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Von verborgenen bis fehlenden Leitplanken
Betrug und Korruption im Gesundheitswesen haben bei einer süddeutschen Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr zu einem Anstieg der Ermittlungsverfahren um ein Drittel geführt.

Betrug und Korruption im Gesundheitswesen haben bei einer süddeutschen Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr zu einem Anstieg der Ermittlungsverfahren um ein Drittel geführt.

Die Irritationen unter Ärzten und Zahnärzten bleiben nach wie vor erhalten, weil bisher keine veröffentlichte Rechtsprechung zu den neuen Strafrechtsvorschriften der Bestechung und Bestechlichkeit existiert. Es fehlen letztgültige Leitentscheide, die Klarheit zu Kooperationsverträgen wie zum Beispiel von Berufsausübungsgemeinschaften oder mit der Industrie oder mit Kollegen liefern.

Nicht weniger unsicher macht, wonach die Ermittlungsbehörden suchen. Die im Verborgenen ablaufenden Ermittlungsverfahren können beim Verständnis helfen, wie die Staatsanwaltschaften das neue Strafrecht interpretieren. Dass die Staatsanwaltschaften im Gesundheitswesen durchgreifen, zeigen vereinzelt kommunizierte Zahlen. Betrug und Korruption im Gesundheitswesen haben bei einer süddeutschen Staatsanwaltschaft im Jahr 2016 zu einem Anstieg der Ermittlungsverfahren um ein Drittel geführt. Die von manch Behandler geäußerte kühne Prognose, dass die Regelungen eine „Luftnummer“ wären und es zu keinen Ermittlungen kommen würde, scheint damit ziemlich zügig erledigt zu sein.

Weniger erledigt sind die offenen Fragen. Die in das Gesetz aufgenommenen strafrechtlichen Regelungen hinterlassen nämlich trotz einer intensiven Lektüre mehr Fragen, als dass sie Antworten oder eine Sensibilisierung liefern könnten. Sensibilität ist jedoch Voraussetzung, um dem deutlichen Anliegen des Antikorruptionsrechts gerecht zu werden,

Interessenkonflikte bei fachlichen Entscheidungen der Ärzte und Zahnärzte nicht aufkommen zu lassen. Weniger handfest werden die Regelungen jedoch dann, wenn man sich die Interessengegensätze von Ärzten und Zahnärzten in der Praxis einmal vergegenwärtigt und dann prüft, ob die Interessenkonflikte schon oder noch unter das Strafrecht fallen. Veranschaulicht werden soll dies einmal anhand einer aktuellen Gerichtsentscheidung, die das Thema Interessenkonflikt streift.

 


Seminartipp: Korruptionsstrafrecht im Gesundheitswesen – Vorbeugen mit Compliance

Freitag, 17. November 2017
Zeit: 14 bis 18 Uhr
Ort: Haranni Academie, Herne

Das Seminar bringt Licht in den Dschungel des Korruptionsstrafrechts, erläutert relevante Bereiche des Straf-, Wettbewerbs- und Medizinrechts und liefert eine erste unerlässliche Orientierung, die auch bereits laufende Ermittlungsverfahren mit einbezieht.

Informationen und Anmeldung unter www.haranni-academie.de oder telefonisch unter (02323) 94 68-300


 

Das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 28. Juni 2017 – Az.: L 9 KR 89/15 KL) musste über die Streichung einer ärztlichen Organisation von der Liste der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften entscheiden. Auslöser war der anonyme Hinweis eines Dritten, dass die Voraussetzungen zur Aufnahme in diesen Kreis der Fachgesellschaften nicht gegeben seien. Gegen die daraufhin erfolgte Aufhebung des Status als wissenschaftliche Fachgesellschaft klagte die ärztliche Organisation.

Gericht kritisiert Honorarinteresse

Das LSG Berlin-Brandenburg wies die Klage ab. Es bestätigte, dass eine wissenschaftliche Fachgesellschaft gerade ausmache, das Ziel zu verfolgen, medizinisches Wissen durch Forschung zu erweitern oder durch Lehre weiterzugeben. Dies wäre bei dem klagenden Berufsverband nicht der Fall.

Das Obergericht wies auf den heiklen Umstand der sichtbaren standespolitischen Interessenvertretung hin. Die Verteidigung von ärztlichen Standesinteressen würde aber nicht ohne mögliche Folgen für eine Abstimmung über eine neue Behandlungsmethode bleiben. Es könnten nämlich abrechnungspolitische Motive das Votum eines Berufsverbands steuern. Dies wäre eben etwas anderes als das Votum einer Fachgesellschaft, die sich ausschließlich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichtet.

Zugleich wiesen die Richter auf die massive Bedeutung der Akzeptanz der Entscheidungen des GBA hin und damit auf die Wahrung des Patientenvertrauens in die getroffenen Entscheidungen zu Behandlungsmethoden. Oder auf den Punkt gebracht: Das Gericht beleuchtete nicht weniger als die unangenehme Problematik, wer denn wirklich von der Stimmgabe des Verbands profitiert – die Patienten oder doch die am Ende abrechnenden Ärzte.

Hier finden Sie Teil 1 unsere Serie:
"Korruptionsstrafrecht im Gesundheitswesen"