Tatsächlich hat die Pressemitteilung des Klägers – wie zahlreiche aufgeregte Anrufe auch in unserer Kanzlei zeigen – genau das Gegenteil erreicht und Zahnärzteschaft wie Zahntechniker verunsichert. Grund genug, sich das Urteil des Landgerichts Hamburg und den dort tatsächlich entschiedenen Sachverhalt einmal näher anzuschauen.
In der Pressemitteilung der DZR heißt es: „Anlässlich des vor knapp einem Jahr in Kraft getretenen Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen waren langjährig eingeübte Formen der Kooperation und Inzentivierung erneut auf den Prüfstand gekommen. Davon betroffen war auch das Modell des Partnerfactorings im Dentalbereich. […] Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg bestätigt die Aussagen der im letzten Jahr erstellten Rechtsgutachten, die zur Einstellung unseres Partnerfactorings geführt haben.“
Dies wird (und kann auch tatsächlich nicht anders) von den Lesern der Pressemitteilung, denen die Urteilsgründe nicht vorliegen, in dem Sinne verstanden, als hätte das Landgericht Hamburg über das Partnerfactoring im strafrechtlichen Sinne entschieden und es nach den Paragrafen 299a, 299b Strafgesetzbuch (StGB) als strafbar eingestuft.
Korruptionsparagrafen gar nicht betrachtet
Wer die Urteilsgründe liest, der merkt indes schnell: Das Landgericht Hamburg hat sich mit den Bestimmungen des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen gar nicht befasst und keine Bewertung unter strafrechtlichen Gesichtspunkten vorgenommen. Das Partnerfactoring stellt sich aus Sicht des Gerichts damit gerade nicht als strafbare Handlung dar. Eine sauber abgefasste Pressemitteilung nach Zustellung der Urteilsgründe hätte hier sicherlich viele Verwirrungen vermieden. Vielleicht aber standen hier einfach werbliche Gesichtspunkte im Vordergrund und ist die Verunsicherung der Zahnärzteschaft billigend in Kauf genommen worden.
Paragraf 9 GOZ als Angriffspunkt
Aber worüber hat das Landgericht Hamburg denn dann entschieden, wenn nicht über die Strafbarkeit des Geschäftsmodells des Partnerfactorings? Ein Blick in das Urteil schafft Klarheit. Das Landgericht ist der Ansicht, das Partnerfactoring verstoße gegen Paragrafen 9 GOZ, weil sich die vom Zahntechniker an den Factor zu zahlende Gebühr als Preisreduzierung der zahntechnischen Leistung gegenüber dem Zahnarzt darstelle, die an den Patienten weiterzugeben sei.
Diese Schlussfolgerung basiert zum einen auf der Annahme, die mit dem Partnerfactoring erfolgende „Übernahme“ der auf die zahntechnische Leistung entfallenden Factoringgebühren sei nicht mit einem üblichen Barzahlungsrabatt (Skonto) vergleichbar, da ein Skonto „an die Einhaltung einer besonders kurzen Zahlungsfrist durch den Zahlungspflichtigen (zum Beispiel zehn Tage ab Rechnungserhalt)“ gebunden sei, während es im Partnerfactoring erst dann zu einem Ausgleich der Zahntechnikerrechnung durch den Factor komme, wenn auch der Zahnarzt seinerseits gegenüber dem Patienten abgerechnet habe. Damit aber würden „die für Skonti üblichen kurzen Zahlungsfristen bezogen auf die Abrechnung des Dentallabors gegenüber dem Zahnarzt in aller Regel nicht eingehalten“.
„Ein Skonto wird üblicherweise nur gewährt, wenn das Labor kurzfristig nach Leistungserstellung und Abrechnung bezahlt wird. Sachverhalte, bei denen eine vergleichbar zügige Zahlung nach Fertigstellung und Inrechnungstellung der Leistung nicht gewährleistet ist, sind mit den üblichen Skonti nicht vergleichbar“, heißt es in den Entscheidungsgründen. Diese Feststellung des Landgerichts ist bereits fehlerhaft und zeigt eine deutliche Verkennung der tatsächlichen Zusammenarbeit zwischen Labor und Zahnarzt.
Problematischer Zugriff auf Skonto-Praxis
Das Landgericht ist der Auffassung, ein Skonto könne nur dann gewährt werden, wenn das Labor kurzfristig nach Leistungserstellung und Abrechnung bezahlt werde. Dies ist indes unzutreffend und verkennt zum einen das Wesen der vertraglichen Beziehung zwischen einem Zahnarzt und einem Dentallabor über die Herstellung und Lieferung von Zahnersatz, zum anderen die von Rechtsprechung und Literatur anerkannte und gelebte Abrechnungspraxis in der Dentalbranche.
Auf die gegenseitigen Vertragspflichten bei der rechtsgeschäftlichen Beauftragung eines Dentallabors beziehungsweise Zahntechnikers durch den Zahnarzt mit der Herstellung und Lieferung von Zahnersatz findet Werkvertragsrecht Anwendung (Oberlandesgericht – OLG – Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 2009, Az.: I-5 U 135/08). Die Verweisungsvorschrift des Paragrafen 651 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die zur Anwendung der Vorschriften des Kaufrechts führen würde, greift nicht. Dies ist absolut herrschende Meinung und führt dazu, dass der Zahntechniker gemäß Paragraf 641 Absatz 1 BGB seine Vergütung erst nach Abnahme der Werkleistung durch den Zahnarzt verlangen kann und diese auch erst zu diesem Zeitpunkt fällig wird.
Nach ebenso absolut herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung stellt jedoch „erst das endgültige Eingliedern/Einzementieren der zahntechnischen Arbeit und die dadurch erfolgte Verwertung der Leistung des Zahntechnikers durch den Zahnarzt bei der Erfüllung seiner eigenen Verpflichtungen im Verhältnis zu dem Patienten ein Verhalten des Zahnarztes dar, dem der Bedeutungsgehalt einer schlüssigen Billigung des Werkes beigemessen werden kann.“ (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Erst indem der Zahnarzt die zahntechnische Arbeit endgültig einzementiert und damit bewirkt, dass sie nicht mehr entfernt werden kann, ohne sie zu zerstören, bringt er regelmäßig zum Ausdruck, dass er sie als vertragsgemäß anerkannt und abgenommen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2007, Az.: I-5 U 57/07; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 1992, Az.: 22 U 146/92; OLG Frankfurt, Urteil vom 17.02.2005, Az.: 26 U 56/04).
Erst zu diesem Zeitpunkt liegt eine fällige Vergütungsforderung des Zahntechnikers gegenüber dem Zahnarzt überhaupt vor, auf die sich ein Skontoabzug beziehen kann. Der Zeitpunkt, zu dem das Labor die zahntechnische Leistung erstellt und abrechnet, ist damit – entgegen der Darstellungen des LG Hamburgs – in keinem Fall ordnungsgemäßer Bezugspunkt eines Skontos, denn über selbiges soll nicht etwa der Fälligkeitszeitpunkt vorverlagert, sondern lediglich der zeitnahe Ausgleich einer fälligen (!) zahntechnischen Forderung „belohnt“ werden. Es geht in diesem Sinne also um die Verkürzung der Zahlungs- und nicht etwa der Fälligkeitsfrist.
Fehlerhafte Feststellung verkennt Branchenüblichkeit
Auch die weitere (inzidente) Feststellung des LG dahingehend, dass für das Skonto auf die Einzelrechnung des Zahntechnikers gegenüber dem Zahnarzt abzustellen sei, ist fehlerhaft und verkennt die Branchenüblichkeit. So ist es ständige und langjährige Übung, im Abrechnungsverkehr zwischen Zahntechniker und Zahnarzt gerade nicht auf die Einzelrechnung abzustellen, sondern auf die Monats- oder Sammelrechnung zu bezahlen (so beispielsweise Henninger, in: ZWL Zahntechnik Wirtschaft Labor – 4/2016, S. 14; Lennartz, lennmed.de-News 2017; jeweils m.w.N.; Rundschreiben der Zahntechniker Innung RLP, 15. Mai 2014, abrufbar unter: www.zahntechnikerinnung.de/fileadmin/sekulla/Rundschreiben/RS_06-2014.pdf; Compliance-Leitlinie der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, S. 7 unter 3.; Mehling, PA, www.iww.de/pa/archiv/aktuelle-gesetzgebung-rabatte-skonti-und-beteiligungen-was-ist-nach-dem-antikorruptionsgesetz-noch-erlaubt-f95463).
Daraus ist, wie es Henninger zutreffend feststellt „der Schluss zu ziehen, dass für den Skonto die Zahlung aufgrund der Monatszusammenstellung die „Unverzüglichkeit“ bestimmt. Für den Skonto maßgebend ist danach die Zahlungsfrist auf der Grundlage der Monatszusammenstellung und nicht aufgrund der Einzelrechnung.“ (Henninger, a.a.O., S. 14; vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 23. September 2004, Az.: 10 U 90/04). Hieran hat auch der Gesetzeber festgehalten, als er über das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen beraten und selbiges verabschiedet hat (so auch Lennartz, a.a.O., S. 2).
Bezahlt der Zahnarzt die aus einer Monatsrechnung ersichtlichen fälligen (das heißt abgenommenen = den eingegliederten Zahnersatz betreffenden) Forderungen „unverzüglich“ (binnen 14 Tagen ab Erhalt der Monats- oder Sammelrechnung), so ist er berechtigt, bei seiner Zahlung ein Skonto in Höhe von 3 Prozent einzubehalten, welches er – ohne Verstoß gegen Paragrafen 9 GOZ – nicht an seinen Patienten weitergeben muss.
Diese Situation und nicht etwa der vom LG fälschlicherweise angenommene Alternativsachverhalt hätte einem Vergleich zwischen Skontoregelung und Partnerfactoring zugrunde gelegt werden müssen. Wäre dies geschehen, so wäre deutlich geworden, dass hier nicht nur eine Vergleichbarkeit besteht, sondern mit dem Partnerfactoring – welches, wie das LG zutreffend feststellt, auf die fällige Einzelrechnung abstellt und damit wesentlich zeitnaher zu einem Rechnungsausgleich gelangt – oftmals nicht nur eine Gleichstellung, sondern eine Besserstellung des Zahntechnikers verbunden ist, weil er – beispielsweise bei Leistungserbringung zum 1. eines Monats und Eingliederung zum 1. des Folgemonats nicht erst zum 14. des dritten Monats, sondern unmittelbar zum Fälligkeitszeitpunkt bezahlt wird. Damit jedoch ist eine Vergleichbarkeit mit der Skontisituation, wollte man sie für erforderlich halten, tatsächlich gegeben und hätte ein Verstoß gegen Paragraf 9 GOZ auch nach Auffassung des LG Hamburgs ausscheiden müssen.
Funktionsweise des Factorings nicht erkannt
Weiter sieht das LG Hamburg auch keine Vergleichbarkeit mit einem zulässigen Factoring-Vertrag zwischen Labor und Abrechnungsdienstleister als gegeben an. Auch hier verkennt das Gericht ganz offensichtlich die Funktionsweise des Factorings. Denn auch der Factor zahlt regelmäßig und üblicherweise nur auf fällige Forderungen des Zahntechnikers. Hierfür ist – wie oben geschildert – indes nicht die Rechnungsstellung, sondern allein die Abnahme (= Eingliederung) durch den Zahnarzt entscheidend. Im Vergleich zur durchaus bestehenden Möglichkeit des Factorings der Monats-/Sammelrechnungen an ein beliebiges Factoringunternehmen, ergibt sich für das zahntechnische Labor bei Rückgriff auf das Partnerfactoring zudem auch ein Vorteil dahin gehend, dass dieses nicht mit dem Skonto gegenüber dem Zahnarzt und einer Factoringgebühr belastet wird.
Der Zahnarzt wird beim Partnerfactoring – hierin ist dem LG Hamburg zuzustimmen – zwar nicht (mehr) mit den Factoringgebühren der zahntechnischen Leistung belastet, dies indes ist nicht unlauter oder unrechtmäßig, sondern resultiert zwingend aus dem Umstand, dass der Factor zum Zeitpunkt der Abrechnung der zahnärztlichen Leistung gegenüber dem Patienten seinerseits bereits Inhaber der Forderung des Zahntechnikers gegenüber dem Zahnarzt ist.
Der Factor selbst würde, wollte er den Zahnarzt also im Rahmen der Patientenabrechnung auch in Bezug auf „seine“ Zahntechnikforderungen mit einer Factoringgebühr belasten, „doppelt abkassieren“, was jedenfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben kaum als zulässig anzusehen wäre. Daher sind, wenn der Factor des Zahntechnikers zugleich der Factor des Zahnarztes ist, die auf die zahntechnischen Leistungen anfallenden Kosten bei der Berechnung der vom Zahnarzt zu zahlenden Factoringgebühren nach hiesiger Auffassung zwingend unberücksichtigt zu lassen.
Eine Bevorzugung des Zahnarztes ist damit nicht verbunden, zumal dieser im Falle des Partnerfactorings auch sein Recht auf Skontoeinzug gegenüber dem Labor verliert. Auch an einem Vergleich mit einem zulässigen Fremdfactoring des Zahntechnikers, kann die Unzulässigkeit des Partnerfactorings daher nicht festgemacht werden.
Skontopraxis infrage gestellt
Im Ergebnis zeigt sich damit, dass ein Verstoß gegen Paragraf 9 GOZ – entgegen der Rechtsauffassung des LG Hamburg – beim Partnerfactoring nicht festzustellen ist. Dieses ist, da keine feste Wertgrenze zulässiger Factoringgebühren existiert, auch nicht als strafbare Handlung einzustufen, sondern vielmehr strafrechtlich unbedenklich. Dies – und dies sei abschließend noch einmal klargestellt – hat offensichtlich auch das LG Hamburg so gesehen.
Nicht zuletzt auch, weil das LG Hamburg die generelle Zulässigkeit der Skonto-Gewährung zwischen Zahntechniker und Zahnarzt grundsätzlich infrage stellt (in den Gründen heißt es: „wobei Barzahlungsrabatte von 3 Prozent bei dem derzeitigen Zinsniveau kaum noch der Verkehrsüblichkeit entsprechen dürften“), ist daher zu hoffen, dass die beteiligten Prozessparteien hier Berufung einlegen, damit das OLG Hamburg die fehlerhaften zivilrechtlichen Feststellungen des Landgerichts korrigieren und tatsächlich für ein Mehr an Rechtssicherheit in der Zahnarztpraxis sorgen kann.