Ein internationales Team von Wissenschaftlern und Klinikern hat erstmals europaweit die Ausbreitung von besonders gefürchteten multiresistenten Enterobakterien untersucht und vergleichbare Daten erhoben. Im Fokus der Studie stehen Klebsiella pneumoniae und Escherichia coli: Darmbakterien, die immer häufiger gegen das Reserveantibiotikum Carbapenem resistent sind. Wissenschaftler der Uniklinik Köln waren an der Studie beteiligt, die am 18. November 2016 im "Lancet Infect" veröffentlicht wurde [Grundmann H et al. European survey of carbapenemase-producing Enterobacteriaceae (EuSCAPE): prevalence of carbapenemase-producing Klebsiella pneumoniae and Escherichia coli Lancet Infect Dis 2016. Doi: 10.1016/S1473-3099(16)30257-2].
Reserveantibiotika bei schweren Infektionen
Multiresistente Bakterien sind ein weltweit zunehmendes Problem. Als besonders gefährlich erweisen sich Resistenzen gegen Antibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme. Diese dem Penicillin verwandten Antibiotika kommen als Reserveantibiotika bei schweren Infektionen zum Zug, wenn alle anderen Mittel versagen. Doch immer mehr Enterobakterien verfügen über das Enzym Carbapenemase, das das Antibiotikum angreift und unwirksam macht.
Und auch alle anderen, dem Penicillin verwandten Betalaktam-Antibiotika werden zerstört. "Bei geschwächten Klinikpatienten können Klebsiella pneumoniae und Escherichia coli schwer behandelbare Infektionen wie Harnwegsinfektionen, Lungenentzündungen und Blutstrominfektionen auslösen", sagt Prof. Harald Seifert, Leitender Oberarzt am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene sowie Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). "Um den Gefahren der Ausbreitung multiresistenter Bakterien wirksam begegnen zu können, brauchen wir verlässliche Daten – und das möglichst global", so Seifert weiter.
Einheitliche Diagnosemethoden entwickelt
Ein Hemmnis ist, dass nicht in jeder Klinik Proben in standardisierter Weise auf bestimmte Erreger und Resistenzen untersucht werden können. Doch den Wissenschaftlern gelang es, 455 Krankenhäuser in 36 europäischen Ländern in die Studie einzuschließen. Gemeinsam entwickelten sie in Nationalen Expertenlabors einheitliche Diagnosemethoden für die isolierten Proben. Insgesamt konnten 2.703 Isolate auf Carbapenemase-Produzenten untersucht werden.
Die Analysen zeigten, dass sowohl unter den Klebsiellen als auch bei E. coli Carbapenemase-Produzenten verbreitet sind: Bei resistenten Klebsiellen zeigten 71 Prozent diese Resistenz, bei E. coli zeigten immerhin 40 Prozent der Bakterien-Isolate diesen Resistenzmechanismus. Besonders gefährlich sei, dass diese Resistenz auf andere Bakterien übertragbar ist. Das Vorkommen variierte stark von Land zu Land: Waren in Deutschland nur 0,5 von 10.000 Krankenhauspatienten mit diesen resistenten Bakterien besiedelt oder infiziert, war die Rate an den gefürchteten Keimen in einigen Mittelmeerländern und auf dem Balkan mehr als zehnmal so hoch.
Und: Die Carbapenemase-Produzenten waren oft auch gegen Reserveantibiotika wie Colistin resistent. „Wir wissen aus anderen Studien, dass diese resistenten Keime häufig von Patienten in die Klinik mitgebracht werden, aber auch die Übertragung der Erreger innerhalb des Krankenhauses spielt eine Rolle“, so Seifert. „Es wird künftig darauf ankommen, nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa die Krankenhaushygiene zu verbessern. Ebenso wichtig ist, Antibiotika nur dort einzusetzen, wo sie wirklich erforderlich sind und den oft ungerechtfertigten Einsatz von Antibiotika zu vermeiden.“