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Annahme verweigert

Geht alles schief, schreibe ich einen offenen Brief.

Die KZBV schreibt dem Bundesgesundheitsminister

Angesichts der Gesundheitspolitik von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach tat es in der vorvergangenen Woche der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) in der Sorge um eine nicht zu Ende gedachte elektronische Patientenakte in Bezug auf Kinder und Jugendliche und breitete eine gut durchdachte Forderungsliste gleich mit aus. Ob sie Beachtung durch den viel reisenden und medial präsenten Minister finden wird? Der geneigte Leser wird sich seinen Teil dazu denken.

Stabil instabil

Nun scheut sich Lauterbach in den letzten Wochen nicht, das Wort „Entbudgetierung“ zu nutzen. Was bei der derzeitigen Kassenlage erstaunen mag. Die GKV-Ausgaben für 2023 lagen laut Statista bei 296,5 Milliarden Euro – die Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds bei 268,7 Milliarden Euro. Dass es Lauterbach nun, wie er immer wieder gerne sagt, gelungen sei, die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren, ist bei einem Defizit von 27,8 Milliarden nicht wirklich nachvollziehbar. Auch die Prognosen des GKV-Schätzerkreises für 2024 sprechen eine andere Sprache: Seine Schätzergebnisse rechnen mit Einnahmen von 283 Milliarden Euro und Ausgaben in Höhe von 314 Milliarden Euro. Die erkennbare Stabilität liegt in dem stabilen Wachstum des Defizits.

Und doch gab es die Entbudgetierung schon für die Kinder- und Jugendärzte, den Hausärzten wurde sie auch bereits versprochen und der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) zeigt sich dahin gehend auch „hoffnungsvoll“. Die Stimmung ist gut, könnte Frau, Mann und Divers meinen.

Linke Tasche, rechte Tasche

Die nächste, vermeintliche Erfolgsgeschichte des Bundesgesundheitsministers ist die vergangene Woche erzielte Einigung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zum „Krankenhaustransparenzgesetz“. „In der Einigung ist laut Medienberichten davon die Rede, dass sich Bund und Länder die Kosten für einen neuen 50-Milliarden-Strukturfonds teilen. Diese Finanzierungsaufteilung ist konsequent. Originär staatliche Auf-gaben sind vom Bund und von den Ländern zu finanzieren. Ein Rückgriff auf Mittel der Beitragszahlenden der gesetzlichen Kran-ken-versicherung wäre ein Etikettenschwindel“, erklärte darauf Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes. Finanzierungstrick, ick hör dir trapsen.

Im Raum steht, dass der Bund seine Mittel zum für das Transparenzgesetz benötigten „Transformationsfonds“ künftig aus dem eigenen Anteil am Gesundheitsfonds speisen will. Das Geld wird dann GKV für seine Aufgaben fehlen. „Erneut zeichnet sich ab, dass die Beitragszahlenden Opfer eines verfassungswidrigen Missbrauchs werden. Die Sozialkassen finanzieren die Betriebskosten und nicht die Reform von Infrastrukturen. Dem müssen notfalls Gerichte einen Riegel vorschieben“, so der nie um kernige Worte verlegene Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbands.

Lauterbach ist nicht der erste findungsreiche Gesundheitsminister mit einem in Nicht-Pandemie-Zeiten notorisch klammen Bundeshaushaltsbudget. In diesem Jahr beträgt er 16.708.527.000 Euro. Davon fließen direkt 14,5 Milliarden Euro als „pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Ausgaben“ in den Gesundheitsfonds. Und auch die spärlichen verbliebenen rund 2,2 Milliarden Euro sind fest verplant. Die sowieso schon viel zu knapp bemessenen 14,5 Milliarden für den Gesundheitsfonds in Teilen auch noch umzuwidmen, hat schon eine gewisse „kreative“ Form im Umgang mit Steuermitteln. Der GKV-Versicherte darf es dann mit seinen Beiträgen richten und weiterhin sachfremde Sozialkosten an Staates statt übernehmen.

Offene Briefe, offene Fragen

Und in diese Gemengelage schreibt nun die KZBV einen offenen Brief an den Bundesgesundheitsminister mit dem Betreff „Keine Gesundheit ohne Mundgesundheit: Versorgungsprobleme nicht länger ignorieren, sondern Krise in der zahnärztlichen Versorgung stoppen“. Der Brief beginnt: „Sehr geehrter Herr Bundesminister, mit großer Sorge um die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten wenden wir uns heute an Sie“. Tja, so kann Frau, Mann, Divers einen Brief beginnen – zu Weihnachten an seine Großmutter. Einem Bundesminister, der Präventionsleistungen in der GKV kürzt und wider besseren Wissens qua BMG-Hausmitteilung verlautbaren lässt, „alles sei gut“ mit der präventionsorientierten Parodontitistherapie, der Fakten und Zahlen ignoriert, der die Zusammenhänge von Mund- und Allgemeingesundheit kennt, der weiß, welche Folgekosten durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz für die kommenden Jahre entstehen und vor allem, was das für betroffene Patientinnen und Patienten bedeutet, kann Frau, Mann, Divers auch anders adressieren. Gerne höflich, aber auch klar benennend, welche Folgen es in wessen Verantwortung gibt. Stattdessen braucht es drei Absätze, bis es der Brief ausspricht: „Die unmittelbaren Leidtragenden dieser kurzsichtigen und fehlgeleiteten Gesundheitspolitik sind die Patientinnen und Patienten.“ Leider sind Prof. Lauterbach bis dahin die Abstract-gewohnten Augen bereits zugefallen. Auch die an sich sprechenden Zahlen von 120.000 Parodontitis-Neubehandlungsfällen pro Monat vor Einführung der Budgetierung auf einen Sturz von jetzt 77.500 gehen in der Bleiwüste des offenen Fließtextes unter. Lässt sich Lauterbachs „keine Leistungskürzung“ besser widerlegen?

Aber der Offene Brief versteht sich zu sehr als Gesprächsangebot: „Herr Bundesminister, erkennen Sie endlich: Es gibt keine Gesundheit ohne Mundgesundheit. Wir appellieren daher ausdrücklich an Ihre Verantwortung für die Aufrechterhaltung der zahnmedizinischen Versorgung. Stellen Sie sich den Problemen bei der Parodontitisversorgung. Verweigern Sie nicht länger den Dialog. Unsere Lösungsvorschläge liegen Ihnen vor. Wir fordern Sie auf, mögliche Lösungsansätze konstruktiv mit uns zu dis-kutieren und unsere Vorschläge aufzugreifen. Nur so können Sie noch verhindern, dass sich diese Versorgungskrise weiter verschärft.“

Manchmal ist ein stechendes Telegramm halt treffender als epische drei Seiten Textmasse.

Oder wie es schön in Wikipediaprosa heißt: „In vielen Fällen handelt es sich vor allem um eine Selbsterklärung des Verfassers, die mit einer tatsächlichen Wirkung des Offenen Briefs gar nicht rechnet.“

Ein Minister, dessen offizielle Erklärvideos unter dem Titel – Obacht Wortspiel – „KarlText“ laufen, scheint mehr dem Ego als der Sachinformation verpflichtet. So dürfte auch das wiederholt vorgetragene und faktenbasierte Ansinnen, Gesundheit von Menschen durch Prävention im Bereich der Parodontitis-Vorsorge zu erhalten, auf taube Ohren stoßen. Der – Obacht Wortspiel – PräventionsKarlSchlag – scheint unter Lauterbach unumkehrbar.

Selbst geliehenes Geld lässt sich nur einmal ausgeben, und Geld ist reichlich im GKV-System. 300 Milliarden Euro jetzt – der gesamte Bundeshaushalt beträgt 476 Milliarden. Hier gibt es mehr offene Fragen als offene Briefe.

Titelbild: Zahid – stock.adobe.com