Erhöhte Rechtssicherheit durch Ausschluss- und Verfallklauseln
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung ist ständig im Wandel. Dabei konkretisiert und verändert sie häufig die Ansprüche an bisher bestehende Regelungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Zuletzt wurde vermehrt die häufig in Arbeitsverträgen verwendete Ausschluss- und Verfallklausel zum Thema der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Dabei hat das BAG darauf hingewiesen, dass es sich bei Arbeitsverträgen im Regelfall um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die den Regelungen der Paragrafen 305 ff. BGB (Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen) entsprechen müssen. Die Regelungen dürfen etwa nicht überraschend sein. Zudem müssen sie insbesondere transparent sein, damit der Arbeitnehmer weiß, wie er sich im Arbeitsverhältnis zu verhalten hat.
In einer Ausschluss- und Verfallsklausel wird grundsätzlich geregelt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen. Die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Klauseln ist nach der Auffassung des BAG im Recht der Arbeitsverhältnisse seit Langem anerkannt. Aber leider steckt das Problem im Detail, und die Rechtsprechung hat immer wieder einzelne Klauseln in einer Vielzahl von Entscheidungen für rechtsunwirksam erklärt.
Dabei hat das BAG mehrfach entschieden, dass die Klausel die Verfallsfrist von drei Monaten nicht unterschreiten darf (zuletzt: BAG, Urteil, vom 24. Mai 2022; Az.: 9 AZR 461/21). Wer also kürzere Fristen im Arbeitsvertrag vereinbart hat, muss sich auf die Unwirksamkeit der Klausel einstellen. Dies hätte zur Folge, dass die Ansprüche, die durch die Verfallsklausel ausgeschlossen werden sollten, wenn überhaupt, nach den allgemeinen gesetzlichen Verjährungsfristen verfallen.
Erfolgt innerhalb der zulässig vereinbarten Frist die Geltendmachung nicht, verfallen die Ansprüche durch die Verfallsklausel und können nicht mehr geltend gemacht werden (sogenannte Ausschlussfrist).
Beispiele:
- Zahnarzt A als Arbeitgeber hat die variable Vergütung der angestellten Zahnärztin B zu niedrig bemessen. Er hat versehentlich 20 Prozent vom Honorarumsatz statt der arbeitsvertraglich vereinbarten 25 Prozent vom Umsatz berechnet. Zu dem Versehen kam es, weil die Praxismanagerin das Excelsheet eines anderen angestellten Zahnarztes dupliziert hat, der nur eine variable Vergütung von 20 Prozent erhielt. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällt dies dem Anwalt der Zahnärztin B auf. Die Zahnärztin B klagt gegen den Arbeitgeber die zurückliegenden drei Jahre auf die erhöhte variable Vergütung (5 Prozent von 900.000 Euro in drei Jahren entspricht 135.000 Euro brutto) ein. Ist in einem Arbeitsvertrag keine wirksame Verfallklausel enthalten, kann der Arbeitnehmer die variable Vergütung innerhalb der gesetzlichen Verjährung verlangen. Die Zahnärztin B hat im Beispielsfall die 135.000 Euro brutto zu erhalten. Besteht hingegen eine wirksame Verfallklausel, so kann Zahnärztin B den Anspruch allenfalls für die vertraglich vereinbarte Zeit von zum Beispiel drei Monaten geltend machen. Dieser Betrag ist deutlich niedriger.
- Aber auch im umgekehrten Fall kann eine Klausel gelten. Hat zum Beispiel der Arbeitgeber zu viel Gehalt gezahlt, so muss er es innerhalb der Verfallfristen zurückverlangen. Auch bei Sachbeschädigungen der Zahnärztin B im Beispielfall wirkt die Verfallklausel grundsätzlich zu deren Gunsten. Verfallen können aber auch Ansprüche der Arbeitgeber gegen die Arbeitnehmer wegen der fahrlässigen Beschädigung von Praxisgegenständen. Die Vorteile der Verfallklausel begünstigt dann also auch die Arbeitnehmer.
Die Beispiele zeigen: Ausschluss- und Verfallfristen bieten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine erhöhte Rechtssicherheit, da wechselseitige Ansprüche nicht auf Dauer der Verjährung von drei Jahren zum Jahresende geltend gemacht werden können. Sie tragen insbesondere dem praktischen Bedürfnis Rechnung, dass sich Ansprüche nach Ablauf einer längeren Zeit nur schwer beweisen lassen. Die kürzeren Fristen sind wegen der Rechtsklarheit im Arbeitsverhältnis häufig von beiden Seiten gewünscht.
Unwirksame Regelung
In Arbeitsverträgen waren zum Beispiel auch Regelungen enthalten, die sinngemäß Folgendes enthielten: „Paragraf ... Ausschluss- und Verfallfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich gelten gemacht werden. […]
Die Ausschlussfristen der vorstehenden Vertragsklausel beginnen, wenn der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller von den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig keine Kenntnis erlangt hat. […]“
Das BAG hielt in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2018 (Az.: 9 AZR 615 /17) eine solche Regelung für intransparent, was im entschiedenen Fall zur Unwirksamkeit der gesamten Verfallklausel führte!
Arbeitnehmern wird nach Ansicht der Rechtsprechung nicht deutlich genug aufgezeigt, wann genau die Dreimonatsfrist zu laufen beginnt, da Fälligkeit und Anspruchsentstehung zeitlich auseinanderfallen können. Die Rechtsprechung statuiert zwar, dass in den Verträgen beides kombiniert werden kann, jedoch nur, wenn eine Formulierung gewählt wird, die darauf abstellt, dass in jedem Fall die Ausschlussfrist niemals vor Fälligkeit zu laufen beginnt. Viele Arbeitsverträge beinhalteten diese Formulierung so nicht.
In der Konsequenz erklärte das BAG die Klauseln für unwirksam, sodass für die streitigen Ansprüche der Arbeitnehmer wieder die deutlich längeren gesetzlichen Verjährungsfristen gelten. Dabei wies das BAG darauf hin, dass im vorliegenden Fall der sogenannte „Blue-Pencil-Test“ keine Anwendung finden würde. Danach kann gegebenenfalls eine unwirksame Klausel gestrichen werden, wenn die restlichen Formulierungen nach Entfernung der unwirksamen Klausel noch einen rechtlich zulässigen Sinn ergeben.
Blue-Pencil-Test
Sehr anschaulich stellt der Bundesgerichtshof den „Blue-Pencil-Test“ in seiner Rechtsprechung zu allgemeinen Geschäftsbedingungen dar (BGH, Urteil vom 31. März 2021 – Az.: IV ZR 221/19, NJW 2021, 2193), die man so auch auf die Verfallklausel übertragen kann:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (BGH, Urteile vom 10. Oktober 1996 – Az.: VII ZR 224/95, NJW 1997, 394 unter II 2 b m.w.N.; vom 12. Februar 2009 – Az.: VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374 Rn. 15).
Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit die Möglichkeit ihrer Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – Az.: III ZR 325/12, NJW 2014, 141 Rn. 14 m.w.N.).“
In dem entschiedenen Fall hat das BAG am 19. Juni 2018 (Az.: 9 AZR 615 /17) den „Blue-Pencil-Test“ nicht angewendet, weil in der Verfallklausel der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausgenommen wurde. Wer also den Mindestlohn vom Verfall in seinen Arbeitsverträgen ausgenommen hat, hat Chancen, dass die Ausschlussklausel wirksam bleibt und dass die Ansprüche dann doch nach drei Monaten ab Fälligkeit verfallen sind.
Hilft der Blue-Pencil-Test nicht weiter, zum Beispiel weil der Mindestlohn nicht vom Verfall ausgenommen wird, und bleibt die Ausschluss- und Verfallregelung unwirksam, kann dies besonders ärgerlich für die Arbeitgeber werden: Diese können sich hinsichtlich der eigenen Ansprüche nicht auf die längeren gesetzlichen Verjährungsfristen für eigene Gegenansprüche stützen! Sie müssen als Verwender grundsätzlich die verwendete Klausel mit den kurzen Verfallfristen gegen sich gelten lassen!
Aber auch hier hat das BAG in einer jüngeren Entscheidung (Urteil vom 26. November 2020 – Az.: 8 AZR 58/20) Einschränkungen zugunsten der Arbeitgeber vorgenommen:
Verfallklausel greift nicht bei Haftung wegen Vorsatz Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung unterliegen einem Verfall nicht, da eine solche Regelung einen Gesetzesverstoß enthalten würde.
Eine solche Verfallklausel ist wegen Gesetzesverstoßes (gegen Paragraf 202 Abs. 1 BGB nach Paragraf 134 BGB) nichtig, denn die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Soweit also Mitarbeiter Arbeitgeber vorsätzlich schädigen, können sich letztere ebenfalls auf die Unwirksamkeit der Verfallklausel berufen und solche Ansprüche auf Dauer der dreijährigen Verjährung geltend machen.
Dass die Rechtsprechung nicht immer eindeutig ist und der Teufel, wie so häufig, im Detail liegen kann, lässt sich etwa anhand eines weiteren Urteils des BAG (BAG, Urteil vom 22. Oktober 2019 – Az.: 9 AZR 532/18) veranschaulichen.
In dem vom BAG zu entscheidenden Fall verwendete ein Arbeitgeber eine Verfallsklausel, wonach lediglich die Haftung für vorsätzliches Verhalten ausgeschlossen werden sollte. Dabei ist eine AGB-Klausel gemäß Paragraf 309 Nr. 7 BGB unwirksam, wenn sie die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ausschließt (Paragraf 309 Nr. 7 lit. a) BGB) und/oder die Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung seines Verwenders beziehungsweise auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung seines gesetzlichen Vertreters oder seiner Erfüllungsgehilfen (etwa Mitarbeiter) beruhen (Paragraf 309 Nr. 7 lit. b) BGB).
Betrachtet man die Klausel, die der Arbeitgeber in dem durch das BAG zu entscheidenden Fall verwendete, verstößt diese gegen das Klauselverbot des Paragraf 309 Nr. 7 lit a) und lit b) BGB, wie das BAG auch in seinen Entscheidungsgründen feststellte, da sie lediglich die Haftung wegen einer vorsätzlichen Pflichtverletzung von der Verfallsklausel ausschloss.
Allerdings sollen nach Ansicht des BAG solche Klauselverbote auf AGB im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt Anwendung finden. Vielmehr sind zusätzlich die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Die Anwendung dieses Maßstabs hat zur Folge, dass ein Verstoß gegen Paragraf 309 Nr. 7 BGB im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung hatte.
Die praktische Bedeutung von Paragraf 309 Nr. 7 BGB wird im Arbeitsverhältnis durch die Bestimmungen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung deutlich begrenzt.
Die Paragrafen 104 ff. SGB VII regeln – als im Arbeitsrecht geltende rechtliche Besonderheit – die für das Arbeitsverhältnis typischen Haftungssituationen im Zusammenhang mit einer Verletzung von Leben, Körper oder der Gesundheit. Dabei schließen die Paragrafen 104 ff. SGB VII eine Inanspruchnahme der Arbeitgeber wegen Schäden des Lebens, der Körpers oder der Gesundheit teilweise aus. Aufgrund der im Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung im Versicherungsfall geltenden Haftungsbeschränkungen haben Arbeitnehmer wegen Personenschäden, die auf einer fahrlässigen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung der Arbeitgeber (oder ihrer gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen) beruhen, nach den Paragrafen 104 ff. SGB VII grundsätzlich keinen Ersatzanspruch gegen ihre Arbeitgeber.
Dieser Haftungsausschluss dient dabei nicht nur dem Schutz der Arbeitgeber, sondern gleichzeitig auch dem Schutz der Arbeitnehmer, da diesen etwa bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten mit der Versicherung eine leistungsfähige Schuldnerin gegenübersteht. Zudem soll der Haftungsausschluss der Arbeitgeber und die Haftungsverlagerung auf die Versicherung dazu dienen, den Betriebsfrieden nicht zu gefährden.
Im Ergebnis lässt sich also zusammenfassen, dass der nicht erfasste Ausschluss der groben Fahrlässigkeit und Personenschäden zwar gegen das Klauselverbot des Paragraf 309 Nr. 7 BGB verstößt, dieser Verstoß jedoch aufgrund der im Arbeitsverhältnis geltenden Besonderheiten (Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, Paragrafen 104 ff. SGB VII) nicht so gewichtig ist, dass er zur Unwirksamkeit der gesamten Verfallsklausel führt.
Praxistipp:
Ausschluss- und Verfallklausel sind häufig in ihrer konkreten Ausgestaltung unwirksam. Das kann für Arbeitgeber sehr teuer werden. Falls Sie eine Ausschluss- und Verfallklausel mit Ihren Arbeitnehmern vereinbart haben, sollten Sie diese Klausel überprüfen (lassen) und gegebenenfalls durch eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag anpassen.
Um die Verfallsklausel möglichst rechtssicher auszugestalten, sollten Arbeitgeber dennoch darauf achten, dem Klauselverbot des Paragraf 309 Nr. 7 BGB Rechnung zu tragen und zusätzlich die grobe Fahrlässigkeit sowie Personenschäden von der Verfallsklausel auszuschließen.
Thomas Bischoff
Rechtsanwalt Thomas Bischoff ist Fachanwalt für Medizinrecht und für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er ist Partner der Bischoff & Partner PartG und Mitgesellschafter der Steuerberatergesellschaften Prof. Dr. Bischoff & Partner in Köln, Chemnitz und Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Gründung und Sanierung von Zahnarztpraxen. Dazu gehört besonders auch die Beratung über die Errichtung von BAG und MVZ unter Beachtung der zivil- und steuerrechtlichen Aspekte sowie des Vertragszahnarztrechts und der Berufsordnung und die vertragliche Umsetzung. Bei Streitigkeiten in diesem Zusammenhang vertritt er Zahnärzte auch vor Gericht. Er ist außerdem zuständig für den rechtlichen Inhalt der Arbeitsvertrags-App, mit der Arbeitsverträge für Zahnärzte und nicht zahnärztliches Personal erstellt werden können.
Kontakt: tb@bischoffundpartner.de