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Ärzte müssen sich informieren und reagieren

Dieter Homburg

„Unterm Strich weiß niemand, welche Summen in der Rente ausbezahlt werden oder ob Rentenzahlungen konstant bleiben und nicht etwa in der Rentenphase sinken“, sagt Dieter Homburg, Autor des Buchs „Altersvorsorge für Dummies“.

Das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) ist die größte Rentenreform seit 50 Jahren und sorgt für Wirbel in der Gesundheitsbranche. Aufgrund fehlender Informationen oder aus Mangel an Wissen haben sich nur wenige Arbeitgeber um dieses Thema gekümmert. Das neue Gesetz kann bis zu einem Zeitraum von 30 Jahren Nachhaftung bringen. Diese Punkte sollten Chefs beachten.

Praxisinhaber müssen Möglichkeiten einer bAV aufzeigen

Zum Jahreswechsel 2018 trat Stufe eins des BRSG in Kraft: Die Vorgaben für Auskünfte über Betriebsrentenansprüche (nach Paragraf 4a BetrAVG) verschärften sich. So müssen Praxisinhaber künftig jedem Mitarbeiter klar und vollständig aufzeigen, welche Möglichkeiten einer betrieblichen Altersvorsorge (bAV) bestehen oder wie hoch zum Beispiel die Rentenanwartschaft bei Austritt ausfällt. Geschieht dies nicht oder nicht vollständig, haftet der Chef für ausbleibende Rentenleistungen aufgrund mangelnder Informationen. „Gerade bei Betriebsrenten besteht ein erhöhtes Haftungsrisiko“, weiß Alexander Bußler, bAV-Rechtsanwalt aus Heddesheim bei Mannheim. Bei einem Volumen von 300 Euro lebenslanger Rente wird bereits ein Rentenkapital von 100.000 Euro benötigt. „So hoch kann das wirtschaftliche Risiko für die Praxis pro Mitarbeiter bei Nichteinhaltung sein“, warnt Bußler. Zudem müsse beachtet werden, dass die Auswirkungen des neuen Gesetzes die Grenzen im Rechtswesen eines normalen Finanzberaters übersteigen. Daher sei zu empfehlen, einen zertifizierten Berater für bAV zu beauftragen, der zugleich die Haftung übernimmt.

 

Alexander Bußler

Alexander Bußler

Zuschusspflicht für Unternehmer

Zum 1. Januar 2019 tritt die zweite Stufe der Gesetzesänderungen in Kraft. Sie verpflichtet Ärzte bei Neuverträgen und bei Beanspruchung der bAV zu einem Zuschuss in Höhe von 15 Prozent. Angerechnet auf den Beitrag, den der Mitarbeiter monatlich und brutto in eine arbeitnehmerfinanzierte Betriebsrente einzahlt. Bestehende Verträge müssen erst zum Jahreswechsel 2022 angeglichen werden. Die Krux an der Neuregelung: Laut Gleichbehandlungsgrundsatz könnten Kollegen mit einem älteren Arbeitsvertrag das gleiche Recht auf Bezuschussung haben, die aufgrund der Informationspflicht dann mitgeteilt werden muss. „Darin sind finanzielle Gefahren verborgen“, betont Markus Sobau, Finanzberater von Medisecur aus Stuttgart. „Bleiben Informationen ganz oder teilweise unter Verschluss, können diese bis zu 30 Jahre später rückwirkend vom Arbeitgeber eingefordert werden“, erklärt Sobau. Auch Bußler empfiehlt, im Rahmen einer neuen Versorgungsordnung ab spätestens 1. Januar 2019 einen Arbeitgeberzuschuss von mindestens 15 Prozent für alle Arbeitnehmer zu leisten. Damit könne eine maximale Rechtssicherheit gewährleistet werden.

 

Markus Sobau

Markus Sobau

Gefahr Sozialpartnermodell

„Das Sozialpartnermodell erschüttert die Fachwelt“, betont Rechtsanwalt Bußler. Bislang sei für Arbeitnehmer in der bAV kein Risiko vorhanden, und Gelder seien selbst im Notfall sicher und garantiert. Das ändert sich mit dem Sozialpartnermodell dramatisch. Nach dem Motto „pay and forget“ geben Arbeitnehmer ihr Geld in die Obhut der „Sozialpartner-Rente“. „Unterm Strich weiß niemand, welche Summen in der Rente ausbezahlt werden oder ob Rentenzahlungen konstant bleiben und nicht etwa in der Rentenphase sinken“, sagt Dieter Homburg, Autor des Buchs „Altersvorsorge für Dummies“. Es gebe keinerlei Garantien mehr in der Ansparphase, Rentenphase oder die Möglichkeit auf einmalige Auszahlung bei Renteneintritt. Doch was hat das mit einer Arztpraxis zu tun? Das Problem tritt auf, wenn Mitarbeiter aus einem tarifgebundenen Betrieb, beispielsweise aus einem Krankenhaus, in eine tarifungebundene Praxis wechseln. „Hier droht unvorbereiteten Chefs Ungemach“, weiß der Finanzspezialist aus Lippstadt. Denn: Bringt ein neuer Mitarbeiter ein Sozialpartnermodell mit, und eine Praxis übernimmt dieses ungeprüft, steht der Arbeitgeber auch für dieses Modell ohne Garantien und Sicherheiten wieder in der Informationspflicht. Dann sind Chefs unter Umständen dazu verpflichtet, andere Kollegen über das Sozialpartnerschaftsmodell zu informieren.

Sicher mit Vorsorge

„Damit Inhaber einer Arztpraxis auf der sicheren Seite sind, sollten sie von ihrem Prüf- und Ablehnungsrecht Gebrauch machen“, klärt Markus Sobau auf. In der Versorgungsordnung können Arbeitgeber festhalten, welche Renten- und Vorsorge-Modelle angeboten werden und welche nicht. So sei die Gefahr, ein ungewolltes Risiko oder einen unerwünschten Arbeitnehmervertreter in die Praxis zu holen, gebannt. Dennoch sollten Chefs überprüfen, wer welche Zuschüsse bekommt und vor allem – wer nicht. „Durch die Reform und die Informationspflicht werden Ärzte zu einer Gleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern gezwungen“, fasst der Stuttgarter Finanzberater zusammen. Die Schwierigkeit liege darin, alle rechtlichen Aspekte zu beachten und den Teufelskreis aufzuheben. Hierzu sollten Ärzte einen Finanzspezialisten für Betriebsrentenfragen hinzuziehen und Erarbeitetes von einem bAV-Rechtsanwalt in einem Vertragstext niederschreiben lassen. So wird maximale Rechtssicherheit bei minimalen Kosten erreicht, und die Rente der Angestellten bleibt im Alter unangetastet.

Förderung von Geringverdienern

Als Geringverdiener gelten seit diesem Jahr alle Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen bis 2.200 Euro. Um diese zu fördern, werden auch für Praxisinhaber neue Anreize für den Auf- und Ausbau einer betrieblichen Altersversorgung gesetzt. Zahlt der Arbeitgeber für eine zusätzliche Altersvorsorge mindestens 240 Euro pro Jahr, so kann er 30 Prozent seiner Förderung über die Lohnsteuer direkt geltend machen. „Das ist zwar nicht verpflichtend, sorgt aber für Sympathiepunkte“, ergänzt Sobau.

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