In einer eindrucksvollen und gut begründeten Entscheidung hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg (5 U 114/15) vom 17. Mai 2017 herausgearbeitet, unter welchen Voraussetzungen der Vertrag zwischen dem Zahnarzt und seinem Patienten als Werkvertrag zu klassifizieren ist. Für die Praxis ist diese Entscheidung von besonderer Bedeutung, wenn Patienten, was regelmäßig der Fall sein dürfte, ihrem Zahnarzt zur Beseitigung bestimmter Mängel keine Frist setzen.
Der Fall: Der Zahnarzt hatte seiner Patientin einen herausnehmbaren Oberkiefer-Zahnersatz gefertigt und für den Transversalbügel eine im Ergebnis ungeeignete Legierung verwendet. Dieser hatte zu inakzeptablen Korrosionserscheinungen geführt. Die Patientin hatte diesen Zahnersatz zunächst durch ihren Ehemann bezahlen lassen, war aber der Ansicht, dass der zahnärztlichen Leistung Behandlungsfehler zugrunde lagen. Sie hat auf Schadenersatz und Schmerzensgeld geklagt.
In erster Instanz war der Zahnarzt vor dem Landgericht Osnabrück unterlegen. Auf seine Berufung hin hat das OLG dieses Urteil auf den Hinweis des Zahnarztes, dass in Wirklichkeit Werkvertragsrecht Anwendung findet, aufgehoben.
Dienstvertrag oder Werkvertrag
Das OLG hat sich zunächst mit der Frage beschäftigt, ob gemäß Paragraf 651 Satz 1 BGB gegebenenfalls sogar Kaufrecht Anwendung fände. Das hat das OLG verneint. Denn der geschuldete Erfolg der Behandlung beschränke sich nicht nur auf die Herstellung einer beweglichen Sache (Prothetik) und deren Übertragung zu Eigentum, sondern sei auf die individuelle Anpassung der Arbeit an die körperlichen Gegebenheiten und medizinischen Bedürfnisse des Patienten ausgerichtet.
Deshalb sei unter den nachfolgenden Voraussetzungen das Werkvertragsrecht anwendbar: Geht es allein um die technische Beschaffenheit einer Arbeit und nicht etwa um die spezifisch zahnärztliche Planung und Gestaltung der Versorgung, sei nicht das den Zahnarztvertrag sonst prägende Dienstvertragsrecht, sondern Werkvertragsrecht anwendbar. Zu Recht hat das OLG auf grundlegende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) verwiesen, in denen genau diese Differenzierung vorgenommen worden sei.
Rügt also ein Patient ausschließlich zahntechnische Mängel an einer Arbeit, wie etwa Lunker oder Haarrisse an der Legierung, so ist nicht die dienstvertragsrechtlich geprägte zahnärztliche Leistung, sondern nur die Herstellung des Zahnersatzes als Werkstück relevant.
Zur Mängelbeseitigung muss Patient dem Zahnarzt Frist setzen
Wenn die Arbeit des Zahnarztes vom Patienten im Sinne des Werkvertragsrechts abgenommen worden ist (Paragraf 460 BGB), so beschränken sich die Rechte des Patienten auf die Gewährleistungsvorschriften des Werkvertragsrechts. Abgenommen hat der Patient die Arbeit, wenn er sie im Wesentlichen als vertragsgemäß billigt. Ist das der Fall, muss er dem Zahnarzt zur Mängelbeseitigung unter der Voraussetzung eines Mangels eine Frist setzen. Diese Frist muss erfolglos gesetzt worden sein. Dabei stehen dem Zahnarzt grundsätzlich die Möglichkeiten einer Nachbesserung im eigentlichen Sinne sowie einer Neuherstellung der Arbeit zur Wahl (vergleiche Paragraf 635 Absatz 1 BGB).
Der Patient ist nur dann nicht zur Setzung einer Frist verpflichtet, wenn der Zahnarzt die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert oder unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein sofortiger Rücktritt oder die sofortige Geltendmachung eines Schadenersatzes gerechtfertigt ist. Auch bei Unzumutbarkeit entfällt die Pflicht zur Setzung einer Frist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss in jedem konkreten Einzelfall geprüft werden.
Insgesamt zeigt diese Entscheidung, dass zahlreiche Prozesse falsch, nämlich zu Lasten des Zahnarztes, entschieden werden. Kommt in Frage, dass es nur um fertigungsbedingte Mängel am Zahnersatz und nicht so sehr um die zahnmedizinische Leistung des Zahnarztes geht, sollte jeder Zahnarzt aufpassen. Hat sich ein Patient mehr oder weniger wortlos aus der Behandlung verabschiedet, eröffnen sich dem Zahnarzt gute Verteidigungsmöglichkeiten.
RA Frank Ihde, Hannover