Es ist gerade Mal wenige Wochen her, da warfen beim Kongress „Alles außer Zähne“ in Berlin Carsten Schlüter und Jens Pätzold in ihrem Vortrag „Dental Future – ein Blick in unsere Zukunft“ die Frage in den Raum, wer wohl über die meisten Daten über uns verfügt. Facebook, Google und Amazon – waren sie sich einig –, und es sei lediglich eine Frage der Zeit, wann einer der Konzerngiganten eine Krankenversicherung anbiete.
Jetzt ist es tatsächlich soweit: Der Online-Versandriese Amazon hat zusammen mit der größten US-Bank J.P. Morgan Chase und Warren Buffetts Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway die Gründung einer gemeinsamen Krankenkasse angekündigt. Es handle sich dabei zunächst um ein nicht-gewinnorientiertes Angebot für die eigenen Mitarbeiter, das die internen Gesundheitskosten senken soll. Doch wie lange bleibt es dabei?
Versicherungsmodelle, die den Lebensstil der Kunden Smartphone-basiert überwachen, gibt es inzwischen auch in Deutschland. Vitality des Versicherungsunternehmens Generali ist beispielsweise ein Versicherungsprogramm, das zusammen mit einer Lebensversicherung abgeschlossen wird und Mitglieder „bei jedem Schritt in ein gesünderes Leben belohnt“. Vitality-Punkte werden etwa dann vergeben, wenn ein Kunde digital erfassen lässt, dass er die Treppe und nicht den Aufzug genommen hat. Dafür dient die Vitality-App, die mit gängigen Fitness-Trackern und Drittanbieter-Apps kombiniert werden kann.
Zweifelsohne kann Big Data Menschen dabei unterstützen, gesünder zu leben. Fitnessuhren zum Beispiel messen unseren Blutdruck und Herzrhythmus. Sie hhelfen, Kalorienverbrauch und Bewegungsverhalten zu steuern. Mit Sicherheit können mit Apps vernetzte, implantierte Sensoren künftig Leben retten. Die digitale Durchdringung des Versicherungsgeschäfts ist jedoch brisant: Denn längst sind in Deutschland noch nicht alle rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt.
Amazon gibt sich schon lange nicht mehr mit dem Online-Verkauf von Gütern zufrieden und steht zu Recht wegen der permanenten Überwachung seiner Mitarbeiter via Chip und Strichcode in der Kritik. Aktuell sorgte der Technologieriese mit der Patentanmeldung eines Mitarbeiter-Überwachungsarmbands unter Datenschützern und Arbeitsrechtlern für Aufregung. Dabei ist das Mitarbeiter-Screening, also das Sammeln von Daten über die eigenen Mitarbeiter, mittlerweile in der gesamten Logistikbranche gängige Praxis.
Mit der neuen Krankenversicherung macht Amazon zweifelsohne einen weiteren Schritt Richtung Überwachung. Einmal mehr wird deutlich: Was es hierzulande dringend braucht, sind normative Grenzen für die unaufhaltsam voranschreitende Grenzenlosigkeit einer gläsernen Gesellschaft.