Reibung, Spannung oder sogar heftige Auseinandersetzung gibt es aber, wenn zum Beispiel argumentiert wird, dass der Rechnung ausstellende Zahnarzt die Mindererstattung verschuldet hat. Wodurch oder womit auch immer der Zahnarzt als Verursacher hingestellt wird, er fühlt sich angegriffen und reagiert mit offenem oder unterdrücktem Ärger.
Gegen diesen Automatismus mit dem Verstand anzugehen, erfordert einige Übung. Besonders schwer fällt das, wenn der Patient (Zahlungspflichtige) sich prompt die Versicherungsargumente zu eigen macht und verlangt, dass auf die nicht erstatteten Beträge verzichtet werden soll. Alternativ soll der Rechnungsaussteller dafür sorgen, dass nacherstattet wird. So oder so – der Anspruch des Rechnungsempfängers ist auf Voll-, zumindest auf Mehrerstattung ausgerichtet.
Nichterstattung muss konkret begründet werden
Dem auf die Erstattungseinschränkung angesprochenen Zahnarzt hilft der unerschütterliche Handlungsgrundsatz, dass ganz konkrete Gründe für die Nichterstattungen dargelegt werden müssen und seinerseits eine Antwort darauf erst erfolgen kann, wenn klar erkennbar ist, worauf eigentlich geantwortet werden soll.
Und dennoch gehen dann einige Versicherungen und Beihilfestellen so weit, dass nach erfolgter Klarstellung zu deren Vorbringen nun neue Gründe gefunden werden, die zum selben Minusergebnis führen. Diese und weitere Eskalationsstufen im Erstattungsgeschehen haben deutlich zugenommen, wie ich anhand statistischer Zahlen noch aufzeigen werde (mehr dazu im kommenden Jahr).
Kürzungen: Was tun bei „Leistungskürzung“? Mein Vorschlag: Klarstellend zunächst die Versicherung/Beihilfe darauf hinweisen, dass der Zahnarzt die „Leistungen“ erbringt beziehungsweise tatsächlich erbracht hat und es in Wirklichkeit um Erstattungszusage oder -kürzung geht. Bei geminderten Zusagen zu vorgelegten Heil- und Kostenplänen (HKP) wird immer wieder empfohlen, dass der Patient sich das per Vertrag definierte Leistungsspektrum genau erklären lassen sollte. Das ist richtig, trifft allerdings nur in den weniger praxisrelevanten Fällen zu, in denen der Erstatter als Einschränkungsgrund das Fehlen der betreffenden Leistungen im Versicherungsumfang (Tarif) vorträgt. Da ist gegebenenfalls der Anwalt gefragt, weniger der Zahnarzt.
Dann wird geraten, dass der Zahnarzt bereits im Vorfeld der HKP-Übergabe mögliche Zusage- oder Erstattungseinschränkungen anspricht: Der Zahnarzt sollte bereits im Rahmen des ersten Gesprächs über mögliche Unterschiede in der Erstattung seitens der Kostenträger informieren und dies auch dokumentieren.“
Das kann man tun, ganz allgemein, und dabei von Unterschieden in den fachlich-gebührentechnischen Auffassungen zur Berechnungsweise sprechen, denn Erstattung ist nicht das Feld des Zahnarztes. Aber bereits im ersten Gespräch konkret? Ja, wenn da bereits feststehen sollte, was an Versorgung nötig und möglich ist. Sonst sollte man das – dann genauer zutreffend – besser erst später ansprechen.
Neue Verpflichtungen des Zahnarztes: Inzwischen hat das Patientenrechtegesetz (Paragraf 630c Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) mit seiner Verpflichtung auch zu wirtschaftlicher Aufklärung im Vorfeld der Behandlung Einzug in den Alltag der Auseinandersetzungen gehalten. Diese Verpflichtung wird zunehmend zu einem Problem. Es ist mittlerweile klare Forderung, dass der Zahnarzt – schriftlich – den Zahlungspflichtigen (Patient) vorher darüber aufzuklären hat, dass und wo eine Nichtübernahme der Kosten zu erwarten ist:
- Bei allseits bekannten Erstattungsproblemen zu bestimmten Leistungen ist ein konkreter, beweisbarer Hinweis darauf dringend angeraten.
- Darüber hinaus ist ein allgemeiner schriftlicher Hinweis darauf, dass eine „Erstattung möglicherweise nicht in vollem Umfang oder gar nicht gewährleistet ist“, unabdingbarer Bestandteil eines jeden Heil- und Kostenplans und unbedingt angeraten.
Der hier formulierte Hinweis ist eine Kombination der verpflichtenden Warnhinweise in einer Vereinbarung der Gebührenhöhe nach Paragraf 2 (1, 2) GOZ und einer Vereinbarung von nicht notwendigen Verlangensleistungen nach Paragraf 2 (3) GOZ.
Den Patienten vorab sensibilisieren
Zusätzlich kann man den Patienten dafür sensibilisieren, dass viele Kostenträger nicht im Einklang mit der GOZ erstatten. Es ist es allerdings aus der Erfahrung der Praxis oft nicht sinnvoll und praktikabel, mit dem Patienten dann eine abweichende Vereinbarung gemäß Paragraf 2 Absatz 3 GOZ zu schließen. Denn das würde im konsequent durchgezogenen Fall bedeuten, alle strittigen Leistungen zu nicht notwendigen Verlangensleistungen zu erklären und damit den ultimativen Hinweis abzugeben, dass eine Erstattung zu derartigen Leistungen nicht erfolgen wird. Das sagt Paragraf 2 Absatz 3 GOZ. Das führt mitunter dennoch oder gerade deswegen zu massivem Erstattungsärger ganz anderer Art.
Richtig ist aber der Abschluss einer „Vereinbarung von Leistungen mit Übersicht zu den voraussichtlichen Kosten“ (HKP, Beispiel unter www.alex-za.de, Nr. 6200 – 8.1) und dazu eine korrespondierende Vereinbarung der Gebührenhöhe nach Paragraf 2 Absatz 1, 2 GOZ.
Zahnarzt muss über allgemein bekannte Erstattungsprobleme aufklären
Wie dargelegt, muss der Zahnarzt auch über allseits bekannte Probleme bei der Erstattung bestimmter Leistungen aufklären – nicht über Probleme bei dafür bekannten Versicherungen, wohl aber bei bestimmten Sachverhalten. So muss man feststellen, dass zum Beispiel bestimmte Schwierigkeiten nur unter höherem Zeitaufwand mit entsprechendem Steigerungssatz im Gefolge gemeistert werden können, sich aber die Beihilfe dennoch regelmäßig weigert, nötige höhere Sätze zu erstatten. Oder weiß der Beihilfeberechtigte das mittlerweile selbst, weil dieses Verhalten gang und gäbe ist?
Die häufigsten Gründe für Erstattungskürzungen
Was sind denn die „allseits bekannten Erstattungsprobleme“? Im Beitrag eines Rechenzentrums wird auf die „Top 3“ der häufigsten Kürzungen hingewiesen (in welchem Erhebungszeitraum, wird nicht erwähnt). Nach meinen langjährigen und aktuellen Erhebungen ergibt sich dazu folgendes abweichendes Bild für das Jahr 2015:
- Platz 1: Beanstandungen zur Analogberechnung,
- Platz 2: Einwände bezüglich der Material- und Laborkosten,
- Platz 3: Einwände zur adhäsiven Befestigung (Nummer 2197 GOZ),
- Platz 4: Einwände zur Wurzelkanalbehandlung und zum Bemessen/Begründen.
Die im angesprochenen Artikel erwähnte Ziffer Ä2382 auf Platz 3 ist wohl schwerlich zutreffend, da sich in den hier zur Verfügung stehenden Jahresstatistiken die Probleme mit Weichteilplastiken beständig in der Gegend von Platz 10 bewegen.
Aber ist das wichtig? Ja – wenn man eine Vorstellung davon bekommen möchte, was in der Fachwelt allgemein als erstattungsproblematisch gesehen werden könnte. Beim Komplex „Weichteilplastiken“ insgesamt handelt es sich nur um ca. 2,5 Prozent aller Beanstandungen (Ä2382 wiederum ein Sechstel davon), Beanstandungen zur Analogberechnung gab es jedoch immerhin 16,6 Prozent (neue Jahreszahlen 2016 kommen im Januar 2017 hier in der DZW zur Veröffentlichung). Die Pflicht, mit dem Patient/Zahlungspflichtigen darüber zu sprechen, sollte vielleicht die ersten fünf Plätze in den Beanstandungsranglisten betreffen.
Letzte Korrekturen: Die primäre Wundversorgung ist tatsächlich gemäß den allgemeinen Bestimmungen der GOZ mit der OP-Grundleistung abgegolten und diese Aussage der Erstatter widerspricht auch den allgemeinen Bestimmungen der GOZ in keiner Weise. Sollte in Wirklichkeit aber keine primäre Wundversorgung, sondern eine „Wunddeckungsplastik“ gemeint sein, so ist die vom Zahnarzt gemäß vorrangiger GOZ-Nummer 3100 zu berechnen, nicht nach Ä2382 „Hautlappenplastik“.
Möglicherweise könnte aus der erkennbaren Fehlempfehlung zur Ä2382 deren angegebene hohe Widerspruchsrate resultieren? Jedenfalls rangiert die Ä2382 auch in der Jahresstatistik der KZBV/BZÄK weit hinten mit einem Anteil von unter 0,00 Prozent an den Leistungspositionen beziehungsweise einem Honorarvolumen von ca. 0,05 Prozent an den berechneten Leistungen.
(wird fortgesetzt)