Mit einer solchen Stornoklausel behalf sich eine Schönheitsklinik gegenüber einer Patientin. Wer letztendlich auf den Kosten für den abgesagten Behandlungstermin sitzen bleibt, Klinik oder Patient, entschied das Amtsgericht München (AG München, Urteil vom 3. März 2016, Az.: 213 C 27099/15).
Ausstieg aus der Behandlung
Eine Patientin vereinbarte mit einer Schönheitsklinik eine Wahlleistungsvereinbarung über eine Magenballonbehandlung zu einem Bruttobetrag von fast 2.500 Euro. Die Wahlleistungsvereinbarung regelte, dass die Patientin als Stornogebühr von den Behandlungskosten „weniger als 14 Tage vor dem Eingriff 40 Prozent, innerhalb von sieben Tagen vor dem Eingriff 60 Prozent, innerhalb von 48 Stunden vor dem Eingriff oder bei Abwesenheit am Eingriffstag 100 Prozent“ zu tragen habe.
Die Patientin sagte den Behandlungstermin zwei Tage vorher ab. Die Klinik berief sich darauf, dass sie diesen Termin nicht mehr anderweitig vergeben konnte und wollte von der Patientin 2.500 Euro. Darüber hinaus sah die Wahlleistungsvereinbarung eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 60 Euro bei Absage oder Verschiebung des Eingriffstermins vor.
Stornierungskosten höher als Behandlungshonorar
Das Amtsgericht monierte, dass der Patient bei kurzfristiger Absage des Eingriffs mehr bezahlen müsse als er bei Durchführung des Eingriffs zu leisten hätte. Denn die Patientin hätte nicht nur die vollen Kosten des Eingriffs, sondern zusätzlich 60 Euro Verwaltungsaufwand tragen müssen. Ein derart hoher Schaden sei völlig realitätsfern und offenkundig einseitig zugunsten der Klinik festgelegt und hätte mit einer Pauschalierung von Schadenersatzansprüchen nichts mehr zu tun.
Patienten-Schutz oder wirtschaftlich rentable Arbeitszeit
Weiterhin führte das Gericht aus, dass der Patient sich gerade unmittelbar vor der Durchführung eines körperlichen Eingriffs erfahrungsgemäß noch mal eindringlich mit den Auswirkungen und Folgen einer Operation auseinandersetzen will. Deswegen müsse er die Möglichkeit haben, jederzeit und formfrei kündigen zu können.
Ferner weist das Urteil darauf hin, dass dem Patienten die Lösung vom Vertrag nicht durch finanzielle Nachteile erschwert werden dürfe, die ihn bei seiner Entscheidung beeinträchtigen könnten. Das Gericht erteilte damit der in der Rechtslehre vertretenen Auffassung „einer maßvollen Einschränkung“ des Kündigungsrechts des Patienten eine Absage. Das Gesetz würde nicht das schützenswerte Interesse des Arztes, seine Arbeitszeit wirtschaftlich auszugestalten, als Einschränkungen vorsehen.
Patientenrechte individuell einschränken
Es handelt sich zwar „nur“ um ein lokal begrenztes Amtsgerichts-Urteil. Der Entscheid kann andere Gerichte aufscheuchen: Er ist zum Patientenrechtegesetz ergangen und bisher das einzig veröffentlichte Urteil seiner Art! Dass Stornierungsgebühren nicht höher sein dürfen als die Behandlungskosten selbst, ergibt Sinn.
Zu Recht beanstandete das Amtsgericht auch den von der Klinik angesetzten Bruttobetrag als Stornokosten. Denn eine Umsatzsteuer gibt es bei einer abgesagten Behandlung nicht.
Das Amtsgericht kommt insgesamt zu dem Ergebnis, dass ein Vertrauensverlust eines Patienten zu seinem Behandler nicht mit einer Schadensersatzpflicht sanktioniert werden dürfe. Dies kann man in dieser Pauschalität nicht stehen lassen. Die Klinik hätte sich durchaus den Honoraranspruch konservieren – eben nicht mit einer AGB-rechtswidrigen Vertragsgestaltung.
Auf die Einhaltung des AGB-Rechts (zum Beispiel in Patientenaufnahmebögen) ist insgesamt zu achten, weil sich Arzt oder Klinik gegenüber dem Patienten andernfalls schadenersatzpflichtig machen oder abgemahnt werden können.