bevölkerung nachweisbar. Die Hefe zählt allerdings, ähnlich wie auch eine Reihe oraler Bakterien, zu den opportunistischen Pathogenen. Bei exo- oder endogener Alteration der Mikroflora kommt es zu einer Störung der Balance zwischen dem Wachstum von Candida und den residenten Keimen. Das Gleichgewicht der sensiblen Wechselbeziehung zwischen Mikrobiom, oralen Geweben und dem lokalen Immunsystem wird nachhaltig gestört. Die überproportionale Zunahme potenziell pathogener Gattungen bei gleichzeitiger Reduktion protektiver Spezies führt zum Switch vom harmlosen Kommensalen zum Krankheitserreger.
Candida: 20 von 200 für Menschen pathogen
Von den mehr als 200 bekannten Candidaspezies können lediglich 20 für Menschen pathogen werden, wobei Candida albicans für Erkrankungen der Mundschleimhaut die größte Bedeutung zukommt. Begünstigend sind unter anderem Immunsuppression, angeborene und erworbene Immunschwäche, systemische und metabolische Erkrankungen, Xerostomie, chronische Läsionen und Ulzera, Langzeitantibiose, aber auch hohes Alter und das Tragen von Zahnprothesen.
Neben den klassischen Krankheitsbildern wie der akuten und der chronischen pseudomembranösen und erythematösen Candidiasis hat die invasive Form des Hefepilzes eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Genese und Progression oraler Karzinome. Zusätzliche Risikofaktoren sind Tabakkonsum, Alkohol, schlechte Mundhygiene, Mangelerscheinungen, schwere Parodontitis, sowie synergistische, durch Mikroorganismen und Viren (HPV) verursachte Noxen.
Unterschiede im malignen Potenzial der Hefepilze
Die Rolle von Candida albicans für die Induktion prämaligner Precursorläsionen und für die Tumorgenese wurde erstmals 1969 von Cawson und Williamson beschrieben. Es besteht eine starke Korrelation zwischen dem Ausmaß des Sprosspilzbefalls und der prämalignen beziehungsweise malignen Umwandlung des Wirtsgewebes. Bei therapeutischer Eradikation oder zumindest Reduktion von Candida kommt es hingegen zu einer signifikanten Reduktion der Anzahl der dysplastischen Zellen.
Untersuchungen zeigen große artspezifische, aber auch interartli-che Unterschiede im malignen Potenzial der Hefepilze. So gibt es kaum Assoziationen mit Arten wie C. parapsilosus, C. glabrata oder C. krusei. Auch innerhalb der Spezies C. albicans ist der Genotyp A weit häufiger als Genotyp B in Verbindung mit malignen Läsionen anzutreffen.
Die Präsenz von C. albicans in Läsionen wie der inhomogenen oralen Leukoplakie geht mit einem gegenüber candidafreien Läsionen um das sechsfach erhöhtem Krebsrisiko einher. Im Tiermodell induziert Candida eine Epithelhyperplasie auf Basis der durch ihre Virulenzfaktoren ausgelösten Entzündung.
Zelluläre Atypien des Schleimhautepithels
Bei dieser chronischhyperplastischen Candidose, früher als Candidalleukoplakie bezeichnet, findet man in 15 bis 56 Prozent schwere zelluläre Atypien des Schleimhautepithels. Oft sind nebeneinander unterschiedliche Schweregrade der Dysplasie bis zu einem Carcinoma in situ nachweisbar. In Tierversuchen induzierte Candida eine erhöhte mitotische Aktivität sowie vermehrte Transformationen dysplastischer Epithelien zu invasiven Karzinomen.
Voraussetzung für die Entfaltung des malignen Potenzials des Sprosspilzes ist seine Fähigkeit zur Adhäsion am Epithel und zur Invasion in tiefere Gewebeschichten. Die Kolonisationsfaktoren von Candida albicans unterscheiden sich nach Phänotyp und Morphologie. Die Hefe kann in einer opaken elongierten oder einer ovoiden weißen Zellform auftreten und sich durch diese Variabilität wirkungsvoll der Wirtsabwehr entziehen. Zusätzlich hat C. albicans die Fähigkeit, zwischen ihrer Hefeform mit rundlichen Oidien und ihrer Hyphenform zu wechseln. Letztere befähigt sie zur Biofilmbildung, zur Interaktion mit anderen oralen Mikroorganismen und zu invasivem Wachstum.
C. albicans produziert lytische Adhäsine wie Aspartylproteinasen und Phospholipasen, welche besonders bei niedrigem pH-Wert im Speichel aktiv werden. Mannoproteine in der Zellwand der Hefe ermöglichen die Adhäsion an Erythrocyten. Durch Haemolyse kann Candida so das für ihr Wachstum notwendige Eisen aus Haemoglobin gewinnen. Nach der Gewebeinvasion metabolisiert sie zelltoxische Substanzen wie Nitrosamine und Acetaldehyd, letzteres aus dem Ethanol- und Glucoseangebot in der Mundhöhle. Häufiger und übermäßiger Alkoholgenuss ist daher ein wesentlicher Risikofaktor für die Bildung dieser kanzerogenen Substanz. Exposition zu Acetaldehyd verursacht Mutationen in der DNS und Aneuploidie in Precursorläsionen, wie der oralen Leukoplakie. Als Antwort des Wirtsgewebes kommt es zu einer Hochregulation von Entzündungsmediatoren und zu ei-ner Überexpression von p53, ki67 und COX-2-Enzym.
Die chronische Alteration und Destruktion der oralen Epithelien führt zu einem zunächst hyperplastischen Respons und in der Folge zu einer dysplastischen Alteration des Gewebes. Besonders bei entsprechender Disposition und beim Vorliegen präkanzeröser Läsionen muss daher eine begleitende Infektion durch Candida albicans überwacht und möglichst rasch therapiert werden. Bei erfolgreicher Eliminierung durch antimykotische Wirkstoffe kommt es dann nicht selten sogar zur Transformation einer „high-risk“-Leukoplakie zu einer homogenen „low-risk“-Form und damit zur Vermeidung eines möglichen invasiven Karzinoms.
DDr. Christa Eder, Wien
Die Autorin
DDr. Christa Eder ist Fachärztin für Pathologie und Mikrobiologin. Seit vielen Jahren schreibt sie für das österreichische Fachmagazin „Zahn.Medizin.Technik“ und die deutsche Fachzeitung „dzw – Die ZahnarztWoche“. Auch ist sie als Vortragende im Bereich der zahnärztlichen Mikrobiologie international bekannt.