Anzeige
Freie Ärzteschaft warnt vor Flop der elektronischen Gesundheitskarte

Seit 1. Juli 2017 müssen sich alle Arzt- und Zahnarztpraxen, Kliniken und später auch Apotheken online an ein riesiges Datennetz der Krankenkassen anschließen. Zugangsschlüssel ist die elektronische Gesundheitskarte (eGK). Die Freie Ärzteschaft (FÄ) hat dies zum Anlass genommen, ihre Kritik daran zu äußern.

Sorge vor Hackerangriffen

"Politik, Krankenkassen und Gesundheitsindustrie wollen die Krankheitsdaten aller Bürger zentral speichern, um das Gesundheitswesen zu steuern und Rendite zu erwirtschaften", sagt FÄ-Vizevorsitzende Dr. Silke Lüder am Montag in Hamburg. "Angesichts bedrohlicher Hackerangriffe in jüngster Zeit ist das verantwortungslos."

Bisher war der Start des Online-Rollouts für den 1. Juli 2017 gesetzt – bisher ist er zu diesem Termin aber nur formal gestartet.

Bisher war der Start des Online-Rollouts für den 1. Juli 2017 gesetzt – bisher ist er zu diesem Termin aber nur formal gestartet.

Als Erstes sollen die Arztpraxen und Klinikambulanzen mit der Aktualisierung der sogenannten Stammdaten der Versicherten, wie etwa Wohnort und Versichertenstatus, Verwaltungsaufgaben der Krankenkassen übernehmen. "Damit wird uns Zeit für die Patienten genommen", erläutert Lüder. "Außerdem ist dieser sogenannte Online-Rollout ein Flop: Die technischen Geräte – ein sogenannter Konnektor und ein onlinefähiges Chipkartenlesegerät – sind für den Realbetrieb in den Praxen noch gar nicht vorhanden.

Insidern zufolge dürften diese Geräte frühestens im November 2017 verfügbar sein. Und das zu gepfefferten Preisen: Aufgrund der Monopolstellung des Anbieters soll ein Konnektor etwa 2600 Euro kosten."

Aus Sicht der FÄ sei dies auch ein Preis, den letztlich auch die Versicherten zahlen würden. Darüber hinaus teilt die FÄ mit, dass die Kosten für die gesetzlich Versicherten werden mit weiteren etwa 700 Millionen Euro für das eGK-Projekt veranschlagt werden.

"Außerdem", so Lüder, "wird es durch den Online-Datenabgleich mit ziemlicher Sicherheit in den Arztpraxen zu deutlichen Verzögerungen im Praxisablauf und längeren Wartezeiten bei der Anmeldung kommen." Die Anbindung an das Datennetz, gehostet bei der Bertelsmann-Tochter Arvato, ist auch nicht freiwillig. Praxen, die das bis zum 1. August 2018 nicht erledigt haben, müssen mit Geldstrafen rechnen.

Ärztliche Schweigepflicht weiter verteidigen

Aus Sicht der Ärzte sei eine Totalvernetzung im Gesundheitswesen gefährlich, weil Cyberangriffe die Sicherheit der Patienten gefährden. Laut FÄ hätte das jüngst der Deutsche Ärztetag unmissverständlich klar gemacht.

Lüder kritisiert scharf die Regierung: "Einer Bundesregierung, die derzeit lauter neue Gesetze zu Bundestrojanern und zur Ausforschung der Onlinekommunikation der Bürger erlässt, kann man eine Verantwortung für Datenschutz und bürgerliche Freiheitsrechte absprechen". Auch die ärztliche Schweigepflicht sei für die Große Koalition kein schützenswertes Gut mehr, wie das neue Bundeskriminalamtgesetz zeige.

"Ärzte und Patienten brauchen keine zentralen Datenberge. Wir werden die ärztliche Schweigepflicht weiter verteidigen", betont die FÄ-Vizevorsitzende. Arztpraxen könnten jetzt erst einmal abwarten, bevor sie Verträge für Geräte abschließen, die noch nicht existieren.

Danach könne man die gesetzlich festgeschriebene Möglichkeit wahrnehmen, eine sogenannte Stand-alone-Lösung zu installieren, damit die Patientendaten in der Praxis geschützt blieben. Unverschämt findet Lüder auchdie Ankündigung, dass Ärzte, die ihre Schweigepflicht ernstnehmen und diese Lösung realisieren, finanziell bestraft werden sollen.