An der Universität Rostock wurde anlässlich des 600-jährigen Bestehens nicht nur gefeiert, sondern auch tief in der Geschichte der Alma Mater gegraben. Dabei widmete man sich insbesondere der Zeit des Nationalsozialismus, wozu jüngst ein Buch erschienen ist. Der Rektor der Universität Professor Wolfgang Schareck hatte das Werk in Auftrag gegeben. Geschrieben wurde es von Dr. Florian Detjens, der am Lehrstuhl für Zeitgeschichte und der Forschungs- und Dokumentationsstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Geschichte der Diktaturen in Deutschland (FDS) umfangreich geforscht hat. Entstanden ist ein Werk, das den Titel „Am Abgrund der Bedeutungslosigkeit? Die Universität Rostock im Nationalsozialismus 1932/33–1945“ trägt. Detjens ist einer der wenigen Historiker, der seit der Wiedervereinigung eine umfassende Studie zur Universität Rostock in der NS-Zeit vorgelegt hat.
Am Montag, 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, wird Florian Detjens in der Rostocker Uni-Zahnklinik während einer feierlichen Gedenkveranstaltung zum Thema „Opfer und Angepasste, Die Universität im Nationalsozialismus“ einen Vortrag halten und dabei auch zentrale Erkenntnisse seines Werks vorgestellen. Zudem wird für den jüdischen Zahnmediziner Hans Moral, der seit 1913 in Rostock erst als Assistent und ab 1920 nunmehr als Professor für Zahnheilkunde und Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund- und Zahnkrankheiten wirkte, in der Zahnklinik eine Gedenkplakette angebracht. Der ehemalige verdienstvolle Direktor der Zahnklinik, Professor Heinrich von Schwanewede, wird zum Wirken von Hans Moral sprechen.
Nur wenige jüdische Universitätsangehörige
„Die Universität Rostock hat nur wenig Opfer im Zuge der nationalsozialistischen Säuberungsmaßnahmen zu beklagen“, resümiert Florian Detjens. Das habe damit zu tun, dass es nur sehr wenige jüdische Universitätsangehörige gab. So war Hans Moral 1933 der einzige jüdische Professor an der damaligen Medizinischen Fakultät der Uni Rostock. Außer ihm gab es noch den jüdischen Professor David Katz, seit 1919 Professor für Pädagogik und experimentelle Psychologie an der Philosophischen Fakultät. Er war nach der Machtergreifung Hitlers wie Hans Moral massiven antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Der Forscher sei daraufhin Anfang April 1933 zwangsweise beurlaubt und zum Januar 1934 mit gerade einmal 48 Jahren auf Grundlage des „Berufsbeamtengesetzes“ in den Ruhestand versetzt worden. Er habe laut Detjens dann allerdings nach Großbritannien auswandern können und habe 1937 eine Stelle, später eine Professur an der Universität Stockholm bekommen. Dort habe er seine wissenschaftliche Arbeit, auch gemeinsam mit seiner Frau Rosa, bis zu seinem Tod 1953 fortgesetzt. Das Institut für Pädagogische Psychologie der Uni Rostock trägt heute den Namen Rosa und David Katz.
„Bei aller Fokussierung auf die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur darf nicht vergessen werden, dass die Universität Rostock zum großen Teil aus Angepassten, auch Profiteuren des nationalsozialistischen Regimes bestand“, sagt Florian Detjens. All jene hätten durch ihr Verhalten bereitwillig und wissentlich die Diktatur mitgetragen.
„Es handelt sich zweifellos um eine imponierende Studie, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Wir haben es im besten Sinne mit einem Stück Grundlagenforschung zu tun, die nicht nur die deutsche, sondern auch internationale Universitätsgeschichtsforschung bereichern wird“, sagt Professor Stefan Creuzberger, der den Lehrstuhl für Zeitgeschichte innehat und die FDS an der Uni leitet, über das Werk von Florian Detjens.