Inmitten des Ruhrgebiets, auf dem Campus der Universität Witten/Herdecke, liegt das Zahnmedizinisch-Biowissenschaftlichen Forschungs- und Entwicklungszentrums, kurz ZBZ. Das ZBZ bietet vielen Einrichtungen und Unternehmen einen im Ruhrgebiet stark vernetzten Spezialstandort, an dem anwendungsorientiert geforscht, entwickelt und hergestellt wird. Ein Beispiel ist das „Digitale Kompetenzzentrum – DKZ“. Die dzw wollte von den beiden Geschäftsführern ZT Frank Löring und ZTM Dirk Langner wissen, was das DKZ so einzigartig macht.
Schon beim ersten Rundgang merkt man, dass hier alles rund läuft. Was wohl auch an der Architektur selbst liegt, da das DKZ in einem Turm untergebracht ist und man im wahrsten Sinne einen Rundgang durch das DKZ machen kann. Alle Bereiche folgen logisch aufeinander, so schließt sich an die CAD-Abteilung selbstverständlich die CAM-Abteilung an, komplett mit verschiedensten Fräsen und Druckern ausgestattet. Und dieses Konzept zieht sich komplett durch das gesamte DKZ. Besonderes Highlight: das state of the art eingerichtete Schulungszentrum.
Herr Löring, mit Ihrem Labor Frank Löring Dentaltechnik hier im ZBZ fing alles an. Wie sind Sie darauf gekommen, zusätzlich zum Labor das „Digitale Kompetenzzentrum“ zu schaffen?
Löring: Im Jahr 2001 hat alles angefangen, da hatte ich den ersten Kontakt zur Uni Witten Herdecke. 2005 dann bin ich mit meinem Labor Frank Löring Dentaltechnik in das alte Campusgebäude der zahnmedizinischen Fakultät eingezogen. Seitdem betreue ich hier den Studentenkurs und damit die propädeutische Ausbildung im Bereich Zahntechnik und auch die Betreuung während des Staatsexamens.
Beim praktischen Staatsexamen erbringen die Studierenden während ihrer dreiwöchigen praktischen Zeit selbst keine zahntechnischen Leistungen, die erbringen wir als dentaler Dienstleister. Es gibt einen Fahrplan und es gibt Regeln, was die Studenten dürfen und was nicht. Die Examenszeit ist für uns immer eine Mammutaufgabe. Man kann sich das so vorstellen, dass 40 neue Kunden eine Idee haben und alle gleichzeitig eine Arbeit schicken. Und es ist ja nicht so, dass 40 Studenten jeweils drei Kronen machen, sondern da kommt so ziemlich alles. In den ersten drei Tagen machen wir gewöhnlich ziemlich viele Primärteile für die ganzen Teleskoparbeiten. Bisher sind aber alle Arbeiten rechtzeitig fertig geworden – und das seit mittlerweile 15 Jahren.
Wann sind Sie innerhalb des Campus in den Neubau des ZBZ gezogen?
Löring: 2018 sind wir hierher gezogen, das Labor war tatsächlich der erste Mieter im ZBZ. Ich habe sehr viel Wert daraufgelegt, dass das Labor im mittleren Turm ganz oben angesiedelt ist. Wir wollten als Labor nicht im Souterrain verschwinden. Die Zusammenarbeit ist seitdem sogar noch besser geworden, schließlich sind die Wege heute deutlich kürzer. Der Standort ZBZ ist deshalb einmalig, weil wir sehr eng mit der Universität zusammenarbeiten. Hinzu kommen viele Anfragen aus der Dentalindustrie, an Forschungsprojekten und Studien mitzuwirken. Das ist für uns extrem interessant, weil wir so bei vielen Dingen ganz weit vorne, schon bei der Entwicklung, mit dabei sind.
Also klassische Pionierarbeit. Was nicht immer einfach ist, oder?
Langner: Ja, das ist natürlich auch immer eine Frage des Mutes. Aber wir haben hier Mitarbeiter, die mitziehen und die Projekte als spannende Herausforderung sehen. Wenn man die richtigen Partner an der Seite hat, kann man schon eine Menge ausprobieren.
Löring: Zum Beispiel Vergleichsstudien: Das eine Komposit im Vergleich zu einem anderen Komposit, welches Produkt hat welche Eigenschaften, wie sieht das Abrasionsverhalten aus. Da hilft natürlich die Ausstattung des ZBZ enorm. Wer hat sonst schon Zugriff auf technisches Equipment wie ein Rasterelektronenmikroskop oder Geräte zur Messung von Oberflächenrauigkeiten. In digitaler Hinsicht sind wir schon extrem softwarelastig, teilweise arbeiten wir auch in diesem Bereich als Beta-Tester. Dadurch sind wir aber immer auf dem neusten Stand, weil uns unsere Industriepartner immer sehr früh an Neuheiten teilhaben lassen.
Es gibt neben der Frank Löring Dentaltechnik das DKZ. Ist das Dentallabor quasi als Erdung zu verstehen?
Löring: Das Dentallabor spielt natürlich eine ganz wesentliche Rolle, weil wir der Auffassung sind, dass man nur dann digital arbeiten kann, wenn man weiß, wie es analog funktioniert. Das ist für uns eine Grundvoraussetzung. Denn jetzt zu glauben, dass man händisch keine Krone mehr modellieren können muss, ist in technischer Hinsicht in gewisser Weise zwar richtig, aber auch extrem gefährlich. Man sollte schon wissen, wie Krone auszusehen hat und wie sie funktionieren muss.
Wie sehen Sie die aktuelle zahntechnische Ausbildung unter dem Aspekt Digitalisierung?
Löring: In der klassischen Ausbildung zum Zahntechniker ist es ja leider genau umgekehrt, digitales Wissen ist praktisch nicht vorhanden, was ich für äußerst problematisch halte. In Zukunft sehe ich zwar auch einen reinen CAD/CAM-Techniker, analog zu Spezialisierungen wie dem Keramiker oder dem Kunststofftechniker. Sich aber ohne den klassischen Weg direkt an den Rechner zu setzen wird nicht funktionieren.
Langner: In den vergangenen vier, fünf Jahren hat die Digitalisierung richtig Fahrt aufgenommen. Wir haben immer mehrere Azubis, die zwar alle zunächst den klassischen Weg lernen, aber wir schieben sie auch immer mal wieder in das Digitale rein. Unser Ziel ist es, dass sich jeder Techniker mit CAD/CAM auskennen soll. Selbst wenn ich jemanden im Labor habe, der Teleskope per Hand macht, kann dieser trotzdem auch Primärteleskope digital konstruieren. Wir wollen dahin, dass jeder alles kann, zu mindestens für seinen Bereich. Auch in der Kunststoffabteilung soll jeder eine Schiene digital herstellen können, was auch gut klappt. Wir fertigen Schienen zu über 90 Prozent digital an. Wenn dann mal zwei Mitarbeiter im Urlaub sind, können zwei andere die Schienen konstruieren, man muss also das ganze Team mitnehmen.
Das DKZ entsteht
Wie sah bei Ihnen der Schritt Richtung Digitalisierung aus? Der Name DKZ macht ja schon einiges her.
Löring: Den digitalen Bereich decken wir jetzt seit 2005 ab. Da wir eine sehr enge Bindung zur Dentalindustrie haben, haben wir 2019 die Idee umgesetzt, den digitalen Bereich zu vergrößern und wirklich zu professionalisieren. Das hat sich hier im ZBZ ergeben, als diese Etage frei wurde. Auch von der Nutzung her sollte es etwas anderes sein, denn wie auch in vielen anderen Bereichen der Wirtschaft sollte das besondere Augenmerk auf Digital gelegt werden, und so hat eine Nutzungsänderung stattgefunden. Wir wollten, dass diese Etage ausschließlich für die Digitalisierung genutzt wird. Die Entscheidung, ins digitale einzusteigen, war dann schnell getroffen, und zwar richtig! Daraus ist das Digitale Kompetenzzentrum entstanden.
Langner: Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, nicht nur digital zu fertigen, also nicht das typische Fräszentrum zu werden. Davon gibt es schon genug. Wir wollten etwas anderes schaffen, wir wollten uns im Bereich Zahnmedizin niederlassen, weil das ein Feld ist, das wir sowieso beackern. Wir haben tagtäglich mit jungen Zahnmedizinern zu tun, die mit spannenden Aufgaben an uns herantreten.
Schnittstelle digitaler Workflow in der Praxis – Wir können mehr!
Was ist denn nun das Besondere, das „Anders sein“ im DKZ?
Löring: Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, den kompletten digitalen Workflow in die Zahnmedizin und damit in die zahnärztlichen Praxen zu transportieren. Wir haben festgestellt, dass sich der Zahnarzt heute häufig mit Insellösungen zufrieden geben muss. Er kauft sich da einen Scanner und hier eine Software, vielleicht noch einen kleinen Drucker oder eine Fräsmaschine. Die einzelnen Produkte nun miteinander zu kombinieren, ist extrem schwierig, weil da auch der Support überfordert ist. Deshalb übernehmen wir den kompletten Vertrieb, den Support und auch die Schulungen für digitale Workflows. Wir haben Partner an unserer Seite, für die wir entweder Sales-Agents oder Vertriebspartner für die Dentalindustrie sind – aber wir sind immer neutral.
Sie sind also Dienstleister für digitale Workflows?
Löring: Wenn der Zahnarzt oder die Zahnarztpraxis an einer digitalen Fertigung interessiert sind, können sie über uns den kompletten digitalen Workflow erwerben: Intraoralscanner, Drucker, Fräsmaschinen, digitale Vermessungsinstrumente und so weiter. Wir bieten aber nicht nur den kompletten digitalen Workflow an, sondern darüber hinaus auch den kompletten Support. Was eine Schulung des gesamten Praxispersonals und des Behandlers beinhaltet.
Eine weitere Besonderheit ist, dass wir Kunden anbieten, alle Komponenten ihres digitalen Workflows bei uns ans Laufen zu bringen. Das heißt, alle Komponenten landen zunächst bei uns. Wir verbinden die Komponenten miteinander, so können wir sicher sein, dass alles funktioniert. Wenn hier alles läuft, dann funktioniert es auch in der Praxis. Im Idealfall lässt sich der Behandler mit seinem Team schon bei uns im DKZ an seinem eigenen Equipment schulen. Danach wird alles eingepackt, in die Praxis gebracht und dort wieder aufgebaut und verknüpft
Bieten Sie auch Schulungen im Allgemeinen an?
Löring: Das machen wir natürlich auch. Wir bieten gerade auch für die Industrie viele Schulungen in verschiedensten Bereichen an, die so auf dem Markt kaum möglich sind. Denn meistens haben die Industriepartner das Problem, einen passenden Schulungsort zu finden. Bei uns kann man scannen, fräsen, drucken, vermessen – alles an einem Ort. Man muss sich nicht in irgendwelche Hotels einmieten.
Also übernehmen Sie teilweise auch die Rolle des Handels?
Langner: Nein, wir spielen nicht die Rolle des Handels. Als wir damals zusammengesessen haben, war eins klar: Wir sehen uns zwar als Partner der Industrie, wollten uns aber nie von der Industrie finanzieren lassen. Wir haben sehr viel Geld in die Hand genommen, um uns das hier aufzubauen. Es war uns sehr wichtig, dass wir das allein machen, und nicht eventuell etwas gesponsert bekommen. So sind wir frei und können unabhängig von einem bestimmten Partner agieren. Wir verdienen an den Sachen, aber wir lassen uns nicht auf irgendeine Seite ziehen, indem wir einen Markennamen besonders hervorheben. Wir haben eine neutrale Position eingenommen, die sich im Namen Digitales Kompetenzzentrum spiegelt.
Digitaler Zwischenschritt als Dienstleistung
Also beraten Sie Praxen beim Einstieg in digitale Workflows. Wo bleiben Sie dabei als Labor?
Löring: Die Digitalisierung in den Praxen hat ja schon begonnen. Viele Praxen wollen aber jetzt weitere Schritte gehen, um wirtschaftlicher zu sein. Viele haben bereits einen Scanner und wollen nun die nächste sinnvolle Komponente in ihren Workflow einbinden. Da ist es schön, dass die Partnerschaften, die wir haben, greifen und wir hier beraten können. Wir nehmen den Scanner und verknüpfen ihn mit der Fräse XY, das macht sonst keiner.
Was für viele Praxen ausschlaggebend ist, ist ein weiteres Dienstleistungspaket, das wir anbieten. Ein Beispiel: Eine Praxis erweitert ihren digitalen Workflow, indem zum vorhandenen Intraoralscanner eine Fräsmaschine angeschafft wird. Aber in der Praxis traut sich noch niemand zu, den Zwischenschritt digitale Konstruktion zu leisten. In diesem Fall bieten wir den Service an, mit den Daten des Intraoralscans hier im DKZ eine Konstruktion zu erstellen, die wir anschließend als Datensatz wieder in die Praxis schicken, wo er dann auf der Fräseinheit in eine Krone oder eine Brücke verwandelt wird. Also ein kleiner digitaler Zwischenschritt als Dienstleistung. Das funktioniert übrigens sogar Chairside: Der Patient wird gescannt, bei uns geht quasi eine „rote Lampe“ an, dass ein Scan übermittelt wurde, und bei uns wird dann konstruiert. Im Anschluss schicken wir den Datensatz mit der konstruierten Restauration zurück und in der Praxis legt die Fräs- oder Schleifeinheit los.
Mitschwimmen anstatt dagegen
Und Sie haben keine Bedenken, sich damit ihrer eigenen Kunden zu berauben?
Langner: Ja, manche Dentallabore würden das vielleicht so sehen, aber wir sehen, dass wir die Entwicklung ohnehin nicht aufhalten können. Denn natürlich haben sich auch die Praxen verändert, wir haben andere Praxen wir vor zehn, 15 Jahren. Gerade junge Zahnärzte, die jetzt kommen, sind digitaler aufgestellt und denken über Investitionen im digitalen Bereich nach. Da wird es bei dem Intraoralscanner nicht bleiben. So sollte man schauen, wo man in dieser Kette bestehen kann. Wenn wir in eine neue Praxis gehen und uns vorstellen, zeigen wir nicht, was wir können, sondern fragen, was der Behandler will – so wird schnell deutlich, dass die Digitalisierung hier eine große Rolle spielt.
Helfen Sie dann auch Praxen, sich für den digitalen Weg zu entscheiden?
Löring: Wenn sich Zahnärzte auf einer Verkaufsveranstaltung befinden, kann man zwar viel erfahren und anfassen, aber das war´s dann auch. Wie es schließlich im Alltag funktionieren kann, weiß derjenige dann immer noch nicht. So bieten wir Praxen, die sich für den digitalen Weg interessieren, die Möglichkeit, den Dienstleistungsscan zu buchen. In einem Online-Kalender kann man sich hier ein gewisses Zeitfenster reservieren. Wenn dann zum Beispiel nächste Woche Dienstag Frau Müller um 10 Uhr präpariert wird und der Zahnersatz digital angefertigt werden soll, wird ein Scanner geblockt. Dieser wird dann von einer unserer gut trainierten Zahnmedizinischen Fachkräfte, wir haben drei Mitarbeiterinnen, in die Praxis gebracht. Vor Ort kann der Behandler dann entscheiden, ob er selbst scannt, ob er sich den Scan nur anschauen möchte oder ob man es gemeinsam durchführt – hierfür erheben wir eine kleine Gebühr.
Was passiert mit den Datensätzen, wenn gescannt wurde?
Löring: Der Behandler hat die Möglichkeit, den Datensatz selbst zu nutzen. Meistens ist es aber so, dass wir den Datensatz bekommen und den Zahnersatz anfertigen. Danach geht alles zurück und der Behandler weiß, ob es funktioniert oder auch nicht. Hier hat er dann alles an einem Patientenfall testen können. Es ist ein großer Unterschied, ob man einen Scanner für vierzehn Tage einfach in die Praxis hinstellt oder ob der Behandler wirklich begleitet wird.
Langner: Meistens fragt der Behandler dann beim Scan nach, wie man es besser machen kann, welche Möglichkeiten es gibt etc. Das sind dann wiederum die kleinen Dinge, die zur Kaufentscheidung beitragen.
Bei all den vielen Möglichkeiten und Dienstleistungen brauchen Sie ein super Team hinter sich …
Langner: Ohne unsere Mitarbeiter wären wir nicht das, was wir sind. Wir haben Mitarbeiter, die bereits jahrelang digital arbeiten. Bevor wir uns für das DKZ entschieden haben, saßen wir mit unseren Mitarbeitern zusammen und haben gefragt, ob die Lust haben, bei einem solchen Projekt mitzumachen. Das Ergebnis sieht man ja jetzt.
Löring: Zudem haben wir einen neuen Arbeitsplatz geschaffen. Wir haben jetzt einen Projektleiter digitalen Workflow. Da wir selbst viele Ideen haben, weitere Ideen aber auch von außen an uns herangetragen werden, haben wir uns zu diesem Schritt entschieden. Nun haben wir einen Ansprechpartner, der ganz aus der Produktion rausgenommen wurde und sich nur um Projektarbeiten und Entwicklung kümmert, diese dann umsetzt und weitergibt.
Flexibel sein, auch in den Öffnungszeiten
Praxen und gerade Zahnkliniken bieten oft flexible Sprechzeiten an, wie reagieren sie darauf?
Langner: Also wir haben jeden Tag von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Das hat auch damit zu tun, dass die Studentenkurse oft länger dauern und zum Beispiel noch Abformungen zum Ausgießen kommen, da können wir nicht sagen, dass wir den Abdruck einfach in den Kühlschrank legen und erst am nächsten Tag weiterverarbeiten. Natürlich ist nicht die ganze Belegschaft da, wir haben einen Spätdienst, der aus zwei Mitarbeitern besteht. Unser Team besteht insgesamt aus 40 Mitarbeitern, da trifft es den einzelnen Mitarbeiter also gerade mal alle zwei Wochen.
Wir bedanken uns bei den beiden Geschäftsführern Herr Löring und Herr Langner für das tolle Interview.