Im ersten Teil unserer Serie "Zahnärzte international" verrät Barbara Marcinkowska, wie die zahnärztliche Versorgung in Polen funktioniert.
„Die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland und Polen ist gar nicht so unterschiedlich“, erzählt Barbara Marcinkowska. „Bis auf die Tatsache, dass wir in Polen eine einzige Volksversicherung haben, die eine (zahn)medizinische Grundversorgung sicherstellt, müssen auch polnische Patienten hohe Zuzahlungen leisten. Die meisten Leistungen, die bei Vertragszahnärzten in Anspruch genommen werden, müssen vom Patienten übernommen werden“, fügt sie hinzu. Seit 30 Jahren praktiziert die polnische Zahnärztin privat und führt erfolgreich eine Praxis im westpolnischen Wolsztyn. Ihre Schwerpunkte sind Prothetik, Prophylaxe, allgemeine Zahnmedizin, Oralchirurgie, Orthodontie, Kinderzahnheilkunde sowie Seniorenzahnmedizin.
Rundumausbildung zahlt sich aus
Vor der politischen Wende 1989/1990 mussten polnische Zahnärzte in Vollzeit in staatlichen Einrichtungen arbeiten und durften zweimal pro Woche privat dazuverdienen. Schon sehr früh ergriff die heute 68-Jährige diese Chance: „Früher musste ein Zahnarzt in Polen alles können“, erinnert sich die Zahnärztin, die an der Medizinischen Universität in Breslau studiert hat. Das zahnmedizinische Studium dauerte damals (wie auch heute) fünf Jahre. Nach ihrer Assistenzzeit und Spezialisierung in allgemeiner Zahnmedizin arbeitete sie unter anderem als Schul- und Betriebszahnärztin. Davon profitiere sie bis heute – als Zahnärztin und als Unternehmerin, sagt Marcinkowska.
Patienten schätzen sie für ihre Empathie, Fachkompetenz und ihren besonderen Zugang zu Kindern. „Wenn ein Patient zu mir kommt, stelle ich mir vor, an seiner Stelle zu sein. Was wünsche ich mir, wenn ich auf dem Behandlungsstuhl sitze und nicht weiß, was mich erwartet?“, erklärt sie. „Kleinen Patienten begegne ich mit Lächeln und versuche, sie an die Situation zu gewöhnen. Ich gehe in die Hocke und mache dem Kind Komplimente, wie mutig es ist. Am Ende der Behandlung gibt es immer eine Tapferkeitsmedaille.“
Neu ist nicht immer gut
Für ihre Arbeit benutzt sie viele polnische, japanische und amerikanische Produkte, Materialien und Medikamente. Sie schätzt aber auch deutsche Geräte und Materialien sehr, wie zum Beispiel die Polymerisationslampe und die Devitalisationspasten des Dentalunternehmens Voco aus Cuxhaven. Auf einer Dentalmesse in Posen hat sie vor vielen Jahren ein Set aus Autoclav 23, Thermodesinfektor und Foliensiegelgerät von Melag erworben. Damit arbeitet sie bis heute. „Ich habe eine tadellos funktionierende Retro-Praxis“, lacht Marcinkowska. „In meinem Alter lohnt es sich nicht mehr, in moderne Geräte und eine schicke Praxisausstattung zu investieren.“
Mittlerweile behandelt sie nur noch etwa acht Patienten am Tag. Von Neuheiten sei sie schon oft enttäuscht worden. Viele Gerätschaften gingen schnell kaputt. „Meine Ausstattung ist zwar teilweise noch mechanisch und nicht elektronisch, dafür aber sind Reparaturen selten, einfach und günstig. Wenn nötig, ist mein Gerätetechniker binnen einer halben Stunde da. Ich nenne ihn ‚Goldhändchen‘, denn er hat immer eine schnelle Lösung parat.“ Und schließlich sei die Fachkompetenz auch für Patienten wichtiger, die sich anfänglich von hochmodernen Geräten und Inneneinrichtungen haben blenden lassen. Viele solcher Fälle behandele sie nach.
Vom Gesundheitstourismus aus Deutschland profitiere sie nicht, obwohl ihre Praxis nur etwa 130 Kilometer von Frankfurt an der Oder entfernt ist. Vielmehr lassen sich einheimische Familien über Generationen hinweg von ihr behandeln. Viele ihrer Patienten haben Verwandte in Frankreich, England, Deutschland und den Niederlanden. Bei jedem Besuch in der Heimat schauen sie bei Marcinkowska vorbei. Neuerdings seien auch viele Ukrainer bei ihr in Behandlung. „In Polen arbeiten sehr viele gute Fachleute. Und auch die Ausstattung der Praxen ist mittlerweile top.“
Dank ihres allumfassenden Studiums und ihrer beruflichen Laufbahn sei sie „eine Alleinunternehmerin mit allem, was dazu gehört“, sagt Barbara Marcinkowska am Ende unseres Gesprächs. Noch denkt sie nicht daran, ganz aufzuhören. Weil ihr der Beruf so viel Freude macht, möchte sie arbeiten, solange es die Gesundheit zulässt.