In einer für zahllose BAG-Verträge mit Juniorpartnern nachteiligen Entscheidung hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 23.11.2016; Az.: L 5 R 1176/15) die Anforderungen an Gesellschaftsverträge mit sogenannten Juniorpartnern weiter verschärft.
Der Entscheidung lag ein „typischer“ Gesellschaftsvertrag zwischen einem Praxisinhaber und einem sogenannten Juniorpartner zugrunde, in dem für die Praxis nicht unübliche Regelungen getroffen wurden.
Im Wesentlichen war der Juniorpartner mit 30 Prozent an seinen Honorarumsätzen beteiligt. Dafür zahlte der Seniorpartner, dem die Praxis gehörte, sämtliche Betriebsausgaben. Die Vertretung der Gesellschaft stand beiden Gesellschaftern allein zu, wobei bestimmte, im Vertrag genannte Rechtsgeschäfte der Zustimmung des Seniorpartners bedurften. Dazu gehörten Rechtsgeschäfte, welche die Gesellschaft über einen Betrag von 2.500 Euro hinaus im Einzelfall verpflichteten, ferner solche Geschäfte, die über den normalen Geschäftsbetrieb hinausgingen. Nach dem Gesellschaftsvertrag nahm der Seniorpartner die Kassenabrechnung allein wahr. Im Falle einer Kündigung schied stets der Juniorpartner aus der BAG aus. Im Falle einer Krankheit konnte nur der Seniorpartner nach einem Zeitraum von mehr als sechs Wochen verlangen, dass eine Vertretung eingestellt wurde.
Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht, welches im Berufungsverfahren tätig wurde, stuften diesen Vertrag als einen Angestelltenvertrag ein und verurteilten daraufhin den Seniorpartner zur Zahlung von Sozialabgaben.
Der Autor dieses Beitrags, Rechtsanwalt und Notar Frank Ihde (Jahrgang 1954), ist seit fast 25 Jahren praktizierender Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Arzt- und Medizinrechts. Neben seiner Tätigkeit als Anwalt in der Kanzlei Ihde & Coll. in Hannover (www.ihde-coll.de) hat er jahrelange Erfahrungen als Justiziar eines Berufsverbands im Gesundheitswesen im Umgang mit Krankenkassen und auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts gesammelt. Seit 1996 hat er sich auf dem Gebiet des Zahnarztrechts durch viele Publikationen und Seminare einen Namen gemacht. Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein sowie seit 2004 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V. Die Notarbestellung erfolgte im Jahr 2002.
Urteilsbegründung
In der Urteilsbegründung wurden folgende Aspekte zur Begründung der Scheinselbständigkeit des Juniorpartners hervorgehoben, wobei das LSG zu seiner aus Sicht des Seniorpartners negativen Entscheidung durch eine Gesamtabwägung gekommen ist.
1. Nachteilig für den alteingesessenen Zahnarzt war zunächst, dass sich seine Praxiseinrichtung im Sonderbetriebsvermögen befand und der Juniorpartner diese ohne Kostenbeteiligung nutzen konnte. Problematisch an der Begründung des LSG ist hier bereits, dass gar nicht untersucht wird, ob mit der Überlassung von 70 Prozent der eigenen Honorarumsätze nicht auch ein konkretes Nutzungsentgelt für die Praxis enthalten ist. Das LSG geht insoweit – rechtlich bedenklich – davon aus, dass der Juniorpartner überhaupt kein Nutzungsentgelt bezahlt.
2. Negativ für den Seniorpartner wurde bewertet, dass dieser nach dem Vertrag die Abrechnung mit den gesetzlichen, aber auch privaten Krankenversicherungen allein vornahm. Daraus wurde geschlussfolgert, dass der Juniorpartner nicht als selbstständiger Dienstleister in Erscheinung getreten ist.
Dabei wird allerdings übersehen, dass sich die Abrechnung der BAG im Außenverhältnis stets als solche der Gesellschaft und nicht als die eines einzelnen Zahnarztes darstellt. Genauso ist übersehen worden, dass Behandlungsverträge in der Regel von der Gesellschaft und nicht von einzelnen Zahnärzten abgeschlossen werden.
Auch die im Gesellschaftsvertrag geregelte Alleinvertretungsberechtigung wurde nur als schwaches Argument für die freie Stellung des Juniorpartners bewertet, weil dieser bei bestimmten Rechtsgeschäften im Innenverhältnis die Zustimmung des Seniorpartners einholen musste. Um dieses Argument zu eliminieren, ist es ratsam, in den Verträgen Einschränkungen der Einzelvertretungsmacht zu unterlassen, oder von vornherein nur eine gemeinschaftliche Geschäftsführung und -vertretung vorzusehen.
3. Negativ für den Seniorpartner war ferner, dass für den Fall der Erkrankung das Recht zur Bestellung eines Vertreters nur ihm und nicht gleichzeitig dem Juniorpartner eingeräumt wurde. Deshalb sind Gesellschaftsverträge – jedenfalls nach der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg – daraufhin zu überprüfen, ob eine paritätische Regelung in dieser Hinsicht erfolgt ist.
4. Besonders augenfällig ist, dass das LSG die Frage der Beteiligung am Goodwill durch den Juniorpartner nur noch zum Schluss als nicht mehr ausschlaggebendes Argument behandelt hat, nachdem es sich im Übrigen für die nicht in freier Praxis ausgeübte Tätigkeit des Juniorpartners entschieden hat. Das überrascht, nachdem bislang die Beteiligung am ideellen Wert der Praxis im Sinne einer qualifizierten Abfindungsregelung durchaus von Gewicht war. Das LSG spricht selber in seinem Urteil eine wichtige Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) an, das zur Bejahung der Selbstständigkeit eines Zahnarztes die Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis gefordert hat. Dass das LSG die Existenz einer solchen Abfindungsregelung nur noch unter „ferner liefen“ erwähnt, lässt für die Praxis leider nichts Gutes erwarten.
Soweit es das LSG als nachteilig einstuft, dass der Juniorpartner nicht am materiellen Wert der Praxis beteiligt ist, ist darauf hinzuweisen, dass nach der bereits zitierten Entscheidung des BSG Miteigentum am Inventar der Praxis wohl nicht ausschlaggebend ist. Das BSG hat die Frage ausdrücklich offengelassen, wobei die Formulierungen des Gerichts eher Anlass zu der Vermutung geben, dass eine solche Vermögensbeteiligung tatsächlich auch nicht notwendig ist. Immerhin gibt es zahlreiche Zahnärzte, die ihre Praxis mieten oder pachten, also selber nicht Eigentümer sind.
Rechtsunsicherheit besteht hier allenthalben. Die rechtliche Materie ist nicht nur für den Zahnarzt schwierig. Verträge mit Juniorpartnern gehören allerspätestens nach dieser Entscheidung auf den „Prüfstand“.
RA Frank Ihde, Hannover