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Macht das Drehen an der Uhr zweimal im Jahr Sinn?

Uhr wird im Herbst auf Normalzeit zurückgestellt

Nicht vergessen: In der Nacht auf Sonntag (25. Oktober 2020) wird wieder an der Uhr gedreht und von 3 Uhr auf 2 Uhr zurückgestellt: Die Sommerzeit endet, es gilt wieder die Normalzeit. Jetzt im Herbst bedeutet das, wir können eine Stunde länger schlafen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass es mit der Umstellung zweimal im Jahr immer noch kein Ende hat.

In einer Online-Umfrage der EU hatten sich viele Bürger gegen die Zeitumstellung ausgesprochen, und das Europäische Parlament fasste daraufhin 2018 das Ende der Umstellung für 2021 ins Auge, doch abschließend geregelt ist die Abschaffung noch nicht.

Die Zeitumstellung ist nach wie vor umstritten. Kritiker befürchten Schlafstörungen, Konzentrations- und Leistungseinbußen als Folge. Macht das Drehen an der Uhr zweimal im Jahr Sinn? Für den Schlaf-Wach-Rhythmus-Experten Prof. Dr. Daniel Aeschbach lautet die Antwort – aus chronobiologischer Sicht: Nein.

 

Schlaf-Wach-Rhythmus-Experten Prof. Dr. Daniel Aeschbach
Prof. Dr. Daniel Aeschbach
                                © privat

 

Der Leiter der Abteilung für Schlaf und Humanfaktoren am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin im Deutschen Zentrum für Luft- Und Raumfahrt (DLR) hat jetzt zusätzlich die neue Bonner Professur für Schlafphysiologie und Chronobiologie inne – eine gemeinsame Berufung der Medizinischen Fakultät Bonn und dem DLR. Sein wissenschaftlicher Fokus liegt besonders auf der Schlaf-Wach-Regulation des Menschen und deren Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit und Gesundheit.

Welche Auswirkung hat die Zeitumstellung von einer Stunde auf den Schlaf-Wach-Rhythmus?

Prof. Dr. Daniel Aeschbach: Es kann sein, dass wir uns für einige Zeit nach der Herbst-Zeitumstellung etwas früher am Abend schläfrig fühlen und dafür etwas besser am Morgen aus dem Bett kommen. Unsere innere Uhr passt sich aber recht rasch an die neuen Verhältnisse an, indem sie in einer Übergangsphase etwas langsamer tickt. Dies geschieht über die Wirkung von Licht, das auf unser Auge trifft und die innere Uhr im Zwischenhirn nach dem neuen Zyklus von Hell und Dunkel ausrichtet.

Innere Uhr passt sich recht rasch an

Neben der Schlafbereitschaft steuert die innere Uhr eine Vielzahl von zirkadianen Rhythmen in unseren Körperfunktionen. Dazu gehören zum Beispiel die Körpertemperatur und die Ausschüttung vieler Hormone, insbesondere von Melatonin, welches seinerseits den Schlaf fördert. Die meisten Menschen haben mehr Beschwerden mit der Zeitumstellung im Frühjahr. Dann ist die innere Uhr gezwungen, etwas schneller zu gehen. Dies fällt schwerer und so dauert es länger – allenfalls auch mehrere Wochen – bis eine Anpassung an den neuen Hell-Dunkel-Zyklus erfolgt ist. Bis das geschehen ist, sind unsere sozialen Zeitgeber und unsere Schlafenzeit nicht synchron mit den Signalen unserer inneren Uhr: Der Wecker klingelt, während unsere innere Uhr uns noch für Schlaf programmiert hat. Das kann sich schon ein bisschen wie Jetlag anfühlen.

Kann man den Schlaf-Wach-Rhythmus austricksen?

Aeschbach: Leider nein. Man kann allerdings durch gezielte Lichtexposition – auch mit künstlichem Licht – die innere Uhr beeinflussen und damit die zirkadianen Rhythmen zeitlich verschieben. Damit ist eine schnellere Anpassung an einen neuen Hell-Dunkel-Zyklus möglich. Erfolg hatte man damit schon bei der Behandlung von Jetlag und gewisser zirkadianer Rhythmusstörungen. Bei der Zeitumstellung sehe ich da weniger eine generelle Anwendung.  

Nicht jede innere Uhr geht gleich

Warum steckt nicht jeder die Zeitumstellung einfach so weg?

Aeschbach: Das ist nur zum Teil verstanden. Was wir wissen ist, dass nicht jede innere Uhr gleich geht. Dafür gibt es auch genetische Ursachen. Ohne den korrigierenden Einfluss des Lichts in unserer Umgebung tickt die Uhr bei Menschen, die eindeutig Frühtypen sind, etwas schneller und bei Spättypen etwas langsamer. Bei der Zeitumstellung im Herbst werden es eher Frühtypen sein, die Schwierigkeiten haben bei der Anpassung an die Zeitumstellung. In Extremfällen könnte hier die gezielte Nutzung von Licht in den Abendstunden zu einer schnelleren Anpassung führen.

Bei Abschaffung der Zeitumstellung, welche Zeit sollte dann die permanente sein, die Sommerzeit oder Normalzeit?

Aeschbach: Ich würde die Normalzeit beibehalten. Sommerzeit im Winter macht wenig Sinn, insbesondere für Menschen, die am Westrand einer Zeitzone leben, und für die die Sonne damit sehr spät am Morgen aufgehen würde. Für viele dieser Menschen könnte dann eine optimale Synchronisierung zwischen Schlafens- und Wachzeiten und innerer Uhr schwieriger sein.