Der Schritt in die Selbstständigkeit ist durch finanzielle und wirtschaftliche Verantwortung geprägt. Gerade bei Gründern sind die Themen Selbstverwirklichung und Darstellung elementar, was in einigen Fällen zu einem Dilemma führen kann. Denn es ist ein großer Schritt von der Angestelltensituation zum Unternehmertum, und in dieser Funktion müssen sich Zahnärzte um die Finanzierung und Rentabilität ihrer Praxis kümmern, nicht nur um die Ausübung ihrer eigentlichen Tätigkeit als Zahnarzt. Wir möchten am Beispiel einer Neugründung zeigen, was zu beachten ist, damit im Nachhinein keine Probleme entstehen, die eine signifikante Liquiditätsverschlechterung verursachen könnten.
Zahnärztin Muster möchte sich in einer Universitätsstadt in Baden-Württemberg niederlassen. Sie wollte die Finanzierung bei ihrer Hausbank machen, die ihr zusicherte, dass dies dann alles kein Problem sein werde, wenn sie die Finanzierungssumme kennen würde.
Tipp: Bevor die Unterschrift unter einen Mietvertrag oder Kaufvertrag durch einen Zahnarzt gesetzt wird, sollte eine Zusage einer Bank vorliegen. Nicht nur die mündliche Zusage seines Bankberaters, sondern sicherheitshalber die schriftliche Zusage oder das Finanzierungsangebot der Bank, was verbindlich sein muss.
Die Praxis sollte als Neugründung in einem denkmalgeschützten Haus in der Nähe einer Fußgängerzone eingerichtet werden. Die Räumlichkeiten mussten komplett renoviert und eingerichtet werden. Für diesen Vorgang hat sie sich professionelle Hilfe bei einem Depot eingeholt. Deren Beratung war hervorragend und die Zahnärztin wusste danach alle Investitions- und Renovierungskosten.
Kosten möglichst genau ermitteln
Dieser Schritt ist einer der wichtigsten, um mit der Bank in Verhandlungen zu treten. Denn der Schritt in die Selbstständigkeit erfordert zum Teil umfangreiche Investitionen. Schließlich müssen die Aufwendungen für medizintechnische Geräte, Praxiseinrichtung, Modernisierungs-, Umbau- oder Baumaßnahmen finanziert werden. Welche Gesamtfinanzierungsvolumina am Ende zu Buche schlagen, hängt immer davon ab, was für eine Fachrichtung, welche Geräte und welche ästhetischen Spielereien in der Gestaltung der jeweilige Finanzierende geplant hat. Die Bandbreite liegt hier zwischen 200.000 und 700.000 Euro.
Im nächsten Schritt setzte sich die Gründerin mit ihrem Steuerberater zusammen, um eine Budgetplanung und Liquiditätsplanung zu erstellen, damit die Bank eine Vorstellung ihrer Zahlen bekommt und das Vorhaben unterstützt. Nachdem sie diesen Plan mit den durch das Depot definierten Investitions- und Renovierungskosten erstellt hatten, fragte sie neben ihrer Hausbank noch zwei weitere Banken an, die ihr der Steuerberater empfohlen hatte.
Überraschenderweise hatte ihre Hausbank erst nach sechs Wochen reagiert und die Finanzierung abgelehnt, eine andere Bank hatte ihr nach drei Wochen eine Zusage zur Finanzierung erteilt. Somit klang alles zufriedenstellend für die Unternehmensgründerin und sie freute sich auf die Praxiseröffnung zum Januar 2016. Zu erwähnen ist, dass sie gebundene Finanzmittel in Form einer Immobilie hatte, die allerdings noch nicht als Sicherheit eingefordert wurden.
Architektenversäumnisse kosten Zeit – und Geld
Im Februar 2016 wurde ich durch das Depot angesprochen, ob ich einer Existenzgründerin helfen könnte, die Liquiditätsschwierigkeiten hatte. Nach unserem Erstgespräch mit der Existenzgründerin stellte sich Folgendes heraus. Die oben genannte Gründerin hatte bei ihrer Planung vergessen, ihren Architekten zu prüfen. Dieser hatte vergessen, den Bauantrag zu stellen und die Praxiseröffnung schien damit erst im April 2016 möglich zu sein, da die Renovierungsarbeiten erst Ende Dezember statt Anfang September begonnen werden konnten. Das wäre unter Umständen noch nicht das Problem gewesen, allerdings hatte die Gründerin weitere kapitale Fehler begangen, die nicht ohne Nachwirkungen blieben.
Sie hatte bei der Kostenauflistung für das Darlehen die gesamten Kosten für Marketing, Pufferbeträge sowie die komplette Anlaufzeit (sogenannter Betriebsmittelkredit, der besonders bei einer Neugründung erforderlich ist) nicht mit eingeplant. Darüber hinaus hatte sie noch ein Lasergerät für ca. 70.000 Euro nachträglich geordert, als die Finanzierungszusage bereits vorlag.
Zusätzlich hatte sie ein sogenanntes Überbrückungsgeld beantragen wollen, das ihr für sechs Monate eine gewisse Unterstützung gewährt hätte. Leider hat sie das ohne professionelle Begleitung umgesetzt. Da ihre Argumentation nicht gesetzeskonform erstellt wurde, erhielt sie eine Ablehnung, obwohl sie alle Voraussetzungen gehabt hätte.
180.000 Euro müssen nachfinanziert werden
Summa summarum ergab sich eine Nachfinanzierungssumme für die Gründerin in Höhe von 180.000 Euro. Die vom Steuerberater falsch kalkulierte Liquiditätsplanung (es wurden die zeitversetzen Zahlungen der KZV nicht in der Planung berücksichtigt) wurde von uns korrigiert und mit realistischen Planzahlen ergänzt. Durch diese korrigierte Planung und den glücklichen Umstand der Möglichkeit einer Kreditsicherung durch die Immobilie konnte die Bank überzeugt werden.
Fazit aus dieser Darstellung sollte sein, dass es wichtig ist, sämtliche Unwägbarkeiten bei einer Planung zu berücksichtigen. Dies ist für Zahnärzte vor allem am Anfang sehr schwierig, und aus diesem Grund kann eine externe Unterstützung oft vor größeren Problemen helfen.
Tipp: Egal, welche Finanzierung ein Zahnarzt plant, er muss sämtliche Kosten berücksichtigen und eine Planung für die Sinnhaftigkeit und Rentabilität der Investition durchgeführt haben. Nur bei einem positiven Ergebnis sollte sie umgesetzt werden. Gerade am Anfang der Selbstständigkeit, aber auch bei Illiquidität, sollte mit teuren Investitionen zurückhaltend umgegangen werden. Des Weiteren ist eine gesamte zeitliche Planung der Vorgehensweise vonnöten, um nichts zu vergessen und die richtigen Schritte zur richtigen Zeit zu unternehmen.
Extraausgaben nicht vergessen
Eine kleine Übersicht der Kosten: Neben den oben erwähnten kommen Kosten für Homepage, Printmedien, Eröffnungsfeier, Anlaufkosten (für die ersten sechs bis zwölf Monate zur Deckung des finanziellen Gaps zum Kostenausgleich) sowie Puffersumme (zum Ausgleich von nicht geplanten Kosten bei Renovierung, Investition, Personal, Einrichtungen etc.) und natürlich Unterhaltskosten in der Anfangszeit für die Familie hinzu. Diese Kosten können je nach Situation sechsstellig werden.
Wichtig ist bei einer Finanzierung und allgemein bei einer Selbstständigkeit, dass der Zahnarzt liquide ist und bleibt. Deshalb gilt die oben beschriebene Vorgehensweise noch intensiver für Zahnärzte, die in Liquiditätsschwierigkeiten gekommen sind (Gründe hierfür: Fehlplanung, Umsatzausfülle, Krankheit, zu hohe Privatentnahmen). In diesem Falle ist die Darstellung des veränderten Konzepts überlebensnotwendig und sollte mit einem entsprechenden Maßnahmenplan und einer Potenzialermittlung der Umsätze hinterlegt sein, damit die Bank die Unterstützung nicht verweigert.