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Paro-Behandlung: Was du nicht willst, das man dir tu …

Prof. Dr. Michael Noack

Prof. Dr. Michael Noack

Partizipativer Entscheidungsprozess: Ist die Therapieform, die in randomisierten klinischen Studien am besten belegt ist, wirklich diejenige, die für jeden Patienten passt?

Da wir regelhaft auf der richtigen Seite der Nadel oder der Turbine sind, ist uns nicht ständig bewusst, dass für viele Patienten der Weg zu uns genauso stressig ist, wie unser Weg zum Beispiel zum Urologen.

Eigentlich wissen wir ja ganz genau, was gut für unsere Patienten ist. Warum wählen dann so viele meiner Patienten eine andere Partei als ich und warum haben sie möglicherweise auch eine andere Religion. Wie kann das sein? Richtig nachdenklich wird man insbesondere dann, wenn im Bekannten- oder Familienkreis existenzielle Therapieentscheidungen diskutiert werden. Bei manchen onkologischen Therapieformen wird zum Beispiel die Lebensdauer um ca. ein bis zwei Monate verlängert, wovon man gefühlt drei Monate im Krankenhaus oder beim Arzt verbringen muss.

Offenbar gibt es also noch eine weitere richtige Sicht der Dinge, nämlich die Patienten-Perspektive – seine Entscheidungskriterien, seine Wertvorstellungen und seine Möglichkeiten. Beispiel Sondierungstiefe, Lockerungsgrad und der Attachmentverlust: Kaum hat der Patient den Wunsch formuliert, er wolle unbedingt seine Zähne behalten, geht bei uns schon das Rattern nach dem aussichtsreichsten Weg im Entscheidungsbaum der Erkenntnisse und der eigenen klinischen Erfahrung los. Vielleicht etwas zu früh.

Therapiepräferenz bei Patienten mit Parodontalerkrankungen

Worauf kommt es den Patienten eigentlich bei der Erhaltung ihrer Zähne unter gesunden Verhältnissen an? Verringerung der Sondierungstiefe, Attachmentgewinn, Abwesenheit von Blutung?

Wir waren kürzlich an einer klinischen Studie beteiligt, bei der Patienten mit Parodontalerkrankungen ihre Therapiepräferenz (Discrete choice experiment) festlegen sollten. Die Vermeidung von Zahnverlust war das wichtigste Behandlungsergebnis, gefolgt von verschiedenen Symptome, wie zum Beispiel weniger Blutung, „keine langen Zähne“ und Anzahl der notwendigen Sitzung sowie zuletzt den Kosten.

Wie geht man mit dem Dilemma der verschiedenen Blickwinkel und Prioritäten um, wenn man sich patientenzentriert verhalten will? Ganz einfach, wir gehen mit unseren Patienten einfach so um, wie wir es für uns selbst haben wollen. Oder wollen Sie über Ihren Körper nicht selbst bestimmen?

Chirurgischer Eingriff oder konservative Therapie

Im Rahmen einer partizipativeren Entscheidungsfindung erläutern wir dem Patienten die biologischen Konsequenzen der verschiedenen (medizinisch denkbaren alternativen) Therapieformen. Dabei geht es um die wichtigen Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren – einschließlich des dazu notwendigen Aufwands. Im Dialog kann dann der Patient gemeinsam mit uns entscheiden, welche Therapieaussichten er anstrebt und welche Risiken er bereit ist zu tragen.

So sieht ein Entscheidungsfindungsprozess bei einer mittelschweren Parodontitistherapie aus: Die gängigen/üblichen Therapieoptionen, also chirurgischer Eingriff (aufschneiden, unter Sicht reinigen und zunähen) oder konservative Therapie mittels „Scaling und Root Planing (SRP)“ werden kurz vorgestellt. Wir sprechen dabei von „SRP+“, wenn ergänzend zum SRP eine begleitende unterstützende medikamentöse Zugabe zum Einsatz kommt. Für die Patientenberatung ist dabei der Begriff „unterstützend“ relevant – weniger die Fakten, dass ein Slow-release Chlorhexidin-„Depot“ die Sondierungstiefe auch unter deutschen Rahmenbedingungen verringert (Kasaj, Chiriachide et al. 2007) und dank der Reduktion von Entzündungsmediatoren (alkalische Phosphatase, MMP-8) die Blutungsneigung relevant verringert (Paolantonio, Dolci et al. 2008) – im Gegensatz zu Chlorhexidinspülungen der Tasche (Hanes and Purvis 2003).

Insgesamt kommt man in einer patientenzentrierten Zahnarztpraxis an dem Recht zur Selbstbestimmung der Patienten nicht vorbei. Interessant ist aber, dass die partizipative Entscheidungsfindung in der Routine nicht mehr Zeit kosten muss, jedoch können sich viele zusätzliche Therapieoptionen ergeben, die Patienten auch zufriedener machen.

Prof. Dr. Michael J. Noack, Köln


Literatur

Hanes, P. J. and J. P. Purvis (2003). „Local anti-infective therapy: pharmacological agents. A systematic review.“ Ann Periodontol 8(1): 79-98.

Kasaj, A., A. Chiriachide and B. Willershausen (2007). „The adjunctive use of a controlled-release chlorhexidine chip following treatment with a new ultrasonic device in supportive periodontal therapy: a prospective, controlled clinical study.“ Int J Dent Hyg 5(4): 225-231.

Paolantonio, M., M. Dolci, G. Perfetti, G. Sammartino, D. A. D, G. Spoto, C. Ciampoli, D. De Amicis and S. Tete (2008). „Effect of a subgingival chlorhexidine chip on the clinical parameters and the levels of alkaline phosphatase activity in gingival crevicular fluid during the non-surgical treatment of periodontitis.“ J Biol Regul Homeost Agents 22(1): 63-72.


 

Leserbrief zu: „Partizipativer Entscheidungsprozess“, DZW 13-14/2018

Zum vorliegenden Meinungsbeitrag von Prof. Dr. Michael Noack erreichte die DZW-Redaktion folgende Leserzuschrift:

Sehr geehrter Herr Pick, mit großem Interesse habe ich in der DZW (Ausgabe 13-14/18) den Artikel „Partizipativer Entscheidungsprozess“ von Professor M. Noack gelesen.

Ich kann nur sagen: Herr Noack spricht mir aus der Seele. Hier bringt es ein angesehener Meinungsbildner auf den Punkt. Seit vielen Jahren bietet unser Unternehmen den Praxen mit unserem Produkt PerioChip bereits das „Plus“ beim SRP an. Wir haben es bloß bisher nicht so bezeichnet. PerioChip ist ein kleines Gelatine-Insert für Parodontaltaschen, das eine hohe Konzentration von CHX (ca. 36 Prozent pro Chip) langsam über einen Zeitraum von sieben Tagen freisetzt. Dadurch wird zusätzliche Therapiesicherheit bei der konservativen Behandlung einer mäßigen bis schweren Parodontitis erreicht – im klinischen Einsatz und wissenschaftlich bewiesen.

Dem partizipativen Entscheidungsprozess gehört die Zukunft. Die Behandler können Ihren Patienten im Rahmen der Entscheidung zwischen chirurgischem Eingriff (aufschneiden, unter Sicht reinigen und zunähen) oder konservativer Therapie mittels „Scaling und Root Planing“ mit dem PerioChip ein wertvolles Plus bieten – eben „SRP Plus“.

Dr. Bernd Kretschmann, Alzenau
Marketing Manager Branded Products,  Dexcel Pharma GmbH