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weg oder Weg

Und sie dreht sich doch – die Gesundheitspolitik. Und zwar im Kreis. Allenthalben wird der (Zahn-)Ärztemangel beklagt: Oh je, die Versorgung im ländlichen Raum. Oh je, die demografische Entwicklung. Oh je, Angestellte in Teilzeit, Worklife-Balance. 17,8 Prozent der niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte bundesweit sind 65 Jahre und älter. Gut 36 Prozent aller zahnärztlich Tätigen sind 55 plus und 31 Prozent arbeiten derzeit im Angestelltenverhältnis.

(Zahn-)Ärztemangel: Reformbedarf statt Mangelverwaltung

Das sind Zahlen, die nicht nur der Standespolitik zu denken geben sollten. Doch statt neuer Konzepte für neue Ausgangsbedingungen zaubern Politik und Teile der Selbstverwaltung nur alte „Kamelle“, wie die Rheinländer sagen, auf den Tisch. Will sagen, die Kaninchen, die aus den verstaubten Zylindern springen sollen, hoppeln kaum mehr. Zeit für neue Wege. Eigentlich.

Budgetierung statt Reformen

Fangen wir mit der Ende 2022 durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nach Jahren wieder eingeführten Budgetierung an. Die erst Mitte 2021 in den GKV-Leistungskatalog eingeführte präventionsorientierte Par-odontitistherapie wurde zu Beginn 2023 direkt wieder durch Bundesgesundheits-minister Prof. Dr. Karl Lauterbach gedeckelt. Mit verheerenden Folgen. So meldet gerade die KZV Rheinland-Pfalz: „Die Daten der KZV Rheinland-Pfalz belegen einen Einbruch der Neubehandlungsfälle in der Parodontitistherapie. Trotz einer unverändert hohen Krankheitslast ist die Zahl im Dezember 2023 um mehr als 40 Prozent gefallen. Somit wurden sogar noch weniger Parodontitispatienten behandelt als vor der Einführung der neuen Parodontitis-Versorgungsstrecke.“

Die am 23. Oktober 2023 vorgelegte Evaluierung des BMG kam noch zu einem ganz anderen Ergebnis. Nämlich – Honi soit qui mal y pense –, dass durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) eine Verschlechterung der Versorgung von Versicherten mit Leistungen der Parodontitisversorgung nicht festgestellt werden könne. Das widerspricht auch den bundesweiten Abrechnungsdaten der KZBV. Aber Lauterbach kann halt Leistungen streichen und von „keine Leistungskürzungen reden“. Die Folgen dieser Politik haben wir an dieser Stelle schon oft genug angeprangert.

Nicht anders sieht es mit der GOZ aus. Der derzeitige GOZ-Punktwert liegt seit 1988 bei 11 Pfennigen und wurde damit seit mehr als 35 Jahren nicht angepasst. Anders sieht es bei der GOT aus. Ein Tierarzt erhält für die Extraktion eines Katzenzahns (einfacher Satz) 10,26 Euro, ein Zahnarzt für die Extraktion eines mehrwurzeligen Zahns 6,19 Euro. Finde den Fehler. Wertschätzung für die Zahnärztinnenschaft geht anders.

Die Mär als Rechenspiel

Auch von Kassenseite ist nicht viel für die Aufwertung der ambulanten Versorgung zu erwarten. Alle Jahre wieder verhandeln der GKV-Spitzenverband für die Gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztliche Bun-desvereinigung (KBV) für die Vertragsärztinnen und -ärzte sowie Vertragspsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten die Anpassung der Preise für ambulante ärztliche Leistungen. Und alle Jahre wieder werden da interessensbedingt ganz unterschiedliche Positionen ins Rennen geschickt.

Dieses Jahr bildet der GKV-Spitzenverband den Auftakt und berichtet im hauseigenen Magazin „90 Prozent“ über seinen Blick auf das Vergütungsgeschehen: „Mit der jüngsten Erhebung des Statistischen Bundesamtes zur Kosten- und Erlösstruktur in Arzt- und Psychotherapeutenpraxen lässt sich ein aktueller Blick auf die wirtschaftliche Si-tuation der ambulant tätigen Ärzteschaft in Deutschland werfen. Die Ergebnisse zeigen, dass in den vergangenen Jahren zwar die Praxisaufwendungen deutlich gestiegen sind. Gleichzeitig erhöhten sich jedoch auch die Einnahmen, insbesondere aus der Tätigkeit für die GKV“, schreibt Dr. Ronny Klein, Fachreferent im Referat Gesamtvergütung/Bundesmantelvertrag in der Abteilung Ambulante Versorgung beim GKV-Spitzenverband. Das lässt ahnen.

So führt Klein weiter aus: „Eine zentrale Kennzahl der wirtschaftlichen Situation der Vertragsärzteschaft stellt die Differenz aus den Einnahmen und den Aufwendungen einer Praxis dar. Aus diesem Jahresüberschuss werden die Inhaber/-innen einer Praxis ‚entlohnt‘. Der Jahresüberschuss je Praxisinhaber/-in lässt sich daher mit dem Bruttoeinkommen angestellter Beschäftigter zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung vergleichen – also dem Einkommen vor Abzug persönlicher Steuern und Sozialabgaben.“ Dann rechnet Klein weiter: „Im Jahr 2021 lag der Reinertrag je Inhaber/-in einer Arztpraxis bei durchschnittlich 237.000 Euro beziehungsweise bei monatlich 19.700 Euro. Im Jahr 2015 erzielten die ärztlichen Praxisinhaberinnen und -inhaber noch einen Jahresüberschuss in Höhe von 190.000 Euro (monatlich: 15.800 Euro). Somit erhöhten sich die Reinerträge im Schnitt um 3,7 Prozent in jedem Jahr seit 2015.“ Und das bei rückläufiger Arbeitszeit.

Hier wird leider deutlich, dass ein Fachreferent beim GKV-SV den Unterschied zwischen einem angestellt Beschäftigten und einem freiberuflichen Unternehmer – hier niedergelassene Ärztinnen und Ärzte – nicht kennt oder aus populistischen Gründen nicht kennen will. Ein freiberuflich Niedergelassener muss sich krankenversichern samt Arbeitgeberanteil – auch (Zahn-)Ärzte behandeln sich in der Regel nicht selbst –, Altersvorsorge betreiben, Versicherungen bezahlen und vor allem für Investitionen ansparen. Er, sie oder divers müssen die Praxis-Infrastruktur aufrecht erhalten, modernisieren, technisch auf dem neuesten Stand bleiben. Das kostet Geld, und das investieren Ärztinnen und Ärzte genau wie Zahnärztinnen und Zahnärzte aus ihrer Tasche und auf ihr eigenes Risiko. Unternehmer eben und nicht angestellt Beschäftigte.

Zurück zur Zulassungsbeschränkung

Neben der Wiedereinführung der Budgetierung und der wiederholten Faktensimulation durch den GKV-Spitzenverband kommt nun noch die wiederkehrende Diskussion um Zulassungsbeschränkungen im zahnärztlichen Bereich. Erst einmal im Landtag von Sachsen-Anhalt, wo in einer Sitzung zu dem Thema „Damit Sachsen-Anhalt auch morgen noch lächeln kann – Zahnmedizinische Versorgung im Land stärken“ die Landesgesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) eine Zulassungsbeschränkung ins Spiel brachte und eine gemeinsame Bundesratsinitiative dazu anregte: „Es sollte daher geprüft werden, ob durch eine Bundesratsinitiative das frühere Instrument der Zulassungsbeschränkungen wieder eingeführt und gegebenenfalls neue Steuerungsmöglichkeiten gesetzlich verankert werden, um künftig Zulassungssteuerungen in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen zu ermöglichen.“ Das wurde so einstimmig vom Landtag in die zuständigen Ausschüsse verwiesen. Die KZV LSA hatte noch vor kurzem ihren Versorgungsatlas 2030 aktualisiert und gemahnt, dass es schon bald in Sachsen-Anhalt 500.000 Menschen ohne Zahnarzt geben könnte. Über die Anregungen der Ministerin zeigte sich die KZV LSA irritiert und reagierte prompt in einem offenen Brief im Namen ihres Vorstandsvorsitzenden, Dr. Jochen Schmidt: „Glauben Sie tatsächlich, dass wir durch die Regulierung von Niederlassungen mehr junge Menschen für den Be-ruf des Zahnarztes und die zahnärztliche Tätigkeit in Sachsen-Anhalt begeistern können?“ Und weiter: „Selbst der G-BA kommentiert – bezogen auf die Wirksamkeit der Bedarfsplanung im vertragsärztlichen Bereich, in der Zulassungsbeschränkungen nach wie vor Bestand haben – wie folgt: ‚Das Problem, dass Sitze aufgrund fehlender Interessentinnen und Interessenten nicht besetzt werden, löst die Bedarfsplanung […] nicht.‘“

Alte Hüte statt neuer Lösungen

Wer sich also beklagt, dass es zunehmend zu einen (Zahn-)Ärztemangel kommt – gerade in ländlichen Gebieten – sollte in der Politik einmal die ausgetretenen Pfade und alten Gräben verlassen und Rahmenbedingungen schaffen, die eine freiberufliche Niederlassung unternehmerisch attraktiv sein lässt – inklusive echtem Bürokratieabbau.

Eine lenkende Politik der Anreize statt einer Politik, die mit der Gießkanne ordnet, ist es, was derzeit notwendig ist.

Auch sollte es keine Tabus bei Versuchen geben, neue Versorgungsformen zu schaffen, ob kommunale MVZ oder mobile Versorgungsformen. Eine lenkende Politik der Anreize statt einer Politik, die mit der Gießkanne ordnet, ist es, was derzeit notwendig ist. Angesichts der 13 neuen Gesetze, die -Lauterbach allein für dies Jahr plant, ist ei-ne solche Zukunftsperspektive in etwa so wahrscheinlich wie die Begegnung mit -einem Regenbogeneinhorn beim nächsten Waldspaziergang. Wer wird noch der nächste Gesundheitsminister? Karl-Josef Laumann?

Titelbild: ferkelraggae – stock.adobe.com