Anzeige

Anhörung zum GKV-SVSG: Frust auf der ganzen Linie

90 Minuten – so viel oder so wenig Zeit nahmen sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestags in der Anhörung für ein Gesetz, das in seiner Konsequenz massive Eingriffe in ein System vorsieht, das trotz aller Fehler, Fehltritte und bereits drastischen Eingriffen der Politik es immer noch schafft, die Interessenvertretung der beteiligten Gruppen, den Interessenausgleich, die Mittelverteilung und die Versorgung der Patienten in der Gesetzlichen Krankenversicherung weitgehend erfolgreich und sicher zu organisieren.

Dass dieses System der Selbstverwaltung nicht perfekt ist, darüber ist weidlich berichtet worden: über den Bürokratiemoloch Gemeinsamer Bundesausschuss, die Auswüchse der Selbstbedienung und Pfründewirtschaft vor allem bei den Ärzten und einigen Krankenkassen etc. Aber es funktioniert und schafft es immer noch, dafür zu sorgen, dass dieses Gesundheitssystem trotz aller Probleme eine im weltweiten Vergleich sehr gute und für die Menschen bezahlbare Medizin leistet.

Entwurf ist im Kern eine Entmachtung

Es sei ein trauriger Tag für die Selbstverwaltung gewesen, konstatierte der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung nach der Anhörung gegenüber der DZW. Und das hatte nichts mit Larmoyanz oder üblichem Politikergejammer zu tun. Es stimmt. Es ist nicht zu erkennen, dass die Parlamentarier an dem von Bundesgesundheitsminister Gröhe vorgelegten Gesetzentwurf noch etwas in Richtung demokratisch organisierter und gestalteter Selbstverwaltung ändern wollen.

Zwar hatte Gröhe nach heftigem, gemeinschaftlichem Protest von G-BA über GKV-Spitzenverband bis hin zu KZBV und der den ganzen Mist auslösenden KBV zwar einige der mittelalterlichen Folterwerkzeuge aus dem Gesetzentwurf entfernt, die ihm seine Ministerialen da offensichtlich mit Wonne reingeschrieben hatten. Aber der Entwurf bleibt im Kern eine Entmachtung der demokratisch gewählten und organisierten Selbstverwaltung als Interessenvertretung der Versicherten und der sogenannten Leistungserbringer auf Bundesebene.

Strafkanon für Zahnärzte

Dass vor allem die Zahnärzte stark gefrustet sind, ist mit Blick auf ihr in der Vergangenheit erfolgreiches und konstruktives Agieren gegenüber der Politik und im Reigen der Körperschaften verständlich. Gröhe lässt kaum eine Gelegenheit aus, die Zahnärzteschaft für ihr besonderes Engagement, die erfolgreiche Arbeit für die Patienten und die angenehme, konstruktive Zusammenarbeit zu loben – und überzieht sie anscheinend ohne mit der Wimper zu zucken aus nicht nachzuvollziehenden "übergeordneten Überlegungen" mit demselben lähmenden Strafkanon wie alle anderen.

Gröhes Erklärungen noch auf dem Deutschen Zahnärztetag Mitte November vergangenen Jahres in Berlin vermittelten den dort versammelten Zahnärzten noch einen leisen Hoffnungsschimmer, dass vielleicht doch noch einige Passagen des Gesetzes entschärft oder gestrichen werden könnten – das erweist sich nun als offensichtlich trügerische Hoffnung.

Was können oder müssen Ärzte und Zahnärzte, aber auch Kassenvertreter und Patienten von einer solchen Politik für die Zukunft des Gesundheitswesens erwarten? Gerät nun auch das Gesundheitssystem im Gefolge der allgemeinen Sicherheitsdiskussion unter die neue Strömung der "Law-and-Order"-Politik?

Soll ein starker Staat auch die medizinische Versorgung der Menschen sicherstellen – etwas, das in fast allen staatlich organisierten Gesundheitssystemen zu Mängelverwaltung, Rationierung von medizinischen Leistungen, in der Breite vergleichsweise schlechter medizinischer Versorgung und hohen Kosten führt? Es ist ein Armutszeugnis für die gewählten Abgeordneten, dass sie einem so folgenschweren und zugleich unnötigen Gesetzentwurf so wenig Zeit und Aufmerksamkeit widmen.