Oralmedizin kompakt – Kurz-Empfehlungen
Leitlinie Okklusionsschienen der DGFDT, ohne präprothetische Maßnahmen
Unter dem Begriff Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) werden Schmerzen und funktionelle Probleme in Kiefermuskulatur, Kiefergelenken und angrenzendem Gesichtsbereich zusammengefasst [1, 2]. Als explorative Einzelmaßnahme oder im interdisziplinären Ansatz können therapeutisch unterschiedliche Okklusionsschienen zum Einsatz kommen. Deren Wirkung wird unter anderem auf neuromuskuläre Trainingseffekte, Entlastung der Kiefergelenke und Placebo zurückgeführt.
A. Allgemeine Empfehlungen
- Diagnostisch bedeutsam sind neben somatischen Befunden Risikofaktoren wie Stress oder Depressivität sowie Schwere und Verlauf der Symptomatik.*
- CMD-Beschwerden lassen sich in vielen Fällen durch Entspannung, Eigenübungen, Physio- oder Psychotherapie heilen oder lindern.
- Okklusionsschienen können im Ober- und Unterkiefer eingesetzt werden, abhängig von Restzahnbestand und Patientenpräferenz, aber nicht vor dem 16. Lebensjahr.
- Als Materialempfehlung gilt bei mehr als einem Monat Tragedauer harter Kunststoff.
- Schienen sollten bei mehr als einmonatiger Anwendung alle Zähne abdecken und im kaukrafttragenden Bereich voll abgestützt sein. Details zur Gestaltung der einzelnen Schienentypen enthält die Leitlinie.
- Unerwünschte Wirkungen hängen von Schienentyp und Tragedauer ab.
B. Relaxierungsschienen (Michigan)
- Indikationen: Kaumuskel- und Kiefergelenkschmerzen sowie Bruxismus
- Tragedauer (1): Indikations- und Beschwerde-abhängig nachts, tagsüber oder ganztägig
- Tragedauer (2): Wenige Wochen oder langzeitig (Jahre)
- Behandlungsziele: Schmerzlinderung durch Entlastung von Kaumuskulatur und Kiefergelenken, modifiziertes Funktionsmuster, Schutz vor Abrasion
C. Reflexschienen
- Indikationen: zeitlich begrenzte oder initiale Therapie muskelbedingter (myogener) Funktionsstörungen, „Aufhebung der Okklusion bei okklusaler Instabilität“
- Nur bei guter Adhärenz und engmaschigem Kontrollintervall indiziert
- Tragedauer: wenige Wochen
- Ziel: Reduktion der Muskelaktivität bei CMD-Patienten mit Bruxismus, vor allem Kieferpressen
D. Positionierungsschienen
- Indikationen: schmerzhafte Diskusverlagerung mit oder ohne Bewegungseinschränkung (intermittierende Kieferklemme), entzündliche Funktionsstörungen im Kiefergelenk (zum Beispiel Synovitis)
- Strenge Indikation wegen möglicher Nebenwirkungen (posterior offener Biss)
- Tragedauer: ganztägig, außer beim Essen und Zähneputzen; nach bis zu sechs Monaten absetzbar, falls Kieferrelation nicht irreversibel verändert
- Ziel: Schmerzreduktion über Positionsänderung und Entlastung des Kiefergelenks (Diskus-Kondylus-Komplex)
- Nachfolgende restaurative Maßnahmen „nur in seltenen Fällen indiziert“
E. Konfektionierte weiche Schienen
- Indikation: Sofortbehandlung und temporäre Schmerzlinderung „bis zum Einsatz diagnosespezifischer Therapiemittel“
Dr. Jan H. Koch, Freising
* Klinische Befundbögen der DGFDT sind online erhältlich bei der DGFDT oder über eine kommerzielle Software-Suite: dentaconcept.de/Software/CMDfact.shtml
Hinweis: Kurz-Empfehlungen in der Rubrik Oralmedizin kompakt sind keine offiziellen Publikationen von Fachgesellschaften. Es handelt sich um Beiträge mit fachjournalistischer Auswahl von Inhalten und ohne die in Leitlinien vorgegebene methodische Stringenz.
Konzept und Methodik
Die für diese Kurzübersicht verwendete Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) richtet sich an „Zahnärzte aller Fachrichtungen und Spezialisierungen“ sowie an Fachärzte unter anderem für Schmerztherapie und Schlafmedizin [1]. Weitere Leitlinien der DGFDT und eine Übersichtsseite des US-amerikanischen National Institute of Health zu CMD können über die Links abgerufen werden.
Literatur
[1] DGFDT, DGZMK 2024. Okklusionsschienen zur Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen und zur präprothetischen Therapie. S2k-Leitlinie. AWMF-Registernummer: 083-051. Gültig bis: Februar 2029
[2] National Academy of Sciences Engineering and Medicine. Temporomandibular Disorders. Priorities for Research and Care. 2020.
Titelbild: stylefoto24 – stock.adobe.com
Dr. Jan H. Koch
Dr. med. dent. Jan H. Koch ist approbierter Zahnarzt mit mehreren Jahren Berufserfahrung in Praxis und Hochschule. Seit dem Jahr 2000 ist er als freier Fachjournalist und Berater tätig. Arbeitsschwerpunkte sind Falldarstellungen, Veranstaltungsberichte und Pressetexte, für Dentalindustrie, Medien und Verbände. Seit 2013 schreibt Dr. Koch als fester freier Mitarbeiter für die dzw und ihre Fachmagazine, unter anderem die Kolumne Oralmedizin kompakt.