Anzeige

Gemeinschaftspraxis und Co.

Die Diskussion über Kooperationen und Fusionen oder schlichter ausgedrückt „Zusammenarbeit“ sind aktueller denn je – kaum ein Wirtschaftszweig, der sich in den letzten Jahren nicht diesen Bereichen geöffnet hätte. Erstaunlicherweise hat die Tendenz zur Zusammenarbeit im Heilberufssektor erst in jüngster Zeit verstärkt eingesetzt.

Die Zahnärzteschaft ist hierbei zudem weit zurückhaltender als die Humanmediziner. Dies könnte sich jedoch zukünftig ändern, die allgemeine Kostenentwicklung in den Praxen der niedergelassenen Zahnärzte dokumentiert die Notwendigkeit, über diese Thematik nachzudenken. Wie auch jüngste statistische Erhebungen zeigen, sind die Praxen niedergelassener Zahnärzte seit Jahren einem kontinuierlich steigenden Kostendruck ausgesetzt. Mit im Durchschnitt fast 70 Prozent vom Umsatz hat sich der Anteil der Betriebsausgaben an den Gesamteinnahmen auf hohem Niveau eingependelt. Eine weitere Facette in diesen Überlegungen sind die Liberalisierungen des Berufs- und Sozialrechts; die Bandbreite der Möglichkeiten ist vielfältiger und damit attraktiver geworden.

Formen zahnärztlicher Kooperation

Wer sich mit dem Themenbereich „Kooperation“ beschäftigt, stößt zunächst auf eine verwirrende Vielzahl von Begriffen, die zwar im weitläufigen Sinne alle eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit umschreiben, doch inhaltlich und bedeutungsmäßig selten das gleiche meinen. Wen wundert’s: auch die Heilberufstätigkeit eröffnet einen weiten Spielraum für Kooperation, angefangen von der klassischen gemeinschaftlichen Tätigkeit mit ihren verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten bis hin zu modernen Formen, wie sie sich etwa aus der neuen Berufsordnung und dem Sozialrecht, insb. dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz ergeben. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es sich bei den vorbenannten Normen um getrennte Rechtskreise handelt. Während sich die weitgehenden Liberalisierungen des Berufsrechts an den privatzahnärztlichen Leistungserbringer wenden, gelten die – oft restriktiveren – Vorschriften des Sozialrechts ergänzend für den Vertragszahnarzt.

1. Die Berufsausübungsgemeinschaft in Form der Gemeinschaftspraxis

Die Gemeinschaftspraxis ist die am weitesten verbreitete Form der gemeinschaftlichen Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit. Alle Partner der Gemeinschaftspraxis erbringen ihre Leistungen unter einer KZV-Abrechnungsnummer. Der Anspruch der Zahnärzte gegen die KZV, den Patienten oder gegen dessen Kasse steht nicht dem einzelnen Zahnarzt zu, sondern allen Partnern der Gemeinschaftspraxis. Die beteiligten Zahnärzte arbeiten betriebswirtschaftlich und steuerlich quasi in einen Topf, das Ergebnis wird untereinander aufgeteilt. Es muss also eine echte Mitunternehmerschaft von im sozialrechtlichen Sinne gleichberechtigten Zahnärzten vorliegen. Zu Beginn einer Gemeinschaftspraxisgründung findet sich meist der Fall, dass ein Zahnarzt einen Kollegen in seine Praxis aufnimmt und dieser sich zu einem Anteil in die Gesellschaft einkauft, woraufhin die Zahnärzte dann als gemeinsame Gesellschafter mit teils paritätischen, teils gestaffelten Gesellschaftsbeteiligungen auftreten.

Anders liegt der Fall, wenn sich zwei niederlassungswillige Kollegen zu Beginn ihrer Tätigkeit zusammenschließen. Ein Fall der Fusion liegt vor, wenn sich bereits niedergelassene Zahnärzte zu einer Gemeinschaftspraxis verbinden. Von den Bedingungen der Gründungssituation hängt häufig auch die Gewinnverteilung ab. Es macht einen Unterschied, ob zwei etablierte Zahnärzte eine Gemeinschaftspraxis gründen oder ob ein Berufsanfänger in eine etablierte Praxis einsteigt. Die Gewinnverteilung muss hierbei nicht analog den Beteiligungen am Praxisvermögen vorgenommen werden, sondern ist frei verhandelbar. Bei funktionierenden Praxen findet sich häufig eine leistungsorientierte Gewinnverteilung, welche die Gewinne anhand einer intern geführten Leistungsstatistik verteilt.

Das Zahnarztrecht sieht für die Gemeinschaftspraxis zwei zivilrechtliche Organisationsformen vor. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Partnerschaftsgesellschaft (PartGG). In der Regel wählen die Beteiligten die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dies ist zum einen historisch bedingt, das PartGG existiert erst seit 1995, zum anderen sind die Vorgaben zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts überschaubarer, so ist etwa eine Eintragung in das Partnerschaftsregister nicht in letzterem Fall entbehrlich. Der Unterschied liegt vor allem in der Frage der gemeinsamen Haftung. Im Haftungsfall gegenüber Dritten haftet jede Gemeinschaftspraxis gleich welcher Rechtsform zunächst mit dem Vermögen der Gesellschaft. Sodann folgt in beiden Fällen grundsätzlich die Haftung jedes Gesellschafters mit seinem Privatvermögen. Für die Partnerschaftsgesellschaft ist jedoch die Haftungskonzentration – anders als in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – auf den so genannten handelnden Partner bei Behandlungsfehlern die gesetzliche Regel.

Es haftet mit seinem Privatvermögen in der Partnerschaftsgesellschaft also nur derjenige, der mit der Auftragsabwicklung befasst war. Dieser Vorteil muss jedoch einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Er gilt nicht für die vertraglichen Verpflichtungen außerhalb des Behandlungsvertrages (zum Beispiel Lieferantenkredit, Regress etc.). Es verbleibt der Haftungsvorteil bei der fehlerhaften Berufsausübung, also dem Arzt haftungsfall. Zu bedenken bleibt jedoch, dass in einer zahnärztlichen Praxis regelmäßig die Gefahr des „Kunstfehlers“ über entsprechende Berufshaftpflichtversicherungen für jeden Behandler abgedeckt ist. Die Haftungskonzentration ist also im Normalfall ohne große praktische Bedeutung (vgl. Rieger, LdA, 2050 Rz. 21; Ratzel/Lippert,MuBO, S. 246).

Im Rahmen der neuen Rechtssprechung zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts droht jedoch bei einem Einstieg in eine bereits bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Haftung des „Junior-Partners“ auch für die Schulden der Vergangenheit. Dies wäre der Fall, wenn ein Zahnarzt in eine bereits bestehende Gemeinschaftspraxis als „Dritter“ eintritt. Hier liegt zumindest mit Blick auf die „Kunstfehler“ ein möglicher Vorteil der Partnerschaftsgesellschaft. Der Einsteiger würde dann in eine bereits bestehende Partnerschaftsgesellschaft eintreten mit der Folge, dass ihm für berufliche „Altfehler“ das Privileg der Haftungskonzentration gemäß Paragraf  8 Abs. 2 PartGG zustünde. Hinsichtlich der internen Ausgestaltung solcher Kooperationsabsprachen sei auf die umfassende Erörterung im Wirtschaftshandbuch Zahnarzt 2007 von Prof. Bicanski verwiesen.

1.1 Gemeinschaftspraxis ohne Kapitalbeteiligung

Wie oben dargelegt können die individuellen Verhältnisse der beteiligten Zahnärzte bei Beginn einer Gemeinschaftspraxis sehr unterschiedlich sein. Mitnichten wird sich in jedem Fall ein Kollege zu einem mehr oder weniger hohen Anteil in eine Praxis einkaufen. Bei Vorliegen berechtigter Interessen wird man gegen den Eintritt eines Partners ohne Kapitalbeteiligung rechtlich nichts einwenden können, sofern keine Umgehung der berufs-, zulassungs- und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften vorliegt. Eine Gleichberechtigung der Partner im Sinne des Sozialrechts liegt allerdings nur dann vor, wenn vertraglich gleiche Rechte und Pflichten der Teilhaber in Berufsausübung und Praxisführung vereinbart sind (ausführlich: Möller, MedR 1999, 493 ff.).

Das Schlagwort des „verkappten Angestellten“ bzw. der „Scheingemeinschaftspraxis“ ist in diesem Zusammenhang immer wieder zu hören. Konsens herrscht inzwischen dahingehend, dass eine Wertung sämtlicher Umstände vorzunehmen ist, die auch auf die tatsächlichen Lebensumstände der beteiligten Personen abstellt und den Vertragstext im Wege der Auslegung heranzieht. Nach § 95 SGB V muss der niedergelassene Mediziner die Verantwortung für die Behandlung der Patienten und die medizinischen Standards übernehmen. Hierbei geht das Gesetz davon aus, dass der Zahnarzt als Freiberufler unabhängig von sonstigen Interessen seine Entscheidungen trifft. Folgerichtig definiert § 32 Abs. 1 der Zahnärzte-ZV die vertragszahnärztliche Tätigkeit als eine Tätigkeit, die ,,persönlich in freier Praxis auszuüben ist“. Daraus folgt, dass der Status eines angestellten Zahnarztes hiervon strikt zu trennen ist. Hintergrund der Debatte um die „Scheinselbstständigkeit“ ist eine Entscheidung des Landgerichts Koblenz (Urteil 20.6.2001 – W 30 Js 29.806/99-9 KLS). Innerhalb dieses strafrechtlichen Verfahrens wurde ein niedergelassener Mediziner zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit entscheidungserheblich war eine nach Ansicht des Gerichts vorliegende Scheingemeinschaftspraxis. Nach Anhörung der vermeintlichen Gemeinschaftspraxispartner kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass diese nicht als Partner, sondern lediglich als Angestellte einzustufen waren. Hieraus folgte der weitere strafrechtliche Vorwurf, man habe falsche Quartalserklärungen abgegeben, denn es habe keine Gemeinschaftspraxis vorgelegen, sondern eine Praxis mit mehreren Angestellten. Anhaltspunkte für die Beurteilung dieses Lebenssachverhalts waren für das Gericht unter anderem, dass die Junioren am ideellen Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt waren, sie ein monatliches ,,Festgehalt“ erhielten und die Geschäftsführung nur vom Seniorpartner ausgeübt wurde und keinerlei Abfindungsansprüche für die Junioren beim Ausscheiden aus der Praxis vereinbart waren.

Stichworte: „Gemeinschaftspraxis“

  • umfassende gemeinsame Ausübung der zahnärztlichen Tätigkeit
  • gemeinsame Nutzung von Geräten, Räumen, Patientendatei und Personal
  • eine Abrechnungsnummer
  • gemeinsame Einnahmen und Ausgaben
  • Gewinnverteilung gem. privatautonomer Regelung
  • gesamtschuldnerische Haftung
  • Vertrag des Patienten kommt mit allen Partnern zustande
  • Genehmigungspflicht durch den Zulassungsausschuss

Stichworte: „Partnerschaftsgesellschaft“

  • Entspricht aus KZV-/Kammer-Sicht einer Gemeinschaftspraxis
  • Haftung für „Kunstfehler“ auf den Verursacher konzentrierbar
  • Vermeidung der Haftungsrisiken für nachträglich beitretende Zahnärzte
  • Eintragungspflicht in das Partnerschaftsregister beim Amtsgericht

1.2 Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft gemäß Paragraf 33 Abs. 2, 3 Zahnärzte-ZV

Seit dem 1. Januar 2007 ist die überörtliche gemeinsame Tätigkeit von Vertragszahnärzten in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft nach vorheriger Genehmigung durch den Zulassungsausschuss zulässig. Beweggrund für eine solche Gestaltung ist regelmäßig der Wunsch, neben seiner Stammpraxis auch an anderen Orten beziehungsweise in anderen Praxen tätig zu sein, etwa weil man über eine besondere Spezialisierung oder Befähigung verfügt. Ausnahmen von einem gemeinsamen Praxissitz waren vor Erlass des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes nur in sehr seltenen Fällen zulässig. Voraussetzung der jetzt erlaubten überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ist es, dass am jeweiligen Vertragszahnarztsitz mindestens ein Partner der Gemeinschaft hauptberuflich tätig ist und die Erfüllung der Versorgungspflicht des jeweiligen Mitglieds an seinem Vertragszahnarztsitz unter Berücksichtigung der Mitwirkung angestellter Zahnärzte in dem erforderlichen Umfang gewährleistet wird. Dies bedeutet, dass der Zahnarzt weiterhin an einem Stammsitz hauptberuflich tätig sein muss. Von daher sind weiterhin die allg. Vorgaben zur Präsenzpflicht zu beachten, das heißt, der Versorgungsauftrag am Stammsitz darf nicht beeinträchtigt werden (vgl. Dahm/Ratzel, MedR 2006, S. 555 ff.).

Der zum 1. Juli 2007 in Kraft getretene Bundesmantelvertrag für Zahnärzte definiert in Paragraf 6 Absatz 8, dass diese Voraussetzung nur gegeben ist, wenn die Tätigkeit in den Praxen der „überörtlichen“ Kollegen max. ein Drittel der Zeit ausfüllt, die der Vertragszahnarzt in seiner Stammpraxis tätig ist. Zu beachten ist gemäß Paragraf 6 Absatz 7 Bundesmantelvertrag auch, dass es sich hierbei um eine echte Mitunternehmerschaft mit Gewinn und Verlustrisiko handeln muss. Demnach ist Kern einer Berufsausübungsgemeinschaft der Wille zur gemeinsamen Berufsausübung in einer auf Dauer angelegten systematischen Kooperation. Vorzulegen ist grundsätzlich ein schriftlicher Kooperationsvertrag mit Einräumung von mehr oder minder gleichen Rechten. Verlangt wird zudem die Außenankündigung und das Vorliegen gemeinsamer Behandlungsverträge mit gemeinsamem Patientenstamm und entsprechender Abrechnung. Diese Anforderungen bezwecke vor allem eine Abgrenzung zur Praxisgemeinschaft. Diese Ansicht ist allerdings nicht unstrittig. So wird vertreten, dass es bei den überörtlichen Kooperationen nicht auf eine unmittelbare Patientenorientierung im Sinne einer gemeinsamen Tätigkeit aller beteiligten Heilberufler ankommt. Dies sei sogar die Ausnahme (vgl. Orlowski, VÄndG Chancen und Risiken, S. 49).

Solche überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften sind auch unter Einbeziehung von Vertragszahnarztsitzen in anderen KZV-Bezirken zulässig. Die Vertragszahnärzte haben in diesem Fall die KZV zu wählen, die maßgeblich für die Genehmigungsentscheidung der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ist. Dies gilt auch für die gesamte Leistungserbringung und damit auch die Abrechnung. An diese Wahl ist die Berufsausübungsgemeinschaft zwei Jahre gebunden.

Stichworte:„Überörtliche Gemeinschaftspraxis“

  • Gemeinsame Berufsausübung wie bei Gemeinschaftspraxis, aber mit unterschiedlichen Vertragszahnarztsitzen
  • Legale Möglichkeit der Leistungserbringung außerhalb der Stammpraxis
  • KZV übergreifend möglich
  • Tätigkeit in der Praxis des Partners zeitlich begrenzt (1/3-Lösung)
  • Ankündigung auf dem Praxisschild

1.3 Teilberufsausübungsgemeinschaft gemäß Paragraf 33 Absatz 2 S. 3 Zahnärzte-ZV

Seit Anfang 2007 ist auch für die Vertragszahnärzte eine gemeinsame Tätigkeit „bezogen auf einzelne Leistungen“ als Teilgemeinschaftspraxis zulässig. Eine umfassende gemeinsame Leistungserbringung ist also nicht mehr Voraussetzung einer Berufsausübungsgemeinschaft. Es reicht nunmehr aus, dass Teilbereiche des zahnärztlichen Spektrums gemeinsam erbracht werden. Auf diesem Wege könnten manche unzulässigen Gestaltungen legalisiert werden, in denen ein „Spezialist“ in der fremden Praxis tätig wurde und sodann ein interner Ausgleich der Honorare vorgenommen wurde. In der Regel hatten die Beteiligten bei diesen Gestaltungen nicht genügend beachtet, dass nach altem Recht eine Heilbehandlung im Umherziehen unzulässig war. Am Beispiel des Zahnarztes und des spezialisierten Implantologen wird man künftig die gemeinsame Behandlung als Teil-Gemeinschaftspraxis abrechnen können. Während das Setzten der Implantate auf den spezialisierten Implantologen entfällt, übernimmt der kooperierende Zahnarzt sowohl die konservierende und parodontologische Vorbehandlung als auch die prothetische Versorgung des Patienten. (vgl. Ries/Voß in ZWD 11/2006 S. 6 ff.)

Eine Gewinnverteilung würde sodann im Rahmen der an der Gesellschaft beteiligten Partner vorgenommen.Weiterhin gilt aber der allgemeine Grundsatz, wonach Gestaltungen unzulässig sind, die über diesen Umweg lediglich die Provisionierung einer Patientenüberweisung bezwecken. Es läge in diesem Falle eine verbotene Zuweisung gegen Entgelt vor (vgl. Paragraf 8 Abs. 5 MuBO-Z). Auch in der Teilberufsausübungsgemeinschaft ist sicherzustellen, dass die Erfüllung der Versorgungspflicht des jeweiligen Mitglieds an seinem Stammsitz in dem erforderlichen Umfang gewährleistet ist und eine Tätigkeit am Sitz des Partners nur in zeitlich begrenzten Umfange erfolgt.

Stichworte: „Teilberufsausübungsgemeinschaft“

  • Gemeinsame Berufsausübung bezogen lediglich auf einzelne Leistungen
  • Ortsübergreifend zulässig
  • Keine Umgehung des Kick Back-Verbotes
  • Zeitliche Präsenz am weiteren Ort begrenzt
     

2. Praxisgemeinschaft

Schließen sich zwei oder mehrere Zahnärzte lediglich zur gemeinschaftlichen Nutzung von Praxisräumen, Personal sowie apparativer und sonstiger Einrichtung – bei ansonsten eigenständiger Praxis – zusammen, spricht man von einer Praxisgemeinschaft. Hinsichtlich der zahnärztlichen Tätigkeit ist jeder Partner also weiterhin vollkommen eigenständig. Der Kontakt zum einzelnen Patienten liegt – abgesehen von Vertretungsfällen – individuell bei dem jeweiligen Zahnarzt. Er führt seine Krankenblätter und die Patientenkartei getrennt vom anderen Partner. Behandlungsverträge werden daher nicht mit der Praxisgemeinschaft getroffen, sondern mit dem jeweiligen Zahnarzt, welcher auch gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung mit seiner eigenen Abrechnungsnummer getrennt abrechnet. Einfacher ausgedrückt handelt es sich um mehrere Einzelpraxen, die aus Gründen der Kostenersparnis unter einem Dach tätig werden.

Wichtiger Regelungsgegenstand ist die Vereinbarung einer individuell angepassten Kostenaufteilung für den gemeinschaftlich organisierten Teil wie etwa Geräte, Einkauf und Personalpool etc. Wird nichts vereinbart, gilt die gesetzliche Regelung der Verteilung nach Köpfen, die dem unterschiedlichen Nutzungsgrad der gemeinschaftlichen Einrichtungen selten gerecht wird. Welche Umlageschlüssel die Praxisinhaber wählen sollten, hängt vom Einzelfall ab. Die einfachste Methode ist die Umlage über die genutzte Quadratmeterzahl, soweit Raum- bzw. Reinigungskosten einschlägig sind. Eine Umlage nach Patienten- oder Umsatzzahlen kann sich anbieten, wenn Personal-, Betriebskosten oder Kosten der medizinisch-technischen Ausstattung zu verteilen sind. Ratsam ist die Anwendung mehrerer Schlüssel, sofern nicht nahezu homogene Praxen vorliegen. Häufiger hört man auch von der Praxisgemeinschaft mit reinem Nutzungsüberlassungs-Charakter.

Ein Zahnarzt nutzt die komplett ausgestattete Praxis des anderen Kollegen gegen Entgelt mit. Aus Sicht der beteiligten Zahnärzte kann eine solche Vereinbarung durchaus interessant sein, da Nutzungsüberlassungsverträge mit umsatzabhängigem Entgelt zu einer Reduzierung der jeweiligen Fixkosten führen können, verbunden mit einer starken Reduzierung der Investitionskosten. Die zum Teil verlautbarten kritischen Äußerungen gegen die rechtliche Zulässigkeit solcher umsatzabhängigen Nutzungsentgelte dürften bei Beachtung der arztrechtlichen Vorgaben nicht einschlägig sein. Schon im Grundsatzurteil vom 16. März 1973 (vgl. BSG 6 RKa 23/71-BSGE 35, 247) stellte das BSG fest, dass die Niederlassung in eigener Praxis die Verfügungsgewalt als Eigentümer nicht voraussetzt.

2.1 Apparategemeinschaft

Bei der Apparategemeinschaft beschränkt sich der Gesellschaftszweck auf die Nutzung und Verwaltung medizinisch technischer Geräte. Es geht also um die Nutzung von betriebswirtschaftlichen Synergien. Die Apparategemeinschaft kann daher als eine (reduzierte) Ausgestaltung der Praxisgemeinschaft angesehen werden.

2.2 Praxislaborgemeinschaft

Hierbei handelt es sich um den Zusammenschluss mehrerer Zahnärzte zur Durchführung der Zahntechnik vermittels angestellter Zahntechniker in einem gemeinsam betriebenen Praxislabor. Die beschäftigten Zahntechniker sollten jeweils bei einem der Gesellschafter angestellt sein. Auch eine Teilzeitbeschäftigung bei mehreren Gesellschaftern ist möglich (vgl. LSG Schleswig-Holstein vom 7. Juni 1994; Az: L 6 Ka 25/93). Das Labor wird gemeinsam genutzt und die entstehenden Kosten werden entsprechend der jeweiligen Inanspruchnahme des Labors auf die Beteiligten umgelegt. Seitens des jeweiligen Zahnarztes werden die in Auftrag gegebenen Laborleistungen unmittelbar mit seinen Patienten abgerechnet. Es geht also auch hier vorrangig um die Nutzung von Kosteneinspareffekten. Auch die Praxislaborgemeinschaft ist eine Unterform der Praxisgemeinschaft. Eine Rechtsbeziehung zwischen Patient und Laborgemeinschaft entsteht nicht.

Stichworte: „Praxisgemeinschaft“

  • Gemeinschaftliche Nutzung von Praxisräumen, Personal oder/und apparativer und sonstiger Einrichtungen
  • Getrennte Nutzungs- und Zugriffsmöglichkeiten hinsichtlich Patientenstamm und Abrechnung
  • Keine Genehmigungspflicht durch die KZV; es besteht lediglich Anzeigepflicht
  • Gemeinsame Haftung ist beschränkt auf den Zweck der Gesellschaft
  • Kostenverteilungsschlüssel sollten genau geplant sein
     

3. Die Heilkunde-GmbH

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Ende 1993 in letzter Instanz entschieden, dass eine Zahnheilkunde(Praxis)-GmbH mit angestellten Zahnärzten zulässig ist (BGH NJW 1994, 786). Der BGH begründete dies unter anderem damit, dass es keine gesetzliche Bestimmung gebe, die es verböte, dass innerhalb einer GmbH, die keine Krankenanstalt oder dergleichen im Sinne des Paragraf 30 GewO betreibe, durch approbierte Zahnärzte ambulante Zahnheilkunde ausgeübt werde. Gleichzeitig hat der BGH allerdings deutlich gemacht, dass diese Tätigkeit nicht dazu führen darf, dass die Weisungsgebundenheit des Zahnarztes in fachlichen Fragen unterlaufen werde. Hierdurch werde das Schutzbedürfnis des Patienten vor einer Einflussnahme durch Nichtzahnärzte auf spezifisch zahnärztliche Entscheidungen geschützt. Das Berufsrecht sieht in Paragraf 16 der Musterberufsordnung seit 2005 vor, dass Zahnärzte ihren Beruf einzeln oder gemeinsam in allen für den Zahnarztberuf zulässigen Gesellschaftsformen ausüben können. Die eigenverantwortliche, medizinisch unabhängige sowie nicht gewerbliche Berufsausübung muss hierbei gewährleistet sein.

Entscheidend für die Frage der Zulässigkeit einer Praxis in Form einer juristischen Person ist indes die jeweilige Regelung der Kammer auf Landesebene. Die meisten Landesberufsordnungen haben den Wortlaut der Musterberufsordnung übernommen. Andere Berufsordnungen und Heilberufsgesetze wie etwa in den Ländern Brandenburg und Sachsen gehen weiter. Dort heißt es zum Beipiel in Sachsen in Paragraf 18 Absatz 2 sinngemäß: Wird als Gesellschaftsform eine juristische Person gewählt, so hat deren Satzung besondere Standards zu erfüllen. Im Weiteren wird dann ausgeführt, dass Gesellschafter einer solchen Gesellschaft nur Angehörige der Heilberufekammern untereinander oder selbstständig tätige und zur eigenverantwortlichen Berufsausübung berechtigte Angehörige anderer Heilberufe, andere Naturwissenschaftler im Gesundheitswesen, Angehörige der staatlich geregelten Gesundheitsberufe und der sozialpädagogischen Berufe sein können. Auch ist geregelt, dass die Gesellschafter in der Gesellschaft beruflich tätig sein müssen und Dritte nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sein dürfen (vgl. Michels/Möller, Ärztliche Kooperationen S. 166).

Es ist zu beachten, dass die Regelungen im Bereich des Berufsrechts nicht automatisch die Zulässigkeit auch für den vertragszahnärztlichen Bereich bedeuten. Neu hinzugekommen ist für den vertragszahnärztlichen Bereich durch die Gesundheitsreform 2004 das medizinische Versorgungszentrum und die damit zusammenhängende Frage der Rechtsform. In § 95 Abs. 1 SGB V heißt es nunmehr: „An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen teil. Die medizinischen Versorgungszentren können sich gem. Bundesrecht aller zulässigen Organisationsformen bedienen; sie können von den Leistungserbringern, die auf Grund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung der Versicherten teilnehmen, gegründet werden.“ Damit hat der Bundesgesetzgeber festgestellt, dass auch im Vertragszahnarztrecht die „juristische Person“ zulässig ist soweit es sich um ein med. Versorgungszentrum handelt (vgl. Ratzel/Luxemburger, Handbuch Medizinrecht – Möller, Paragraf 15 Rdnr. 313). Diese neue Form der Leistungserbringung wird ausführlich weiter unten beschrieben.

Stichworte: Heilkunde-GmbH

  • Rechtform der juristischen Person ist grundsätzlich zulässig für Zahnärzte
  • Das Berufsrecht stellt auf die „zulässigen“ Rechtsformen ab
  • Das Sozialrecht erlaubt die juristische Person nur im Falle des medizinischen Versorgungszentrums
  •  

4. Kosten-GmbH

Von der echten „Heilberufler GmbH“ zu trennen ist die so genannte „Kosten-GmbH“. Dort wird der Gesamtbereich der Zahnarztpraxis in zwei Sektoren aufgeteilt: Neben dem rein medizinischen Bereich tritt der kaufmännisch-unternehmerische Bereich. Nur dieser letztere Bereich wird in der Rechtsform der GmbH betrieben. Der Zahnarzt agiert weiter in freier Praxis entweder als Einzelpraxis oder in Form der Berufsausübungsgemeinschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. Partnerschaftsgesellschaft). Die Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung bleibt von der GmbH unberührt, weshalb die üblichen Abrechnungsmöglichkeiten erhalten bleiben. Der Fall liegt also ganz anders als beim medizinischen Versorgungszentrum. Dort geht es gerade um den Bereich der medizinischen Leistungserbringung als juristische Person. Die Kosten-GmbH vermietet nur das Praxisinventar, etwa die medizinisch- technische Ausstattung sowie die Räumlichkeiten, und übernimmt den gesamten verwaltungstechnischen Apparat, soweit datenschutzrechtlich zulässig. Hierbei können auch die Helferinnen oder der Ehepartner statt in der Zahnarztpraxis in der GmbH angestellt werden. Auch hier tritt die Abweichung von einem medizinischen Versorgungszentrum hervor. Während im MVZ nur Leistungserbringer in der gesetzlichen Krankenversicherung Gesellschafterpositionen innehalten können, steht die Betreibergesellschaft jedwedem Personenkreis offen.

Auf diese Art und Weise wird der gesamte wirtschaftlich-unternehmerische Teil in die Kosten-GmbH verlagert, die dann ihrerseits die Leistungen den Praxen entgeltlich zur Verfügung stellt. Im Grunde handelt es sich also um eine besondere Form, die die medizinische Leistungserbringung von der organisatorischen technischen Komponente trennt. Letzterer Teil wird in die Betriebsgesellschaft verlagert. Der Zahnarzt haftet weiter als behandelnder Zahnarzt persönlich. An der Frage der persönlichen Haftung für Fehler in der Berufsausübung ändert sich durch die Angliederung der Kosten-GmbH nichts.

Stichworte: „Kosten-GmbH“

  • Die GmbH tritt außerhalb der zahnärztlichen Leistungserbringung auf
  • Aufteilung in medizinischen und verwaltenden Bereich
  • Beteiligung Dritter nichtheilberuflicher Personen möglich
  • Kein Haftungsvorteil im Bereich der zahnärztlichen Leistungserbringung

5. Gesundheitszentrum (Zentrum für Gesundheitsversorgung)

Hinter der Wortwahl „Gesundheitszentrum“ verbirgt sich eine Vielzahl denkbarer Formen der gemeinsamen zahnärztlichen und nichtzahnärztlichen Kooperationen, häufig im Zusammenwirken mit anderen Heilberuflern. Im ersten Entwurf des Gesundheitsreformgesetzes wurde dieser Begriff noch für die späteren medizinischen Versorgungszentren verwandt. Dieser Passus hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Zweck solcher Konstruktionen ist regelmäßig ein interdisziplinäres Zusammenwirken von Zahnärzten, Heilhilfsberufen und Ärzten. Man könnte das Gesundheitszentrum auch als ein größeres und im Leistungsspektrum breiteres Ärztehaus bezeichnen, ggf. unter Berücksichtigung von Heilhilfsberufen, Krankengymnasten, Pflegeberufen etc. bis hin zu Sanitätshäusern und Wellness-Bereichen.

Die teilnehmenden Leistungserbringer sind im Gegensatz zum medizinischen Versorgungszentrum (Anstellungsvariante) weiterhin freiberuflich tätig. Regelmäßig finden sich eine Träger- bzw. Besitzgesellschaft (s. o.: Kosten-GmbH), die neben der infrastrukturellen Administration evtl. auch die Sachinvestitionen in die Immobilie vornehmen kann. Es bietet sich für die teilnehmenden Zahnärzte an, neben ihrer zahnärztlichen Tätigkeit parallel gesellschaftsrechtlich in diesen Trägergesellschaften präsent zu sein. So bleibt der Vermögenszuwachs der „Gesundheitsimmobilie“ in der Zahnärzteschaft und nicht bei gewerblichen Dritten. Die apoKom, ein Tochterunternehmen der Apotheker- und Ärztebank, hat in diesem Zusammenhang fokussierend den Begriff des „Zentrums für Gesundheitsversorgung“ geprägt.

Sie sieht in einer räumlich konzentrierten Kooperationsform, also der standortverknüpften Agglomeration von Praxen und Heilhilfsberufen, große Optimierungseffekte für die heilberufliche Zusammenarbeit. So lassen sich wesentliche Elemente im unternehmerischen Umfeld, wie sie mit einem medizinischen Versorgungszentrum erzielbar sind, auch über andere Kooperationsmodelle wie eben das so genannte Zentrum für Gesundheitsversorgung darstellen. Selektive Kooperation bei Erhalt der eigenen größtmöglichen Souveränität, so könnte man dieses Konzept auch nennen. Die technische Bandbreite der Kooperation geht von gemeinsam genutzter Fläche und Infrastruktur bis hin zu Personal- und Gerätepools. Allein durch die Flächenreduktion und Prozessoptimierung können erhebliche Einspareffekte erzielt werden. Über diesen Aspekt hinaus umspannt jedoch die gemeinsame Tätigkeit zudem ein tragfähiges Nutzungs- und Angebotskonzept, dass die Notwendigkeiten einer (gesundheits-)ökonomischen Optimierung in der ambulanten Medizin berücksichtigt. Der Zahnarzt rundet in solchen, meist von Humanmedizinern initiierten Zentren häufig die Angebotspalette ab.

Stichworte: „Gesundheitszentrum“

  • Räumlich konzentrierte Kooperation ohne Zusammenschluss als Berufsausübungsgemeinschaft
  • Getrennte zahn(ärzt)liche Zulassungen je Leistungserbringer
  • Kombination mit Heilhilfsberufen, Apotheken, Wellness etc.
  • Häufig gepaart mit GmbH Betreibergesellschaft
     

6. Medizinische Versorgungszentren (MVZ)

Nachdem der Bundestag im September 2003 das Gesundheitsmodernisierungsgesetz beschlossen hat, sind ab 1. Januar 2004 u. a. die MVZs zulässige Leistungserbringer. Paragraf 95 Absatz 1 SGB V sieht vor, dass neben den Vertragsärzten künftig auch MVZ gleichberechtigt als zugelassene Leistungserbringer an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Sinngemäß heißt es in Paragraf 95 Absatz 1 SGB V: „An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Eine Einrichtung nach Satz 2 ist dann fachübergreifend, wenn in ihr Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind. Die medizinischen Versorgungszentren können sich aller zulässigen Organisationsformen bedienen; sie können von den Leistungserbringern, die auf Grund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung der Versicherten teilnehmen, gegründet werden. Die Zulassung des Zentrums erfolgt für den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).“ Träger der Zulassung ist also das MVZ selbst, nicht etwa die dort angestellten Ärzte/Zahnärzte. Für MVZs sind drei Grundkonstellationen denkbar. Vom Gesetzgeber wohl ursprünglich als alleiniges Ziel verfolgt, war das reine Angestellten-MVZ. Damit kommt das MVZ in dieser Ausprägung den Polikliniken beziehungsweise Einrichtungen nach Paragraf 311 II, 1 SGB V tatsächlich sehr nahe. Eine weitere denkbare Form ist die „Freiberuflervariante“. Dort sind ausschließlich Freiberufler unter dem Dach des MVZ tätig. Zuletzt kommt eine Mischform in Betracht, nämlich das MVZ bestehend aus angestellten Zahnärzten und Vertragszahnärzten (Dahm, Möller, Ratzel, Rechtshandbuch MVZ, S. 56 ff.).

6.1 Anwendbarkeit für Zahnärzte

Zunächst stellt sich mit Blick auf den obigen Gesetzeswortlaut die Frage, inwieweit die Vorgaben auch für die Bereiche der Zahnmedizin Anwendung finden. Paragraf 1 Absatz 3 ZV-Z ist insoweit eindeutig, als es dort heißt: „Diese Verordnung gilt für medizinische Versorgungszentren und die dort angestellten Zahnärzte entsprechend.“ Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Rechtsfolgenverweisung mit Blick auf die Anwendbarkeit der Zulassungsverordnung. Die vertragszahnärztliche Tätigkeit ist daher grundsätzlich auch mit der Form eines MVZ kompatibel (ausführlich und im Grundsatz bejahend: Ziermann, Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung, MedR 2004, S. 540 ff., bejahend: Dahm, Möller, Ratzel, Rechtshandbuch MVZ, S. 30 ff.).

6.2 Fachübergreifende Tätigkeit

Weitere Voraussetzung für ein MVZ ist dessen fachübergreifende Tätigkeit im Sinne des Leistungsangebotes. Dies darf nicht verwechselt werden mit der Gesellschafterstruktur innerhalb der Gründungs- bzw. Trägergesellschaft. Dort reicht ein Gründer, also etwa ein Arzt, Krankenhaus, Apotheker oder eben auch ein Zahnarzt aus. Fachübergreifendes Handeln auf Ebene der Leistungserbringer bedeutet, dass eine Einrichtung dann fachübergreifend ist, wenn in ihr Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind. Insofern stellt sich die Frage, ob eine Ausübung der Zahnmedizin überhaupt in diesem Sinne „fachübergreifend“ sein kann. Bislang wird die Meinung vertreten, dass ein reines Zahnärzte- MVZ mangels des Kriteriums „fachübergreifend“ nicht zulässig sei, da ein allgemein tätiger Zahnarzt gem. den berufsrechtlichen Bestimmungen berechtigt ist, alle zahnmedizinischen Leistungen zu erbringen.

Eine Weiterbildung führe nicht dazu, dass diese Bereiche exklusiv nur den Absolventen vorbehalten bleiben, auch gehe mit einer Weiterbildung nicht eine grundsätzliche Begrenzung auf die Leistungen des Fachgebietes einher. Selbst bei einem Abstellen auf die verschiedenen Fachgebietsbezeichnungen, z. B. Kooperation von allgemein tätigen Zahnarzt, Kieferorthopäden, MKG- Chirurgen und Oralchirurgen, stehe dies im Widerspruch zu den Überlegungen des Gesetzgebers (so noch: Schallen, Zahnärzte- ZV, 4 Aufl., Rdnr. 388, vgl. auch [im Ergebnis offen lassend] LSG Baden-Württemberg v. 26.6.2007, Az. L 5 KA 2542/07 ER – B).

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit liege im Falle der Zahnärzte nicht vor, das Leistungsspektrum eines zahnärztlichen MVZ könne daher nicht größer sein als dasjenige eines der in ihm tätigen Leistungserbringer alleine (vgl. Ziermann, MedR 2004, S. 540, 543). Fraglich ist, ob diese Sichtweise auch nach Erlass des VÄndG, insbesondere nach dem neuen § 95 SGB V, und dessen Konkretisierung des Merkmals „fachübergreifende Tätigkeit“ als „schwerpunktübergreifende Tätigkeit“ weiterhin Bestand hat. Allgemein versteht man unter einer Schwerpunktbezeichnung den Nachweis des Erwerbes besonderer Kenntnisse und Erfahrungen zusätzlich zur Weiterbildung im Gebiet (Rieger, Lexikon des Arztrechts, Ziff.: 4780, Hespeler).

Im ärztlichen Bereich, auf dessen Definitionen der Gesetzgeber zurückgreift, versteht man darunter also Zusätze zu einer Facharztbezeichnung. Die Begründung des Gesetzgebers zum neuen Paragraf 95 SGB V führt aus, dass – ausgehend von den Definitionen der Muster- Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer – alle möglichen Kombinationen verschiedener Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen das Tatbestandsmerkmal „fachübergreifend“ erfüllen. Auf die Regelungen der MWBO-Ä wird explizit verwiesen, um den Zulassungsausschüssen die Anwendungspraxis zu erleichtern. Die MWBO-Ä sieht für einige Facharztbereiche Schwerpunktbezeichnungen vor, mit denen eine entsprechende Schwerpunktkompetenz nachgewiesen werden kann.

Im zahnärztlichen Bereich sieht die Musterweiterbildungsordnung das Führen von Gebietsbezeichnungen nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung vor. Es wird daher auch vertreten, dass der Begriff der Schwerpunktbezeichnung im zahnärztlichen Bereich nicht einschlägig sei. Eine Analogie sei mithin nicht zulässig. Soweit ersichtlich tendiert die Literatur aufgrund der Neudefinition des Merkmals „fachübergreifend“ zu einer Zulässigkeit von reinen Zahnärzte-MVZ (Ratzel/Luxemburger, Handbuch Medizinrecht-Möller Paragraf 8 Rdnr. 31 ff., S. 1 ff.; Riess/Voß ebd. 12/2006 S. 1 ff., Steinbrück, Journalmed 06/2006).

Schallen geht in der 5. Auflage ebenfalls von der Zulässigkeit eines MVZ, bestehend aus Zahnarzt, KFO oder Oralchirurg, aus. KFO und Oralchirurgie seien entsprechende Facharztbezeichnungen und deren Inhaber erbringen schwerpunktmäßig unterschiedliche zahnärztliche Leistungen (Schallen Zahnärzte-ZV, Rdnr. 429). Auch die Stellungnahmen aus der Zeit vor dem VÄndG kommen teilweise zu diesem Ergebnis mit der Begründung, die Erfassung als „eine“ zahnärztliche Gruppe sei zu eng (Dahm, Möller, Ratzel, Rechtshandbuch MVZ, S. 42; Tettinger, GesR 2004, S. 450; Quaas/Zuck,Medizinrecht 1. Aufl. S. 704). Anderslautend sind jedoch weiterhin die Stellungnahmen der KZBV und der inzwischen vorliegenden Rechtsprechung zum einstweiligen Rechtsschutz (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.6.2007, Az. L 5 KA 2542/07).

Im zugrundeliegenden Antragsverfahren der Zahnärzte argumentierte der Zulassungsausschuss, dass eine fachübergreifende Tätigkeit in Bezug auf Kieferorthopäden und Allgemeinzahnärzte nicht gegeben sei, da die Zahnärzte auch kieferorthopädische Leistungen erbringen dürfen. Anders noch hatte die Vorinstanz entschieden, da die unterschiedlichen Gebietsbezeichnungen der Weiterbildungsordnung für Zahnärzte mit den Schwerpunktbezeichnungen im Bereich der Humanmedizin vergleichbar seien (Sozialgericht Stuttgart Beschluss vom 26.4.2007, Az. S 10 KA 2895/07). Im LSG-Verfahren kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass im Gesetzestext nicht von den Gebietsbezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung der Zahnärzte die Rede sei, sondern nur von den Fachärzten bzw. Schwerpunktbezeichnungen der Ärzte nach der Weiterbildungsordnung der Ärzte. Von daher sei unklar, ob gegebenenfalls der Gesetzgeber sich im weiteren Verlauf nicht doch gegen zahnärztliche Versorgungszentren entschieden hat. Wie die Angelegenheit in der Hauptsache ausgeht, ist weiter offen.

6.3 Zusammenarbeit von Ärzten und Zahnärzten

Davon abzugrenzen ist die Frage, ob die Zusammenarbeit von Ärzten und Zahnärzten in einem MVZ zulässig ist. Der Gesetzgeber vertritt die Auffassung, dass das Kriterium „fachübergreifend“ nicht mehr nur arzt- bzw. zahnarztbezogen gesehen werden darf (Orlowski, VÄndG Chancen und Risiken, S. 88). Humanmedizinische und zahnmedizinische Leistungen im MVZ werden daher überwiegend als zulässig und fachübergreifend angesehen (vgl. Orlowski, ebd. S. 92; Rieger, Lexikon des Arztrechts, Ziff. 3585, Rdnr. 25-Rau; Ziermann, MedR 2004, S. 540, 543, Lindenau, GesR 2004, 494 ff.). Für die Anstellungsverhältnisse weist der neue Paragraf 33 Absatz 2 Zahnärzte-ZV ausdrücklich darauf hin, dass das Beschäftigungsverbot von Ärzten und Zahnärzten für MVZ nicht gilt. Die Gesetzesbegründung weist besonders auf die Möglichkeit von so genannten Kopfzentren hin. D. h., in einem solchen MVZ können sowohl medizinische als auch zahnmedizinische Leistungen erbracht werden. Betroffen sind also der ärztliche und der zahnärztliche Zulassungsausschuss. Schallen weist jedoch zu Recht darauf hin, dass jeder Leistungserbringer weiterhin auf seinen jeweiligen Versorgungsbereich beschränkt ist (vgl. Schallen, Zahnärzte-ZV, Rdnr. 1137). Orlowski vertritt die Ansicht, dass auch ein MVZ mit nur einem Arzt und Zahnarzt zulässig ist (vgl. Orlowski VÄndG – Chancen und Risiken, S. 12).

Stichworte:„Medizinische Versorgungszentren“

  • Zahnärzte können als Gründer auftreten
  • Fachübergreifende bzw. schwerpunktübergreifende Leistungserbringung unter einer Abrechnungsnummer notwendig
  • Reines Zahnärzte-MVZ strittig
  • Zahnärzte-/Humanmediziner-MVZ zulässig (Kopf-Zentrum)
  • Rechtsform der GmbH, AG. Ltd. zulässig

aus: Erfolgreiche Gründung und Übernahme einer Zahnarztpraxis (zfv 2008)