Ich halte so lange den Atem an, bis ich herausgefunden habe, wer die Virenschleuder in unserer sterilen Praxis ist. Aber da kommt die Schleuder auch schon ins Büro, um mir stolz mitzuteilen, dass sie heute zur Arbeit gekommen ist, obwohl es ihr total miserabel geht. Ich hätte besser den Atem länger angehalten – es wäre ein virenfreier Tod gewesen.
Es nervt einfach
Nun muss ich mich die nächsten Tage mit Schleim und Rotz herumquälen und schauen, dass alles mehrfach desinfiziert wird. Die kranke „Helferin“ assistiert mir natürlich noch eifriger als sonst, um ihren guten und unbeugsamen Willen zu zeigen. Beim Behandeln entfaltet sich ihre quälende Nasenatmung nur zentimeterweit von meinem Ohr zur Schnappatmung, sodass ich mich frage, wer von uns jetzt ein Atemproblem hat. Dieser Zustand beeinflusst meine Arbeitsqualität. Er nervt mich.
Einsatzfähigkeit des ganzen Praxisteams steht auf dem Spiel
Die „Helferin“ tut mir zwar leid, weil sie mit ihren Viren kämpft und gute Miene zum bösen Spiel machen möchte. Aber mal ehrlich: Wie doof kann man sein? Wie kann man denn die Gesundheit und die Einsatzfähigkeit des ganzen Praxisteams aufs Spiel setzen, nur weil man die eigenen Krankentage zu optimieren gedenkt?
Wie kann man stolz darauf sein, total krank zur Arbeit zu kommen? Dieser Gedankengang erschließt sich mir nicht. Egal ob kränkelnde „Helferin“ oder Kollegin, der gesunde Menschenverstand sollte an dieser Stelle einsetzen. Jedoch scheint nicht nur der Körper erkrankt, sondern auch die letzte vernünftige Hirnzelle. Am liebsten würde ich dieser Mitarbeiterin etwas Biologie beibringen – natürlich wütend und subjektiv. Für einen klaren, diplomatischen Vortrag sind schon zu viele Viren in meinem Körper. Ist ihr nicht bewusst, dass sie krank mehr Schaden anrichtet?
Auch an die Patienten denken
Es geht ja nicht nur um das Praxisteam, sondern auch um die Patienten. Besonders Mütter kleiner – ja sowieso ständig „verschnupfter“ – Kinder beklagen sich über das Grippeambiente in der Praxis und geben ihre Karies-Sprösslinge nur ungern in rotzige Hände. Irgendwie verständlich.
Also was tun? Ich bin für richtiges Auskurieren, sei es eine Erkältung, die Grippe oder der Norovirus. Lieber mit weniger, aber gesundem und belastbarem Personal im Einsatz als mit einem kompletten Team teils im Zombie-Zustand. Hier ist die Qualität der Quantität überlegen.
Denn unfit zu sein, bedeutet, dass man mehr Fehler macht und langsamer arbeitet. Mitdenken ist in so benebeltem Zustand echt nicht mehr möglich. Und man zieht den Ärger der Kollegen und auch der Patienten auf sich. Besonders „Helikopter“-Mütter streichen dann mal im Handumdrehen die nächsten Termine für ihre Kinder, wenn auch nur kleine Unachtsamkeiten passieren.
Mitarbeiter sollte man schützen – auch vor sich selbst
Mir ist bewusst, dass manche Praxisbelegungen es den Mitarbeitern nicht erlauben, krank daheim zu bleiben. Manche Chefs sehen es womöglich als gute Arbeitsmoral an, als personifizierter Krankheitserreger Patienten zu behandeln und sich mit Kollegen das Besteck zu teilen. Diese Denkweise ist weder edel noch vernünftig. Seine Mitarbeiter sollte man schützen – auch vor sich selbst. Lieber zwei Tage ohne gute Mitarbeiterin arbeiten als zehn Tage mit einem Schatten.
Am besten: Ab ins Bett!
Auch als Arbeitnehmer muss man auf sich achten. Natürlich. Wenn sich mehr Krankentage als Urlaubtage ansammeln, dann ist zu überlegen, ob Beruf oder Freizeitaktivitäten richtig gewählt sind. Krankheit kommt vor. Manchmal kann man einfach nichts dafür. Man muss sich aber auch bewusst machen, dass sich ein leichter Schnupfen auch zur gravierenden Erkältung auswachsen kann, wenn man nicht auf sich achtet.
Deswegen: auf den eigenen Körper hören und nicht auf den falschpositiven Arbeitseifer. Also Rotznasen und Huster: Ab ins Bett!
Aus der Kolumne „Frisch sondiert von ihr“ der aktuellen Ausgabe der iNPUT!