Das Einsetzen von Hüft- oder Zahnimplantaten ist heute Routine. Trotzdem ist ein derartiger Eingriff nicht ohne Risiko – Stichwort Infektion, die sich über Antibiotika per Tabletten oder Infusion nur schwer eindämmen lässt. In dem Fall muss meist ein neues Implantat eingesetzt werden. Fraunhofer-Forscher bringen das passgenaue Medikament nun direkt auf dieses zweite Implantat auf und steigern zudem die Wirksamkeit des Antibiotikums synergistisch über Silberionen um ein Vielfaches, meldet der Informationsdienst Wissenschaft idw. Auf der Messe Medica und Compamed vom 12. bis 15. November 2018 in Düsseldorf stellen sie ihre Entwicklung vor (Halle 8a, Stand P13).
Wirksamkeit um ein Vielfaches erhöhen
Forscher der Fraunhofer-Institute für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM), für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME), für Zelltherapie und Immunologie (IZI) und für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) haben im Projekt „Synergy-Boost“ eine Therapie entwickelt, um erneute Infektionen zu vermeiden.
„Das Antibiotikum kann direkt auf das zweite Implantat aufgebracht werden, es ist somit gleich dort, wo es benötigt wird“, erläutert Kai Borcherding, Wissenschaftler am Fraunhofer IFAM, „zudem haben wir die synergistische Wirkung von Antibiotika und Silberionen erforscht und können die Wirksamkeit damit deutlich steigern.“
Das heißt: Sowohl das Antibiotikum als auch die Silberionen töten die Keime ab, allerdings ist die Wirkung erheblich intensiver als die Summe ihrer Einzelwirkungen – sie verstärken sich also gegenseitig.
Zwar ist bereits seit längerem bekannt, dass Silberionen die Wirkung von Antibiotika beträchtlich steigern können, doch gab es dazu nur vereinzelte Experimente. Das Verhältnis von Silberionen und Antibiotika hängt nicht nur vom verwendeten Medikament, sondern auch von dem Keim ab, der abgetötet werden soll. Die Forscher am Fraunhofer IME haben daher zunächst groß angelegte Sceenings durchgeführt: Sie untersuchten 20 verschiedene Antibiotika in unterschiedlichen Verhältnissen mit Silberionen an vier Leitkeimen – insgesamt mehr als 9.000 Proben – und identifizierten somit die wirksamsten Kombinationen.
Antibiotikum erregerspezifisch auswählen und lokal aufbringen
Wenn Patienten an einer Infektion leiden und ein neues Hüft- oder Zahnimplantat brauchen, erstellt der Arzt zunächst ein Antibiogramm: Er entnimmt geeignetes Probenmaterial, kultiviert aus diesem die Keime und analysiert, welches Antibiotikum infrage kommt. Dies ist ein bereits standardisiertes Verfahren. Dann appliziert der Arzt das entsprechende Antibiotikum direkt auf das Implantat.
„Die Speichermöglichkeiten für die Antibiotika haben wir am Fraunhofer IFAM bereits untersucht. Dazu haben wir verschiedene Beschichtungsarten entwickelt“, erklärt Borcherding. Das Ergebnis: Die Forscher strukturieren die Oberfläche so, dass ein Antibiotikum aufgenommen werden kann. Die silberhaltige Beschichtung bringen sie im Vakuum auf der Oberfläche des Implantats auf. Die Schichtentwicklung ist bereits abgeschlossen, nun folgt der Wirksamkeitsnachweis am Fraunhofer IZI und am Fraunhofer ITEM. Zudem erstellen die Forscher am Fraunhofer ITEM die Dokumentation, die für die Zulassung eines Medizinproduktes erforderlich ist.
Eine weitere Frage, der sich die Wissenschaftler im Projekt "Synergy-Boost" widmen: Welche natürlichen Stoffe aus Pflanzen oder Bäumen eignen sich für die Synthese neuer Antibiotika? Die ersten Forschungsergebnisse des Fraunhofer IZI sind vielversprechend. Bis ein so erzeugtes Antibiotikum allerdings in die klinische Phase kommt, werden noch einige Jahre vergehen.
Quelle: idw