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Koalitionsvertrag im Urteil der Bundestagsfraktionen: SPD
Koalitionsvertrag

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Gesundheit und Pflege: Fünf Fragen – fünf Antworten. Teil 2 – Sabine Dittmar für die SPD-Fraktion

Die DZW hat die gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen nach ihrer Meinung zum Bereich „Gesundheit und Pflege“ im Koalitionsvertrag befragt. Die Antworten publizieren wir hier als lose Folge. Die Fragen stellte DZW-Redakteur Dr. Helge David.

 

Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion

Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion

Wohin führt die vereinbarte Kommission zur Einführung einer gemeinsamen Honorarordnung für GKV und PKV?

Sabine Dittmar: Eine moderne Honorarordnung muss sich daran messen lassen, ob sie uns hilft, einen gleichberechtigten Zugang zur medizinischen Versorgung sicherzustellen. Sicherlich ist es auch sinnvoll, für die sektorenübergreifende Versorgung eine einheitliche Honorarordnung einzuführen, die den Grundsatz gleiche Preise für gleiche Leistungen berücksichtigt. Eine einheitliche Honorarordnung ist ein ambitioniertes Ziel, hierzu wird die Kommission einen Beitrag leisten.

Stefan Etgeton von der Bertelsmann-Stiftung erklärte in einem „Spiegel“-Interview, die PKV habe jetzt nur eine „Gnadenfrist“ erhalten. Was meinen Sie, kommt die Bürgerversicherung und welche Vor- und Nachteile hätte sie?

Dittmar: Ob wir sie so oder anders nennen, ich bin davon überzeugt, dass wir irgendwann ein System der Bürgerversicherung haben werden. Die PKV ist unter enormem Druck, etwa durch die Ausgabenexplosion durch mangelnde Steuerungselemente und die Niedrigzinsphase. Das Standbein sind die Beamten. 

Das GKV-System bietet eine gute, evidenzbasierte und solidarisch finanzierte Gesundheitsversorgung. Von der Wiederherstellung der Parität und der Absenkung der Beiträge für Selbstständige werden zudem viele Versicherte profitieren. Diejenigen, die zwischen Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung wählen können, werden sich künftig noch stärker als bislang für das gesetzliche System entscheiden.

Wo liegen für Sie die Stärken und wo die Schwachpunkte zum Thema Gesundheit und Pflege im Koalitionsvertrag?

Dittmar: Neben den deutlichen Verbesserungen für die Pflegesituation im Krankenhaus und der Altenpflege sind aus meiner Sicht die Parität wie auch die Verbesserungen sowohl in der sektorenübergreifenden als auch in der ambulanten Versorgung von zentraler Bedeutung. Und ich freue mich, dass wir endlich eine nationale Diabetesstrategie auf den Weg bringen wollen und den Zuschuss für Zahnersatz erhöhen. 

Leider ist es weder gelungen, der Union weitere Schritte hin zur Bürgerversicherung abzuringen noch sie bei der doppelten Verbeitragung von Betriebsrenten dazu zu bewegen, die Beiträge in der Auszahlungsphase um die Hälfte auf den Arbeitnehmeranteil abzusenken. Da bleiben wir aber dran.

Verfolgt der Koalitionsvertrag im Bereich Pflege die richtige Strategie, Pflegeberufe attraktiver zu gestalten, Kinder pflegebedürftiger Eltern zu entlasten, ein Sofortprogramm für zusätzliche Fachkräfte aufzusetzen?

Dittmar: Der Bereich der Pflege ist ein großer Erfolg im Koalitionsvertrag. Wir setzen an vielen verschiedenen Punkten an, indem wir durch zusätzliche Stellen und Mindeststandards die Versorgung stärken, die Arbeitsbedingungen verbessern, einen flächendeckenden allgemeinverbindlichen Tariflohn einführen, eine Ausbildungsoffensive starten und die pflegenden Angehörigen weiter entlasten. Die Pflegepersonalkosten werden unabhängig von den Fallpauschalen krankenhausindividuell vergütet.

Wird die Versorgungssicherheit auf dem Land gewährleistet? Durch das Verbot des Versandhandels verschreibungspflichtiger Arzneimittel? Durch Zuschläge für Ärzte in unterversorgten Regionen?

Dittmar: Die gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum und in benachteiligten städtischen Regionen bleibt ein wichtiges Thema. Bei der Pflege werden wir die langen Anfahrtswege in ländlichen Gebieten endlich besser honorieren. Es werden regionale Zuschläge für die ärztliche Versorgung in strukturschwachen und ländlichen Räumen eingeführt. In ländlichen oder strukturschwachen Regionen entfallen Zulassungssperren für die Neuniederlassung, außerdem erhalten die Länder in der Bedarfsplanung mehr Mitspracherechte. Auch die Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigungen werden wir ausbauen. Neben gut erreichbaren Offizinapotheken ist der Versandhandel eine weitere Option. Die SPD hat sich immer klar gegen ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgesprochen. Unsere europa- und verfassungsrechtlichen Bedenken bleiben bestehen. Der Koalitionsvertrag ist für uns an dieser Stelle ein bitterer Kompromiss. Es ist nun an der Union, einen verfassungs- und europarechtskonformen Entwurf vorzulegen, der auch die Versorgung von Patientengruppen mit speziellen Bedarfen sicherstellt sowie einen praktikablen Botendienst ermöglicht.