Der große Wunsch des DGZMK-„Online-Präsidenten“ Prof. Dr. Roland Frankenberger: Gemeinschaftskongress aller großen Fachgesellschaften 2025 – Wiederbelebung des trilateralen Handelns als wichtiges Plus in der bisherigen Bilanz
Interview mit dem DGZMK-Präsidenten Prof. Dr. Roland Frankenberger
Schaut man auf die Rahmenbedingungen, dann hätte vieles leichter, schöner, unkomplizierter sein können. Aber trotz des Corona-Überfalls auf das tägliche und auch das zahnärztliche Leben an den Hochschulen und in den Praxen und trotz der daraus resultierenden Folge, dass er als „Online-Präsident“ in Sachen Vorstandssitzungen und Kongressen in die mehr als 160-jährige Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) eingehen wird, hat er sein charakteristisches Lächeln nicht verloren: In das letzte seiner drei Führungsjahre geht der amtierenden DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger (Uni Marburg) mit ungebrochenem Optimismus. Zeit für ein kleines Resümee seiner Amtszeit und einen Blick auf die Ziele für das laufende Jahr und das Erreichte des vergangenen Jahres.
Herr Prof. Frankenberger, als Sie Ihr Amt im November 2019 antraten, konnte niemand ahnen, dass ein kleines Virus einen derartigen Wirbel entfachen würde. Für die DGZMK führte das dazu, dass der wissenschaftliche Kongress zum Deutschen Zahnärztetag in den beiden vergangenen Jahren nur noch online durchgeführt werden konnte. Als wie tief haben Sie diese Einschnitte empfunden, und wie ist der Umgang damit gelungen?
Prof. Dr. Roland Frankenberger: Natürlich hatten wir uns das alles ganz anders vorgestellt, unsere Pläne für den Deutschen Zahnärztetag waren andere. Trotzdem sehe ich auch das Positive, denn es schadet nie, wenn lange eingefahrene Konzepte einmal – durch eine Pandemie oder etwas anderes, das ist egal – ordentlich durchgeschüttelt werden. Natürlich sind wir 2020 erst einmal in den ersten Online-Zahnärztetag förmlich hineingestolpert, am Ende war es aber ein Erfolg, nicht zuletzt aufgrund des von mir explizit geplanten trilateralen Parts mit der DGZMK-BZÄK-KZBV-Podiumsdiskussion am Ende. Dass sowohl der Deutsche Zahnärztetag 2020 als auch 2021 online stattfanden, fand ich nicht tragisch, es war retrospektiv das Beste, was wir tun konnten. Und was wirklich klasse war, war unser spontan geplanter Tag der Arbeitskreise und kleineren Gruppierungen in 2021, den wir drei Wochen später ebenfalls online durchführten. Das zweitägige Programm abseits vom Kongress-Mainstream attrahierte tatsächlich mehr 400 Teilnehmer jeden Tag.
Welche Auswirkungen für die beteiligten Mitveranstalter und Sponsoren hatte das, und welche Folgen daraus befürchten Sie für die Zukunft?
Frankenberger: Das größte Fragezeichen steht im Moment hinter der Zukunft der Dentalmessen. Die Besucherzahlen waren schon präpandemisch rückläufig, und inwieweit sich das ganze Messegeschäft nach der Pandemie wieder erholen wird, steht in den Sternen. Auf der anderen Seite existiert seitens der Dentalindustrie eine große Sehnsucht nach neuen Kongressformaten, in die sie auch anders eingebunden sein könnte als früher. Alles in allem wird sich viel verändern in diesem Segment, auch wenn eine Prognose dem Blick in die Glaskugel ähnelt. Werden sich Hybridformate durchsetzen? Vielleicht. Vielleicht sprechen wir aber in zehn Jahren gar nicht mehr davon. Interessant war auf alle Fälle, dass bei der Evaluation des Online-Kongresses 2021 die Mehrheit der Teilnehmer angab, das Online-Format zu bevorzugen. Mein Eindruck bleibt jedoch nach wie vor, dass es auch eine große Sehnsucht nach Präsenz und persönlichem Austausch gibt. Das ist nicht zu ersetzen.
Auch im laufenden Jahr sehen die Prognosen nicht gut aus, und das Risiko, eine Präsenzveranstaltung im November zu planen, scheint zu hoch. Was ist da zu erwarten?
Frankenberger: Wir haben als Veranstalter zusammen mit unseren Partnern LZK Hessen und Quintessenz-Verlag bereits jetzt entschieden, den Deutschen Zahnärztetag auch 2022 als reines Online-Format anzubieten. Dass nun auch der letzte Zahnärztetag meiner Amtszeit nicht in Präsenz stattfinden wird, tut mir schon weh. Aber ich bin halt der Corona- beziehungsweise Online-Präsident. Sie fragen sich vermutlich, warum wir das schon jetzt so festgelegt haben mit der Online-Variante im November. Das hat viele Gründe, fast alle hängen mit Geld zusammen: Der Mix aus erheblicher sponsorentechnischer Unterdeckung, unklarer Lage der Messe id mitte und drohenden horrenden Stornokosten hat es uns schlicht nicht anders ermöglicht, auch wenn wir es uns sehr gewünscht hätten. Hinzu kommt die große Unsicherheit, wie es mit der Pandemie wirklich weitergeht.
Obwohl inzwischen in Berlin ein Bündnis mit rot-grüner Beteiligung regiert, sind von vielen befürchtete Neuerungen, etwa in Sachen Bürgerversicherung, ausgeblieben. Wie bewerten Sie die ersten Schritte der neuen Regierung und speziell die des neuen Bundesgesundheitsministers, Prof. Dr. Karl Lauterbach?
Frankenberger: Man sollte der neuen Ampel jetzt erst einmal ein bisschen Zeit geben, sich zu sortieren. Es ist doch kein Geheimnis, dass viele Dinge, die in den vorangegangenen 16 Jahren gerne ausgesessen wurden, jetzt einfach einmal angepackt werden müssen, auch wenn es unbequem ist. Darum beneide ich die Mitglieder der Regierung wirklich nicht. Ich hoffe jedoch, dass das Handeln nicht zu sehr ideologisch überblendet wird – und das betrifft sowohl die Außen- als auch die Innenpolitik. Jetzt zu früh alles anzuzweifeln, ist für mich fehl am Platz. Gerade die ehemalige Volkspartei mit dem C, die (nach absoluten Zweitstimmen) seit 2013 ein knappes Drittel ihrer Stimmen verloren hat, sollte sich erst einmal neu aufstellen statt aufzusprechen.
Meine Meinung zu Karl Lauterbach hat sich in den vergangenen Jahren komplett geändert. Durch seine Nähe zur Bürgerversicherung war er mir zunächst ziemlich suspekt, unabhängige Berechnungen haben ja ergeben, welche desaströsen Folgen so eine Bürgerversicherung für die Zahnmedizin hätte. Aber unabhängig von seiner ubiquitären Talkshow-Präsenz hat der Mann einfach die Kompetenz, die man von einem berufenen Medizin-Professor erwarten kann, und das gefällt mir. Natürlich wird er jetzt erst einmal eine Legislaturperiode in der Pandemie und Postpandemie verbringen, für uns Zahnis wird da nicht viel Zeit sein. Wir müssen uns wie in der gesamten Pandemie erst einmal um uns selbst kümmern.
In den vergangenen Jahren war die Zusammenarbeit von Wissenschaft und den beiden Standesorganisationen vielleicht nicht immer optimal. Sie sprachen schon früh von der Notwendigkeit der „einen“ Zahnmedizin, und so ist es auch im Grundsatzpapier „Perspektiven 2030“ der DGZMK aus dem Jahr 2020 verankert. Wie bewerten Sie den Ist-Zustand, und was erhoffen Sie sich hier für die Zukunft?
Frankenberger: Wenn ich einen Erfolg meiner Präsidentschaft herausstellen darf, dann ist es die Tatsache, dass sich DGZMK, BZÄK und KZBV auf mein Bestreben hin in dieser Zeit deutlich angenähert haben. Es ist schon jetzt das Highlight meiner drei Jahre als Präsident, dass Wolfgang Eßer, Christoph Benz und ich bei der Vertreterversammlung der KZBV gemeinsam aufgetreten sind und unsere Erwartungen an die neue Bundesregierung in Einzelstatements, aber auch in einer Podiumsdiskussion artikuliert haben. Ich habe mich außerordentlich darüber gefreut, dass mein Wahlspruch „Es gibt nur eine Zahnmedizin“ im Nachgang als Headline vieler Presseberichte fungierte. Und um noch einmal auf den Deutschen Zahnärztetag zurückzukommen: Es ist meine Wunschvorstellung, dass spätestens bei einem großen Deutschen Gemeinschaftskongress aller Fachgesellschaften im Jahr 2025, also 20 Jahre nach dem letzten Gesamtkongress 2005 in Berlin, DGZMK, BZÄK und KZBV gemeinsam auf der Bühne stehen und den trilateralen Aspekt gebührend zelebrieren. Stellen Sie sich einmal vor, was das für eine politische Wirkung hätte! 2005 hatte die DGZMK noch 12.000 Mitglieder, und wir hatten mehr als 5.000 Teilnehmer. Heute haben wir doppelt so viele Mitglieder, das heißt, wir sprechen hier von einem Potenzial von 10.000 Kongressteilnehmern – das wäre fantastisch. Wenn da so viele Kolleginnen und Kollegen kommen, würde zur Begrüßung sicher auch einmal der Bundesgesundheitsminister vorbeischauen.
Sehen Sie die Rolle der DGZMK als die wissenschaftliche Instanz im Bereich der Zahnmedizin auch für die Zukunft gesichert? Und welche Pläne haben Sie hier für die kommenden Monate?
Frankenberger: Ja, das sehe ich so. Auf der einen Seite müssen wir die evidenzbasierte Zahnmedizin noch weiter nach vorne bringen und unsere Leitlinienarbeit noch mehr intensivieren, auch wenn das ein extrem aufwendiges Geschäft ist, dessen Folgeaufwendungen man nicht unterschätzen darf. Ist eine Leitlinie nach jahrelanger Arbeit fertiggestellt, währt die Freude nur kurz, und schon muss das Ding wieder aktualisiert werden.
Auf der anderen Seite ist es mir eine Herzensangelegenheit, den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland mit eigenen Forschungsausschreibungen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro noch weiter zu fordern und zu fördern. Wir haben es bereits in unserem Positionspapier beschrieben: Die Bedingungen, unter denen an manchen deutschen Universitätszahnkliniken geforscht werden muss, sind eine Schande. Generelle Unterfinanzierung, aber auch unfaire Umleitungen fundamental wichtiger Gelder in die Medizin sind leider oft die Rahmenbedingungen, die gute Forschung brutal erschweren. Hier haben wir bereits in den vergangenen Jahren mit unserem Wissenschaftsfonds den Standorten immer wieder Linderung verschafft, und das müssen wir aber noch weiter intensivieren. Ein erster Schritt war die große Forschungsausschreibung „Klinische Studien“ vor drei Jahren, eine nächste – vermutlich mit 300.000 Euro – folgt noch in 2022. Wir laufen sonst ernsthaft Gefahr, in Zukunft nicht ausreichend Nachwuchs für Forschung, aber gerade auch für die moderne Ausbildung der nächsten Zahnmedizinergeneration hervorzubringen.
Gibt es ganz persönliche Ziele, die Sie bis zum Ende Ihrer Amtszeit noch erreichen möchten?
Frankenberger: Da fallen mir drei Aspekte ein: 1. Wir würden gerne zeitnah zusammen mit der VHZMK eine nächste DFG-Nachwuchsakademie auf die Beine stellen, um den wissenschaftlichen Nachwuchs mit noch mehr Nachdruck zu unterstützen. 2. Ich leite die NKLZ-Redaktionskonferenz und möchte noch in diesem Jahr die Weichen für eine erfolgreiche Umsetzung dieses nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalogs für die neue Approbationsordnung umsetzen. Erst wenn der NKLZ in einer neuen AOZ verankert ist, stehen wir in der Lehre auf sicheren Beinen. 3. Und wie ich bereits beschrieben habe – ich bin ein großer Fan der Idee eines Gemeinschaftskongresses aller Fachgesellschaften. Für mich war die „große“ Tagung 2005 ein absolutes Highlight in den 30 Jahren als Zahnarzt. Darauf arbeite ich hin, seit ich 2012 Präsident der DGZ war. Es wird mich ja als Präsident längst nicht mehr involvieren, aber darum geht es wirklich nicht. Und: Wir haben bereits heute so viele Zusagen von großen Fachgesellschaften, dass ich optimistisch bin, dass wir die Rahmenbedingungen (Ort, Kongresszentrum, Ausstellung etc.) noch in diesem Jahr für 2025 festzurren können. Das wäre dann noch die Kirsche auf der Torte. Und wenn meine Amtszeit im November dann beendet sein wird, mache ich erst einmal eine Woche Urlaub.